Missionierung

Judentum in Bedrängnis

Mehrere Menora stehen in einem Regal im jüdischen Museum in München.
Mehrere Menora stehen in einem Regal im jüdischen Museum in München. © picture alliance / dpa / Andreas Gebert
Von Thomas Klatt · 14.11.2014
Juden hätten nie versucht, Andersgläubige oder Nichtgläubige zu bekehren, sagt der Leiter des liberalen Abraham-Geiger-Kollegs. Von Seiten des Christentums gab es diese Bestrebungen lange - und es gibt sie bis heute.
"So ist auch das rabbinische Judentum gegenüber Nicht-Juden sehr offen, fordert von Nicht-Juden, die mit Juden in einem Gemeinwesen oder im gleichen Territorium zusammen leben möchten nicht den Übertritt zur herrschenden Religion, nicht den Glauben an den Gott Israels und auch nicht die Unterwerfung unter die 613 Gebote und Verbote der Thora."
Das Judentum ist keine Missionsreligion, weiß Rabbiner Walter Homolka, Leiter des liberalen Abraham-Geiger-Kollegs in Potsdam. Anders als Christen und Muslime hätten Juden nie ein Interesse daran gehabt, Andersgläubige zu ihrem Glauben zu bekehren. Vielmehr gilt die Denkfigur, dass auch Nicht-Juden Gott erkennen können. Für ein gedeihliches Miteinander reichen die Gebote, die seit Adam und Noah gelten. Eine universelle Verkündigung für alle Menschen.
"Maimonides beschreibt sie so: Sechs Gebote wurden Adam mitgeteilt, 1. das Verbot des Götzendienstes, 2. das Verbot Gott zu lästern, 3. das Verbot Blut zu vergießen, 4. das Verbot der Blutschande, 5. das Verbot des Raubes, 6. das Gebot der Gerichtsbarkeit, also eine Gesellschaft aufzurichten, in der Recht und Gerechtigkeit herrschen. Und dem Noah wurde noch das Gebot hinzu gesetzet, Glieder von lebendigen Tieren nicht wegzuschneiden."
Erst Mitte der 1960er erkennt die römisch-katholische Kirche das Judentum an
...also keine unnötige Brutalität gegenüber seinen Mitgeschöpfen zu zeigen. Ganz anders war die Haltung der christlichen Kirche zur Synagoge weit weniger von Toleranz geprägt. Stets wurden Juden diffamiert, verfolgt und zur Konversion gezwungen. Erst Mitte der 1960er Jahre hat die römisch-katholische Kirche im II. Vatikanum das Judentum als eigenständig zu respektierende Religion anerkannt. Die Juden sollten künftig nicht mehr als Gottesmörder diffamiert werden dürfen. Die historische Schuld der Kirche gegenüber den Juden wurde offen anerkannt und als sündhaft verworfen. Der katholische Theologe Rainer Kampling.
"Außerhalb der Kirche gibt es viele Wege zum Heil. Vor Vatikanum II sprach man von falsa religio oder eben von Heiden."
Papst Benedikt XVI. führt missionarisches Gebet in Karfreitags-Liturgie ein
Jegliche antijüdische Liturgie sollte nicht mehr in der Kirche gesprochen werden. Allerdings wich der letzte Papst Benedikt XVI. von diesen Beschlüssen ab und führte in der Karfreitags-Liturgie das Gebet für die Juden wieder ein, diese mögen sich zum Christentum bekehren. Für den Theologen Kampling ein innerkirchliches Kuriosum.
"Er hat die Bitte für die perfiden Juden gestrichen und hat dann aus unerfindlichen Gründen selber einen Text geschrieben, selber ins Latein übersetzt und hat das eingefügt, das gibt keinen Sinn, der Übernächste wird das streichen."
Das Zweite Vatikanum liegt ein halbes Jahrhundert zurück. Homolka befürchtet, dass die einstmals erzielten Ergebnisse wieder verloren gehen könnten.
"Sehr häufig stelle ich dann fest, es kommt eine neue Generation von Pastoren, und für die ist nicht unbedingt klar, dass das was sich die Kirchentagsgeneration mühsam erarbeitet hat, dass das so selbstverständlich ist, ja oder nein."
Viele jüdische Einflüsse des Judentums auf Islam
Ganz anders sieht Rabbiner Homolka dagegen das Verhältnis zum Islam wesentlich positiver. Nicht nur, dass der Koran in seinem Text auf viele jüdische Einflüsse des 7. Jahrhunderts zurückgeführt werden kann. Sein geistiger Vorgänger, der liberale Rabbiner Abraham Geiger promovierte im 19. Jahrhundert über: Was hat Mohammed vom Judentum übernommen? Gerade heute sei man dem Islam recht nahe.
"Übrigens ist das Judentum auch für den Islam ein interessanter Gesprächspartner, weil aus meiner Beobachtung die Emanzipation des Judentums in die deutsche Gesellschaft, die wir im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts durchgemacht haben so viele Parallelen aufweist, dass wir durchaus den einen oder anderen wertvollen Tipp geben können, also ich weise nur darauf hin, dass Abraham Geigers Bemühen für die Akademisierung der geistlichen Ausbildung gerade eine sehr zeitgenössische Parallele in der Errichtung der vier Islamischen Zentren gefunden hat."
Insofern sei das Verhältnis zwischen Judentum und Islam viel enger, als es die in letzter Zeit so häufig beschworene christlich-jüdische Einheit Europas vermuten lässt.
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