Missbrauchsopfer werden möglicherweise entschädigt

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Marcus Pindur · 16.04.2010
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) schließt nicht aus, dass es eine Entschädigung für die Opfer von Missbrauch in katholischen Einrichtungen geben wird. Ob es eine Entschädigung pauschaler Art geben werde, sei eine schwierige Frage, und es gebe auch noch keine detaillierten Vorstellungen, sagte sie.
Marcus Pindur: Die Vorzeichen des Treffens der Bundesjustizministerin und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz waren weniger schön. Ende Februar warf die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der katholischen Kirche bei der Aufklärung sexuellen Missbrauchs mangelnde Kooperation mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden vor. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch verlangte daraufhin umgehend eine Entschuldigung und beschwerte sich sogar bei der Kanzlerin. Aber auf beiden Seiten war offensichtlich guter Wille vorhanden – gestern traf man sich zum klärenden Gespräch. Und ich begrüße jetzt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Guten Morgen!

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen!

Pindur: Was hat sich denn seit Ihrem Interview im Februar geändert, dass der Streit jetzt als beigelegt gelten kann?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es hat sich in der katholischen Kirche viel bewegt. Es sind nicht nur Beauftragte eingesetzt worden, prozessbevollmächtigte Anwälte beauftragt worden, die sich mit der Aufarbeitung des Missbrauchs in katholischen Institutionen zu befassen haben, sondern – ganz wichtig für mich – es ist ganz unstreitig, dass die Richtlinien über den Umgang mit den Staatsanwaltschaften überarbeitet werden und auch klar ist, dass ganz eng mit den Staatsanwaltschaften zusammengearbeitet werden muss, also Informationen ganz früh, ganz zügig dorthin kommen. Und das war ja ein Anlasspunkt für Differenzen.

Pindur: Also die Klarstellung des Vatikan vor ein paar Tagen hat aber sicherlich auch geholfen, er hat ja gesagt, dass Kirchenfunktionäre jetzt gehalten seien, Fälle von sexuellem Missbrauch in jedem Fall den staatlichen Behörden zu melden.

Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, das ist ja auch die Haltung in München-Freising im Erzbistum, und das zeigt ja ganz deutlich, dass es jetzt künftig eine ganz andere Einstellung auch dazu geben soll in der katholischen Kirche. Das muss natürlich sich dann auch niederschlagen in den entsprechenden innerkirchlichen Richtlinien, Leitlinien, aber das ist ja ein gravierender Unterschied zur früheren Einstellung, wo ja gegebenenfalls nach erwiesenen Vorwürfen eines sexuellen Missbrauchs man eventuell auch die Staatsanwaltschaft einschalten könnte. Und das zeigt nur, dass die katholische Kirche sich doch jetzt ernsthaft mit der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und mit dem Blick auch in die Zukunft befasst.

Pindur: Stichwort Aufarbeitung: Hat Bischof Zollitsch etwas zur Verantwortung, vielleicht auch zur Schuld der Kirche in der Vergangenheit gesagt?

Leutheusser-Schnarrenberger: Er hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Leiden der Opfer ganz klar im Mittelpunkt steht und absolute Priorität hat und aufgearbeitet werden muss und damit natürlich auch Verantwortlichkeit klar wird und dass daraus dann auch sich Konsequenzen ergeben.

Pindur: Werfen wir jetzt mal einen Blick voraus: In einer Woche soll es einen Runden Tisch zum Thema Missbrauch geben – wer soll daran teilnehmen, was ist sein Ziel?

Leutheusser-Schnarrenberger: Dieser Runde Tisch hat zwei Beine, thematisch, Aufarbeitung, Zusammenarbeit mit dem Staat, Wiedergutmachung, Anerkennung der Leiden und Prävention, was muss an Strukturen insgesamt auch für andere Bereiche unserer Gesellschaft geändert werden. Und deshalb sitzen viele Vertreter gesellschaftlicher Gruppen an diesem Runden Tisch. Das wird ein großer Runder Tisch werden, auch Vertreter von Opfern, verschiedene Verbände, die sich mit Anliegen von Opfern befassen, und natürlich die unabhängige Beauftragte der Bundesregierung, Frau Bergmann.

Pindur: Sexuellen Missbrauch hat es ja nicht nur in der Kirche gegeben oder in kirchlichen Internaten, sondern auch in anderen Internaten. Sollen die Opfer sexuellen Missbrauchs denn auch vertreten sein an diesem Runden Tisch?

Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich ist es an diesem großen Runden Tisch nicht möglich, viele Opfer und Opfervertreter dort auch immer präsent zu haben, deshalb werden zwei Unterarbeitsgruppen eingerichtet: eine unter der Verantwortung von Frau Schröder, eine unter der Verantwortung von mir und meinem Ministerium. Und natürlich werden wir dort, wenn wir ganz konkret beraten, auch über die, noch mal über den Blick auf die unterschiedlichsten Sachverhalte sexuellen Missbrauchs Vertreter von Opfern ihre Erfahrungen, ihre Kenntnisse, ihre Eindrücke mit einbringen, denn wir wollen hier nicht über die Opfer reden, sondern wir wollen da natürlich auch die Gelegenheit schaffen, gerade mit Opfern ins Gespräch zu kommen. Und das müssen wir dann auch gut organisieren, weil es natürlich immer auch noch ein Gespräch bleiben muss und nicht nur eine große Runde, wo kaum jemand mal die Möglichkeit hat, etwas zu sagen. Aber das wird auf alle Fälle erfolgen.

Pindur: Steht dabei auch die Frage nach der Entschädigung für Opfer auf der Tagesordnung?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, das ist mit dem Ausdruck "Anerkennung der Leiden der Opfer", wie es im Kabinettsbeschluss steht, ja ganz deutlich verbunden. Was man dort tun kann an konkreten Hilfen, möglicherweise an Entschädigung in einer pauschalen Art, das sind ganz schwierige Fragen, da gibt es bisher auch noch nicht konkrete und detaillierte Vorstellungen, aber das Thema, das liegt ganz klar auf dem Tisch.

Pindur: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich bedanke mich!
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