Mission im Museum

Was wird aus den Sammlungen der Missionare?

Missionsstation in Tansania Deutsch Ost Afrika
Missionsstation in Tansania Deutsch Ost Afrika © imago stock&people
Von Simon Schomäcker · 04.06.2017
Im 19. und 20. Jahrhundert, der Hochzeit der europäischen Mission, brachten die Missionare zahlreiche Objekte aus den Missionsgebieten mit nach Hause. Für diese hatte man einst eigene Museen und Sammlungen eingerichtet. Deren Fortbestand ist heute bedroht.
Georg Skrabania gehört den Steyler Missionaren an, einer römisch-katholischen Ordensgemeinschaft. Der Pater führt Besucher durch das Museum "Haus Völker und Kulturen" in Sankt Augustin: "Hier haben wir viele Plastiken von Frauen. Die Frau wird in Afrika mit der Erde verglichen. Genau wie die Erde neue Früchte trägt, bringt die Frau neues Leben."
Der klotzige Betonbau ist einer von drei ordenseigenen Ausstellungsorten. Geschliffene Kieselsteinplatten zieren Innenwände und Fußboden. Schon in der Eingangshalle fällt der Blick auf afrikanische Holzskulpturen und farbenfrohe orientalische Wandbehänge. In den Nebenräumen sind Masken, Kreuze, Gemälde und andere Kunstschätze ausgestellt. Mit insgesamt 10.000 Objekten gehört das Haus zu den größten seiner Art in Deutschland.
"Es ist ein wissenschaftlich-ethnologisches Museum. Und alle Objekte, die wir haben, haben primär eine religiöse Bedeutung. Sie sind gemacht für religiöse Rituale."

Vermittlung fremder Lebenswelten

Georg Skrabania betont, dass viele der Gegenstände extra für das Museum erworben wurden. Denn normalerweise bestehen solche Sammlungen nur aus Objekten, die Missionare von ihren Reisen mitgebracht haben. "Ganz klar war die Intention dabei, den Daheimgebliebenen diese fremde Lebenswelt auch nahezubringen", erklärt Tanja Holthausen, stellvertretende Leiterin des Missionsmuseums St. Ottilien, rund 50 Kilometer westlich von München gelegen.
"Einmal den eigenen Ordensangehörigen gegenüber, also Leuten, die erst relativ frisch eingetreten waren in die Gemeinschaft. Die konnten sich dann anhand dieser Sammlungen über ihr zukünftiges Tätigkeitsfeld in der Mission orientieren. Aber natürlich auch Besuchern gegenüber, die dort Informationen erhalten haben."
Gemeinsam mit der bundesweiten Konferenz Missionierender Orden hat Tanja Holthausen eine Umfrage durchgeführt. An 106 deutsche Ordensgemeinschaften mit missionsgeschichtlichen Sammlungen schickten sie Fragebögen. 29 davon kamen ausgefüllt zurück. Viele der vorhandenen Sammlungen sind Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Aktuell fristen sie häufig ein Nischendasein:
"Man weiß, das ist jetzt kein Geheimnis, dass in vielen Ordensgemeinschaften die Zahl der Neueintritte rückläufig ist. Wir haben es auch immer wieder rückgemeldet bekommen in den Fragebögen: ‚Es fehlt uns die Zeit und das Personal, um die Sammlung wirklich gut zu betreuen‘."

Finanzielle Probleme

Mehrere missionsgeschichtliche Sammlungen sind mit 100 bis 1000 Objekten zudem sehr klein. Deshalb haben manche Orden oder Missionswerke nie über umfassende öffentliche Ausstellungen nachgedacht. Auch die finanzielle Situation ist ein Problem, weiß Ute Koch vom Museumsamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe. Gemeinsam mit ihren Kollegen vom Landschaftsverband Rheinland hatte Koch überlegt, ob sich Häuser mit öffentlich zugänglichen Sammlungen unterstützen ließen. So einfach ist das jedoch nicht:
"So eine Anschubfinanzierung ist zwar auch immer nochmal möglich. Aber das wirkliche Problem sind ja die laufenden Kosten, die danach anfallen. Da kann man die Orden nicht alleine lassen. Das schaffen die nicht, also mit der Altersstruktur, die die haben, haben die andere Probleme, als sich mit den Sammlungen zu beschäftigen. Die müssen schauen, dass sie die Renten ihrer Ordensmitglieder bezahlen können."

Nur selten geöffnet

Viele Missionsmuseen sind deshalb heute kaum noch öffentlich zugänglich – das "Haus Völker und Kulturen" in Sankt Augustin zum Beispiel öffnet nur noch jeden ersten Sonntag im Monat seine Pforten für Besucher.
Auf Anfrage führt Pater Georg Skrabania auch Seniorengruppen, Schulklassen oder Studenten durch die Räumlichkeiten. Gerade Letztere sind wichtige Besucher – denn wissenschaftliches Interesse ist ein Rechtfertigungsgrund dafür, die Sammlungen beizubehalten und zu pflegen. Regelmäßig recherchieren Studenten etwa im evangelischen Missionsmuseum "Auf der Hardt" in Wuppertal, freut sich Leiter Christoph Schwab:
"Wir kommen da teilweise auf zwölf Arbeiten pro Jahr – Dissertationen, Masterarbeiten, Bachelorarbeiten. Davon profitieren wir natürlich auch. Die meisten Anfragen kommen aus dem Bereich der Historiker. Seltener aber auch mal Theologen oder Ethnologen."

Die Bestände sollen erhalten bleiben

Laut der Umfrage der Konferenz Missionierender Orden legen die meisten der befragten Institutionen Wert darauf, die Sammlungen trotz schwieriger Umstände zu erhalten. Die Gründe dafür erklärt Tanja Holthausen:
"Diese Sammlungen spiegeln immer auch die eigene Ordensgeschichte wider. Sie zeigen die Aufbrüche der Ordensangehörigen in die fremde Lebenswelt hinein, ins Missionsgebiet hinein. Und deshalb sind solche missionsgeschichtlichen Sammlungen dann auch immer ein Teil der Identität einer Ordensgemeinschaft."
Allerdings fehle in vielen Sammlungen der Gegenwartsbezug, meint Ute Koch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe:
"Vor 100 Jahren war das natürlich auch immer in Verbindung mit Kolonialisierung zu sehen. Und das ist heute ja Gott sei Dank gar nicht mehr gegeben. Es ist heute in erster Linie Entwicklungsarbeit. Aber es wäre spannend zu erfahren, wie konkret es dann aber doch in die Form der Bekehrung geht."

Zu Weihnachten gibt es Krippen aus aller Welt

Georg Skrabania hat diesen Erzählstrang noch nicht aufgegriffen. Gerne zeigt er aber Sonderausstellungen. So gibt es zum Beispiel in der Advents- und Weihnachtszeit Krippendarstellungen aus aller Welt zu sehen – etwa afrikanische, die aus Baumstämmen geschnitzt wurden. 2016 hieß das Motto: "Aus welchem Holz ist Gott geschnitzt?"
"Das ist zweideutig – also diese Hölzer kann man zeigen, aus Afrika, aus Europa, aus Lateinamerika. Und zweitens zeigt die Krippe diese Barmherzigkeit Gottes."
Die Krippenausstellung lockt jedes Jahr viele Besucher ins "Haus Völker und Kulturen". Solche Aktionen können dazu beitragen, das öffentliche Interesse an Missionsmuseen wieder zu steigern – auch wenn viele Dauerausstellungen sicherlich einer Aktualisierung bedürfen.
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