"MINT - Magazin für Vinylkultur"

Interessante Geschichten und biedere Massenware

Ausschnitt aus dem Cover der ersten Ausgabe der Zeitschrift "MINT - Magazin für Vinylkultur" auf dessen Website: Es ist der Titel der Zeitschrift zu sehen, darunter ein Teil einer Schallplatte, der Hinweis "Über 80 Album-Reviews" und der Text "Die Reportage".
Ausschnitt aus dem Cover der ersten Ausgabe der Zeitschrift "MINT - Magazin für Vinylkultur" auf dessen Website © Screenshot der Website www.mintmag.de
Von Thorsten Bednarz · 22.12.2015
Die neue Zeitschrift "Mint" will sich mit der Schallplattenkultur in allen Facetten beschäftigen. Doch trotz einiger guter Storys löst sie dieses Versprechen zumindest in der ersten Ausgabe nicht wirklich ein.
Der Ansatz klingt erst einmal vielversprechend: Man wolle sich mit der Vinyl-Kultur in all ihren Facetten beschäftigen, heißt es im Editorial von "MINT", dem neuen "Magazin für Vinylkultur". Doch ein paar Sätze weiter schon wird konstatiert, der Siegeszug der Schallplatte sei nur eine überhitzte Wahrnehmung, sprich: ein Hype. Führt sich dieses Heft damit nicht selbst ad absurdum?
Doch ob Hype oder nicht, um die Vinylplatte rankt sich ein ganzer Kosmos – der Geruch einer pressfrischen Platte oder das Fachsimpeln mit anderen Sammlern, die teils von Hand gedruckten Cover. In diese Welt nimmt "Mint" uns mit, etwa in der wirklich lesenswerten Reportage von der weltgrößten Plattenmesse in Utrecht: Platten durchwühlen bis der Arzt kommt, Schlange stehen am Geldautomaten, die Verhandlungen mit dem Verkäufer über einen angemessenen Preis, der vielleicht auch die Anreisekosten aus Japan oder Brasilien noch in Betracht zieht.
Fast alle Redakteure sind Rock-Journalisten
Da möchte man dann gleich als Leser weiterziehen in ein Hamburger Hotel, welches einen Vinyl-Room anbietet. Immerhin ist das ein Thema mitten aus dem Leben. Ganz im Gegensatz zu dem Service, den ein englischer Händler anbietet: Bei ihm kann man die Asche eines lieben verstorbenen in eine Schallplatte einarbeiten lassen. Alles tolle Geschichten um das Faszinosum Vinyl. Aber es kommen auffallend viele Männer zu Wort und sicherlich sind diese auch der größte Teil der Sammler - aber müssen deshalb mit einer einzigen Ausnahme auch nur Männer dieses Heft schreiben? Ich kenne thematische Sammlungen von Frauen, die sind ungemein spannend – sogar um einiges spannender als viele andere ihrer männlichen Kollegen.
Auffallend ist auch, wie sich die Redaktion selbst darstellt. Fast alle Redakteure sind gestandene Rock-Journalisten. Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn die Schallplatte nicht eher durch unzählige DJs und Hip-Hop-Produzenten in den 90ern am Leben gehalten worden wäre, ständig auf der Suche nach einem neuen interessanten Sample auf einer unbekannten Platte, die sie dann mit Freunden und Kollegen teilen wollten. Doch weder Hip-Hop noch Reggae kommen hier ins Heft.
Verbesserungspotenzial in den nächsten Ausgaben
Auch all die kleinen und Kleinstlabel, die vielleicht nur ein oder zwei Platten im Jahr veröffentlichen und dabei immer wieder die ganzen privaten Ersparnisse riskieren, kommen in der ersten Ausgabe von "Mint" nicht vor. Dabei waren es doch diese fast schon anarchistisch operierenden Untergrundfirmen, die sich nicht von der CD haben überrumpeln lassen und stattdessen lieber Platten für richtige Liebhaber über das Internet verkauften.
Das sind Geschichten, die auch andere Leute mitreißen könnten, sich mit Schallplatten zu beschäftigen, die es nicht in den entsprechenden Abteilungen der Elektrofachmärkte gibt. Schade, dass es an dieser Stelle im Heft eher um biedere Massenware geht, gut abgehangener Rock mit Massenverkaufsgarantie oder darum, wie das Regalsystem heißt oder wie eine Sammlung geordnet ist. Wie so oft, gilt auch für Vinylsammler: Der Weg und die verschiedenen Abenteuer dabei sind das Ziel, nicht die Sammlung selbst. Vom versprochenen "Mint", also dem bestmöglichen, absolut perfekten Zustand einer Schallplatte, ist man mit dem ersten Heft noch weit entfernt. Aber im Gegensatz zum Objekt der Begierde kann sich das ja mit den nächsten Ausgaben noch verbessern.

Im Interview mit Deutschlandradio Kultur spricht Michael Lohrmann, der Herausgeber der Zeitschrift "MINT - Magazin für Vinylkultur", unter anderem darüber, ob Schallplattensammler Fetischisten sind, ob es in der Vinyl-Welt keine Frauen gibt und warum die Zeitschrift entstanden ist. Das Interview können Sie hier hören.

Mehr Informationen zu "MINT - Magazin für Vinylkultur" auf dessen Webseite

Mehr zum Thema