Minderheitenschutz

Die Sorgen der Sorben

Von Axel Flemming · 25.02.2014
"Der Zwerg wird nicht größer, wenn er sich auf einen Berg stellt", heißt es in einem Sprichwort der Sorben. Ganz in diesem Sinne fühlt sich die Minderheit durch ein neues Gesetz in Brandenburg nicht dauerhaft gestärkt.
Vor dem Fortunaportal am Potsdamer Stadtschloss. Dort stehen nicht nur wie immer Touristen und Neugierige, die einen Blick in den Hof werfen, sondern heute auch Frauen und Mädchen in Tracht. Sie tragen die traditionelle Kleidung der Sorben aus der Niederlausitz. Ins Auge stechen das weiße Tuch um den Kopf und blaue Bänder, sehr chic. Eine von ihnen ist Angela Schurmann.
„Also, wir tragen hier die niedersorbische Festtagstracht. Noch dazu tragen wir verschiedene Festtagsvarianten. Ich trage persönlich eine Tracht, die im Raum Cottbus getragen wird, die Mädchen ebenfalls und meine nette Kollegin, die Frau Henschel, trägt eine Tracht, die in Lübbenau getragen wird.“
Dies ist keine Werbung für Tourismus im Spreewald, jedenfalls nicht in erster Linie, sondern fast ein historisches Ereignis.
Landtagspräsident Gunter Fritsch kommt über den Hof des Stadtschlosses geschritten, das von außen fast aussieht wie das barocke Gebäude des Architekten von Knobelsdorff, innen aber modern ist und das Landesparlament beherbergt. Er bittet zwei der jungen Mädchen in Tracht, das Tuch mit der Brandenburgischen Flagge von der Wand zu nehmen, darunter kommt ein Schild zum Vorschein, das nun das Parlament von außen schmückt. Die Tafel trägt das Hoheitszeichen, den brandenburgischen roten Adler. Darunter setzte der Architekt des neuen Gebäudes, Peter Kulka, den deutschen Schriftzug "Landtag Brandenburg" und auf niedersorbisch: "Krajny sejm Bramborska":
„Ganz prima. Jeder Abgeordnete soll, wenn er früh zur Arbeit geht, daran erinnert werden: Hier gibt es einen Verfassungsartikel 25, an dem er arbeiten muss. Das ist ein Anspruch des deutschen Volkes und wir hoffen, dass es nun besser klappt.“
Sagt Harald Konzack. Er ist der Vorsitzende des Rates für Angelegenheiten der Sorben und Wenden in Brandenburg. Der Artikel 25 steht in der brandenburgischen Verfassung, in der Passage heißt es:
"Das Recht des sorbischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebietes wird gewährleistet."
Auch Angela Schurmann ist Mitglied des Rates. Für sie ist heute ein besonderer Tag, auch deshalb hat sie sich in die Tracht geworfen.
"Ja natürlich. In erster Linie ist es ein sehr besonderer Tag, weil 1994 ist das erste Sorben/Wenden-Gesetz nach der Wende verabschiedet worden. Es hat dann fast 20 Jahre gedauert, ehe diese Novellierung des Gesetzes stattgefunden hat. Und insofern ist es schon einen Schritt in Richtung eines modernen Minderheitengesetzes. Aber wir als Rat hatten natürlich einen etwas höheren Anspruch, der sich nicht in allen Punkten erfüllt hat."
Der Enthüllung vorausgegangen war eine Debatte im Parlament, die noch einmal zeigte, dass die Bedeutung von Minderheitenschutz zwar immer gerne nach Außen getragen wird, die Tücke aber wie so häufig im Detail steckt. Mehr als 18 Jahre diskutierten die Politiker in Brandenburg darüber, wie sie die Sorben und Wenden stärken könnten. Am Ende beschloss der Landtag ein Gesetz, das ihre Sprache und Kultur bewahren und ihnen künftig mehr Mitspracherechts verschaffen soll.
"Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung, Drucksache Nummer …"
Gesetz soll Sprache der Sorben schützen
Von Einstimmigkeit allerdings keine Spur. Den Grünen ging das Gesetz nicht weit genug, FDP und Teilen der CDU zu weit. Mit der rot-roten Regierungs-Mehrheit beschloss der Landtag schließlich eine Neufassung des Sorben- und Wendengesetzes, weiter gehende Bestrebungen einiger Abgeordneter wurden vorher abgelehnt.
"Bei einer deutlichen Anzahl von Enthaltungen ist der Beschlussempfehlung mehrheitlich Folge geleistet worden. Es ist damit verabschiedet."
Mit dem Gesetz soll die sorbische Sprache im öffentlichen Leben geschützt und gefördert werden. So können sich die Sorben und Wenden auch in ihrer Sprache an Behörden wenden. Der Unterricht in Niedersorbisch soll in Kindergärten und Schulen stärker unterstützt werden, um ein Verschwinden dieser bedrohten Sprache zu verhindern.
Auch in Forschung und Lehre soll die Sprache und Kultur angemessen berücksichtigt werden. Dabei will Brandenburg eng mit Sachsen zusammenarbeiten, wo die Mehrheit der Minderheit lebt; mit rund 40.000 Angehörigen doppelt so viel wie in Brandenburg.
Außerdem wird bei der Landesregierung das Amt eines Sorben-Beauftragten eingerichtet, im Wissenschaftsministerium.
"Wir hätten uns gewünscht, dass der angebunden ist in der Staatskanzlei. Es ist jetzt ein Kompromiss gefunden worden, aber immerhin wird es jemanden geben. Wir hätten uns auch gewünscht, dass wir als Sorben/Wenden die Möglichkeit gehabt hätten, dort jemanden mit zu bestimmen, beziehungsweise dass dort jemand gefunden wird, der Sorbisch/Wendisch sprechen kann. Wir werden daran arbeiten und sehen, ob es uns gelingen wird."
Wissenschaftsministerin Sabine Kunst sieht es dagegen schon als gelungen an, ein , wie sie sagt, gutes Regelwerk noch besser zu machen.
"Dabei – auch das ist klar – sind Gesetze nicht alleine ausschlaggebend für die Bedingungen, unter denen eine Minderheit sich entfalten und entwickeln kann. Denn es ist entscheidend, auch den Vollzug dieser Normen anzuschauen und diese zu leben und auch auszugestalten. Und das geht nicht ohne tatsächlich das Wollen vieler."

Angela Schurmann vom Sorbenrat weiß, dass mit der Gesetzesnovelle noch längst nicht alle Widerstände überwunden sind.
"Aber trotzdem sind natürlich viele Aspekte jetzt dabei, die für uns schon einen Schritt in die richtige Richtung sind. Aber es bedeutet auch gleichzeitig für uns sehr sehr viel Arbeit, denn jetzt gilt es, die Durchführungsbestimmungen und Verordnungen zu ändern, die dann diese Novellierung des Gesetzes mit Leben erfüllen werden."
Der Bundesvorstand der Domowina, das höchste Gremium der Sorben-Dachorganisation, begrüßt das als „historisch bedeutsamen Akt im Sinne des sorbischen Volkes.“ Harald Konzack:
"Mit der nun vorliegenden Novelle des Sorben/Wenden-Gesetzes wollten wir als sorbisch/wendisches Volk moderne und Identitätsfördernde Rahmenbedingungen für die weitere Fortentwicklung des Minderheitenschutzes, vor allem der Revitalisierung der Sprache entwickeln. Nach nunmehr 18 Jahren anstrengender Lobbyarbeit - in dieser Legislaturperiode stand das Thema Novellierung alleine 27 mal auf der Tagesordnung des Rates der Sorben/Wenden - liegt das Produkt nun vor."
Ortswechsel, denn die Sorben und Wenden leben überwiegend nicht in Potsdam, sondern gut 130 Kilometer weiter südöstlich, in der Lausitz. In Cottbus und Umgebung erkennt man das beispielsweise an den zweisprachigen Straßenschildern. In der August-Bebel-Str. 82 steht das "Wendische Haus", auf sorbisch "Serbski Dom". Oben tagt die Domowina, im Erdgeschoss befindet sich ein Laden, der kulturelle Dinge verkauft.
"Das sind nicht alle. Ansonsten auch gezielt, dass man in Musikrichtungen geht, dass man da fragt, Und dann auch das eine oder andere Souvenir. Wir haben auch hier Trachten, aber das Gros ist Literatur oder sind DVD’s oder Musik. Ansonsten Informationsmaterial, da wir ja eine Informationseinrichtung sind."
Spielzeuge, Bücher, CDs, der Laden ist vollgestellt und dient auch Touristen als Anlaufstelle, die etwas über sorbisches Brauchtum erfahren wollen. Die Liebe der Lausitzer Sorben zu ihrer Kultur geht sogar so weit, dass sie ihre Bräuche zum Unesco-Weltkulturerbe erklären lassen wollen. Auch das hat der Bundesvorstand der Domowina beschlossen. Demnach könnten Traditionen der slawischen Minderheit wie die Vogelhochzeit, das Osterreiten oder das Ankleiden des Bescherkindes zur Vorweihnachtszeit als so genanntes immaterielles Erbe unter den Schutz der Welt-Kultur-Organisation Unesco gestellt werden.
17 Millionen Euro für die Stiftung für das sorbische Volk
"Wir erhoffen uns davon definitiv einen Schwung. Folkloregeklingel oder die allgemeine Meinung besteht ja auch, wenn ich das betätige, dann hat es ja auch einen musealen Charakter. Museale Charaktere entstehen immer da, wo die Aktivität nicht da ist. Wenn ich mir das sorbische Brauchtum anschaue, vor allen Dingen auch den Anteil der Jugendlichen, die daran teilnehmen, muss ich sagen, die Gefahr des Musealesierens sehe ich hier überhaupt nicht."
Sagt David Statnik, Vorsitzender der Domowina, dem Bund Lausitzer Sorben. Die Minderheit nutzt auch der Mehrheitsgesellschaft. Sehr aktives Brauchtum, Trachten, Tänze, Gesang und Kultur in der Öffentlichkeit beflügeln den Tourismus.
"Das wäre natürlich das, was ich mir wünsche, dass nicht nur wir davon partizipieren, sondern auch die Region, die am Ende sagen kann: Ja wir sind UNESCO-Weltkulturerbe im immateriellen Sinne, hier gibt es die Sorben/Wenden. Und das wäre das Ziel. Ich hoffe wenn wir das erreichen, dann müssen wir uns um die Zukunft und um die Existenz unserer Minderheit etwas weniger Sorgen machen."
Aber das gibt es nicht umsonst. Denn für die Pflege von Kultur und Sprache der jetzigen sorbischen Minderheit in Sachsen und Brandenburg fehlen 2014 eine Million Euro. Von knapp 18 Millionen im vergangenen Jahr 2013 sank der Etat der Stiftung für das sorbische Volk auf knapp 17 Millionen.Der Stiftungsrat hofft noch darauf, dass der Bund seine Zuwendung erhöht und sich Sachsen und Brandenburg dem anschließen. Wissenschaftsministerin Kunst rechnet anders:
"Seit der Einführung des Landes hat Brandenburg fast 60 Millionen Euro zur Förderung sorbischer Sprache und Kultur eingesetzt. Die Ausgaben des Schul- und Bildungswesens sind dabei nicht mit eingerechnet. Auch in Zukunft werden wir selbstverständlich die Arbeit der Stiftung aktiv begleiten und finanziell unterstützen. Für uns im Land Brandenburg ist die Pflege der sorbischen und wendischen Kultur ein wertvoller Teil, bereichernd für das Land Brandenburg insgesamt."
Ironie der Geschichte: eine finanzielle Hilfe gibt es seit 2007 ausgerechnet von dem Konzern, der die Heimat der Sorben/Wenden im wahrsten Sinne des Wortes zerstört. Uwe Grosser ist Vorstand Bergbau des Vattenfall-Konzerns, der in der Region die Kohle aus dem Boden holt und verbrennt.
"Wir haben seit 200 Jahren Braunkohle-Förderung hier in dem Lausitzer Revier. Und wenn Sie mal die Statistiken angucken, also die Historie: vor 100 Jahren waren noch viele viele Dörfer rein in sorbischer Sprache. Heute wird die sorbische Sprache relativ wenig noch gesprochen. Das ist die Chance auch, die wir haben, dass wir seit 2007 den Kooperationsvertrag mit den Sorben haben."
Über konkrete Summen bewahren beide Seiten Stillschweigen; Experten halten aber einen Betrag zwischen 100.000 und einer Million Euro pro Jahr für realistisch. Ein Großteil der unterstützen Projekte beschäftigt sich mit der sorbischen Sprache. David Statnik:
"Im Falle Bildung sehen wir, dass wir gerade in Brandenburg noch sehr viel Arbeit vor uns haben. Wir haben hier nach wie vor nicht wirklich eine flächendeckende Bildungsstruktur. Hier ist natürlich der Fall, dass man versuchen kann, auch in der Novellierung, dieses "Witaj", dieses Konzept mit dem wir versuchen im Sinne der Immersion, auch für diese Sprache zu bilden; auch wirklich hier gesetzlich in einem gewissen Rahmen zu gießen."
Bis zuletzt war die Frage der ausgewiesenen Siedlungsgebiete für die rund 20.000 Angehörigen der Minderheit in Brandenburg in der Gesetzesnovelle umstritten. Der Sorbenrat kann diese nun selbst beantragen und will die Zahl von derzeit 29 Gebieten auf rund 50 Orte mit sorbischen Wurzeln ausweiten.
Aber lediglich die Stadtverordneten in Calau stimmten bis jetzt per Beschluss für die Ausweisung als sorbisches Siedlungsgebiet. Die Städte Forst, Lübben und Senftenberg wehren sich gegen eine Ausweisung als Siedlungsgebiet und sehen ihr Selbstbestimmungsrecht verletzt. Sie fürchten den Aufwand, wenn sie die Zweisprachigkeit im öffentlichen Leben umsetzen sollen. Wissenschaftsministerin Sabine Kunst:
"An der Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet hängen viele Rechte und Pflichten, denn das meiste, was dann an tatsächlichem Leben einzuhauchen ist, gilt im Raum von Gemeinden.. Daher geht es nicht an, Minderheiten Rechte dadurch zu verkürzen, dass eine Gemeinde sachwidrig nicht zum Siedlungsgebiet gezählt wird. Umgekehrt darf aber einer Kommune nicht unberechtigt durch Zurechnung zum Siedlungsgebiet auch ein Pflichtenkanon auferlegt werden."
Die CDU kritisiert, dass im Zweifelsfall das Land nun allein entscheiden soll, welche Städte als Sorbengebiet ausgewiesen werden. Die Abgeordnete der Christdemokraten Roswitha Schier findet eine Entscheidung per Gesetz aus Potsdam nicht den richtigen Weg, eine gelebte Sprache und Tradition weiter zu fördern, sie fordert ein echtes Mitspracherecht der Kommunen.
"Die Herangehensweise bei der Ausweitung des Siedlungsgebietes können wir nicht mittragen. Die CDU-Fraktion vertritt die Auffassung, dass sowohl der Minderheitenschutz als auch die kommunale Selbstverwaltung Verfassungsrang haben. Und das eine gegen das andere auszuspielen, kann nicht zielführend sein. Wir möchten, dass Gemeindevertretungen und Stadtverordneten-Versammlungen darüber mitentscheiden können, ob sie zum Siedlungsgebiet gehören oder nicht."
Dagegen verweist Werner-Siegwart Schippel darauf, dass Minderheitenschutz auch EU-Standards genügen müsse. Zudem würden die Kommunen vor einer Ausweisung eines Siedlungsgebietes gehört und damit an dem Prozess beteiligt. Die Angelegenheiten der Sorben/Wenden würden den Brandenburgern aus eigenem Interesse am Herzen liegen, Minderheitenschutz könne deshalb nicht durch eine deutsche Mehrheit im Kommunalparlament ausgehebelt werden, sagte der Sozialdemokrat:
"Nicht nur, weil es Verfassungsauftrag ist oder weil europäische Rechte oder Anliegen zu erfüllen sind, sondern weil es uns… zu Brandenburg gehört, dass wir unserer einzigen nationalen Minderheit den Schutz und die Entfaltungsmöglichkeiten garantieren. Denn die haben sie nicht nur verdient, sondern aus unserer eigenen Geschichte heraus stehen Ihnen dieser Schutz und diese Entfaltungsmöglichkeiten zu."
Denn dass die Nerven der Sorben schnell blank liegen, das hat auch historische Gründe. Zur Nazizeit war die Minderheit in Deutschland Germanisierungen und Schikanen ausgesetzt, zur DDR-Zeit wurde das Schrumpfen des Volkes in Kauf genommen. Mêto Nowak:
"Ich glaube nicht, dass es gezielt war, das wurde einfach billigend in Kauf genommen. Die Prioritäten in der Politik waren andere, damals war es vor allem der Braunkohlebergbau. Etliche Gemeinden wurden abgebaggert. Und nach den Umsiedlungen, so wie sie damals praktiziert wurden, brachen die sozialen Netze der Dörfer oftmals zusammen; und damit auch die Weitergabe von Sprache und Kultur. Also das war keine spezifisch anti-sorbische-Politik."
Kein Rederecht für die nationale Minderheit
Allerdings hält der Streit um das Siedlungsgebiet an und das manchmal mit verstörenden Tönen. Nachgewiesen seit dem 6. Jahrhundert machten die Sorben/Wenden das Land in der Lausitz urbar; lange vor der Zeit, als deutsche Siedler sich dort niederließen. Doch wollen das heute nicht alle gleichermaßen wahrhaben. So dachte Mêto Nowak, er traue seinen Ohren nicht:
"Das sind zum Teil Vorurteile von vor 150 Jahren. Das ist alter deutschnationaler Diskurs, der zum Teil da läuft, man kann es nicht anders sagen. Da ist man sich auch dieses Reichtums der eigenen kulturellen Herkunft überhaupt nicht bewusst. Und das sind Diskurse, die da zum Teil vor Ort geführt werden, die kannte ich nur aus historischer Literatur."
Nowak ist Vertreter des Sorbenrates und Vorsitzender des Domowina-Dachverbandes Niederlausitz, der zentralen Interessenvertretung der Sorben. Nicht nur, dass Nowak in Senftenberg bei der Stadtverordnetenversammlung nicht zu Wort kam, die Landtagsabgeordnete der SPD Martina Gregor-Ness argumentierte sogar, dass die Erweiterung des Siedlungsgebietes der Sorben und Wenden von "oben" verordnet sei und wollte schon die Mehrheit über die Minderheit abstimmen lassen. Das widerspräche dem europäischen Minderheitenschutz. Ihr Parteigenosse Werner-Siegwart Schippel sagte bei einer Sitzung des Sorbenrates im Landtag Brandenburg:
"Ich will es dann ehrlich sagen, auch an dieser Stelle, schäme ich mich für meine SPD-Genossen in Senftenberg. Jedem Asylbewerber oder jeder Abordnung von Asylbewerber, jeder Abordnung von einem Flüchtlingsrat hätte man - Gott sein Dank, so weit sind wir ja - mit Abstimmung das Rederecht dort gegeben, der eigenen nationalen Minderheit gibt man es nicht."
Dabei sind die drei Hauptargumente gegen eine Benennung einer Kommune als sorbisches Siedlungsgebiet längst entkräftet: Eine zweisprachige Beschilderung muss nicht sofort eingeführt werden. Die Behörden müssen nicht über Mitarbeiter verfügen, die der sorbischen Sprache mächtig sind; es reicht, wenn die Bürger Anträge in ihrer Sprache stellen dürfen. Und die Schulen stellen keinen zusätzlichen Kostenfaktor dar; das Geld stellt das Land, die Lehrbücher die Stiftung für das sorbische Volk. Harald Konzack, Vorsitzender des Rates für Angelegenheiten der Sorben und Wenden in Brandenburg, bilanziert:
"Nein, ein Vorzeigegesetz erfolgreicher Minderheitenpolitik in Europa ist es leider nicht geworden, obwohl die Chance gegeben war. Die Ursachen sind vielfältig: fehlende Sachkenntnis internationaler Schutzmechanismen, Lücken bei der Beurteilung praktischer Minderheitenpolitik vor Ort und oftmals eine Herangehensweise der Lieblosigkeit und der Halbherzigkeit."
Auf der Habenseite steht zwar: eine anerkannte Interessenvertretung, ein Verbandsklagerecht, einmal im Jahr soll die Landesregierung dem Parlament Bericht erstatten über die Lage der Sorben und Wenden in Brandenburg. Und dennoch schließt Konzack mit einem sorbischen Sprichwort:
"Der Zwerg wird nicht größer, auch wenn er sich auf einen Berg stellt."
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