Mit Barbara Sukowa auf der Matratzeninsel

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 10.09.2008
Die Strohwitwe Lena Brücker verheimlicht dem geliebten Marinesoldaten das Kriegsende und verlängert so ihre Liebesgeschichte. Nebenbei macht sie Schwarzmarktgeschäfte und erfindet die Soße aus Ketchup und Curry. Brennan und Dale wiederum leben mit über 40 jeweils noch im "Hotel Mama". Als sie "Stiefbrüder" werden, ist damit Schluss.
Die Entdeckung der Currywurt
Deutschland 2008, Regie: Ulla Wagner, Darsteller: Barbara Sukowa, Alexander Khuon, Wolfgang Böck, 106 min, o.Al.

Ulla Wagner: geboren in Düren/NRW, Studium der Theaterwissenschaft, Publizistik und Germanistik an der FU Berlin, seit 1985 als Regieassistentin, Casterin, Dramaturgin (u.a. beim SFB) sowie als freie Autorin und Regisseurin bei diversen TV-Produktionen und Kurzfilmen tätig. Im Jahr 2000 entsteht, als deutsch-französische Co-Produktion, ihr erster abendfüllender Spielfilm: "Anna Wunder".

"Die Entdeckung der Currywurst" basiert auf der gleichnamigen Novelle von Uwe Timm aus dem Jahr 1993 – sie war bereits Grundlage für einen Comic (von Isabel Kreitz, 1996) sowie für ein Bühnenstück (1998 am "Freien Werkstatt Theater" in Köln).

Wir befinden uns in der Endphase des 2. Weltkriegs in Hamburg. Fanatiker faseln noch immer vom "Endsieg" und schicken viele Männer in den "Heldentod". Lena Brücker, eine in die Jahre gekommene, etwas verhärmte "Strohwitwe", leitet eine Werkskantine. Ihr Mann wie auch der Sohn befinden sich an der Ostfront, beim Kinogang lernt sie den jungen Marinesoldaten Hermann Bremer kennen. Auch er ist zum "Endkampf an der Heimatfront" abkommandiert, sie aber weiß dies zu verhindern. Stimmt ihn um und versteckt ihn in ihrer Wohnung. Wo ein außergewöhnliches Liebesabenteuer beginnt.

Während Lena in den nächsten Wochen förmlich aufblüht, leidet Hermann unter der Enge und dem Eingesperrtsein in der Wohnung. Zudem macht der fanatische Hausblockwart-Nazi-Schnüffler ihm und ihnen andauernd zu schaffen. Drumherum: bekannte Rollen-Stichwortgeber wie der denk- und verbal-aufsässige Kantinenkoch, naive Fanatiker, die üblichen "grauen" Arbeitskollegen/Innen. Als der Krieg zu Ende ist, verschweigt sie ihm das, um noch mehr Tage mit ihm auf ihrer "Matratzeninsel" verbringen zu können. Wohl wissend, dass es für beide keine Zukunft geben kann; schließlich warten auf Hermann Frau und Kind. Als dann ihr Mann und ihr Sohn aus dem Krieg zurückkehren, hat sich die Ehefrau und Mutter verändert. Ist selbständiger, robuster, emanzipierter geworden. Kann ihr Leben fortan allein in die Hände nehmen.

Und es beginnt - siehe Titel - eine ganz andere, ganz geschäftige Zeit für Lena Brücker. Filmisch ein bisschen betulich das Ganze, ein bisschen SEHR spröde, fernsehspielhaft-hölzern, dargeboten. Ziemlich vorhersehbar und auch mit keinerlei Neuerungen aus der "damaligen Zeit" argumentierend.

Die Figuren nehmen ihre festgelegten Positionen ein, hier die schrecklichen Unbeirrbaren, dort die leisen Spötter, Die atmosphärische Haupt-Konzentration gilt dem ungleichen Liebespaar in der Wohnung. Dabei ist die 57-jährige Barbara Sukowa ("Berlin Alexanderplatz" von Fassbinder/1980; "Die bleierne Zeit" von Margarethe von Trotta/1981; "Lola" von Fassbinder/1981; "Rosa Luxemburg" von Margarethe von Trotta/1986) von starker Ausstrahlung und beeindruckender Charisma-Präsenz, während ihr Partner, der 28-jährige Freiburger Schauspieler Alexander Khuon in seiner ersten großen Kinorolle, "dahinter" bleibt; seine Ausstrahlung wirkt oft nur statisch bis hilflos.

Und der Titel? Nun, unter einem Schulaufsatz würde stehen "Thema verfehlt", denn erst in den letzten 20 Minuten dieses 108-minütigen Films kommt selbiger zum Titelthema, und das auch nicht gerade originell, zwingend oder sonderlich pointiert. Ein ruhiges, kleines, "überschaubares" Werk mit dem darstellerischen Prunkstück Barbara Sukowa, das allerdings auf der großen Leinwand insgesamt ein bisschen "verloren" wirkt.


<im_46475>"Stiefbrüder" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_46475>"Stiefbrüder"
USA 2007, Regie: Adam McKay, Darsteller: Will Ferrell, John C. Reilly, 97 min, ab 12 Jahren

Adam McKay: ein Komiker, der sowohl als Autor (z.B. beim TV-Anarcho-Comedy-Show -Klassiker "Saturday Night Live") wie auch als Spielfilm-Regisseur ("Ricky Bobby - König der Rennfahrer"/2006) für witzige Unterhaltungsmomente sorgte. Oftmals gemeinsam mit seinem Komiker-Kumpel Will Ferrell, der hier auch am Drehbuch mitschrieb und eine der beiden Hauptrollen spielt.

Der 41-jährige Kalifornier Ferrell hat sich mit teilweise herrlichen Blödsinn-Typen in Filmen wie "Die Hochzeits-Crasher", "The Producers" (beide 2005) sowie in "Ricky Bobby" und "Die Eisprinzen" (2007) auch bei uns eine amüsierte Fan-Gemeinde geschaffen. Zudem überzeugte er auch als ausdrucksstarker Charakter-Mime in "Melinda und Melinda" von Woody Allen (2004) und in "Schräger als Fiktion" (2006). Gegenwärtig zählt Ferrell jedenfalls zu den am besten verdienenden Hollywood-Akteuren und rangiert mit 31 Mio Dollar-Gagen pro Film auf Platz neun der hollywoodschen Honorar-Skala (hinter u.a. Will Smith, Johhnny Depp, Leonardo DiCaprio und Bruce Willis).

Sein komischer Kauz-Partner hier ist der 42-jährige Chicagoer John C. Reilly, und auch den haben wir als grandiosen Nebendarsteller in Filmen wie "Chicago" (2002/"Oscar"-Nominierung), "Aviator" (2004) sowie neulich als fulminanter Titelheld in "Walk Hard: The Dewey Cox Story" kennen- und schätzen gelernt. Beiden möchte man allerdings bei diesem debilen Quatsch-Werk zurufen: Ach Nöh!

Dabei wird in "Die Stiefbrüder" ein offensichtlich weltweit-aktuelles gesellschaftliches, besser familiäres Thema angesprochen: Die Kinder bleiben immer länger zuhause, im "Hotel Mama", oder kehren resignierend gerne wieder in den häuslichen Schoß und Schutz zurück. Hier nun geben die beiden die hoffnungslosen Nesthocker Brennan Huff und Dale Doback. Zwar sind sie schon um die 40, doch immer noch keineswegs gewillt, auf eigenen Füßen zu stehen. Stattdessen leben sie noch im Hause ihrer Mutter bzw. des Vaters, lassen sich die Wäsche bügeln und ständig bekochen. Warum bzw. was-genau in ihrer Sozialisation schief gelaufen ist, erklärt der Film allerdings nicht.

Als sich aber ihre jeweiligen Elternteile kennen- und lieben lernen, steht ihre jeweilige, bislang so heile, bequeme Familien-Welt plötzlich auf dem Kopf. Denn nun leben alle unter einem Dach, und die verwöhnten Alters-Gören belauern sich fortan höchst pubertär-eifersüchtig. Von ihren Eltern nun auch noch zur Jobsuche verdonnert, bedeutet dies künftig ein Katastrophen-Szenario. Allerdings: kein komisches, sondern ein nur-verquatschtes.

Von den 97 Filmminuten wird in bestimmt über 90 nur geredet. Dabei werden billige Zoten ebenso benutzt wie abgeschmackte Gags bildlich verwandt. Wer immer schon mal einen Hodensack in Großaufnahme auf einem Schlagzeug "geparkt" sehen möchte oder jemandem beim Verspeisen von Hundekot erleben will, hat hier sein Vergnügen. Motto: Infantile Dummbazis beim Herumtun zuzuschauen bzw. vor allem zuzuhören, das erweist sich als höchstgradig doof, unappetitlich, langweilig, aufdringlich. Hier werden keine Tabus entwickelt oder gebrochen, sondern nur peinliche Albereien durchgereicht.

Ein reinweg nur blöder Komödienfilm mit viel "Na-und"- bzw. "Was soll's"-Achselzucken; keine lustige Unterhaltung möglich.