Milliardengeschäft durch Recycling

Peter Kurth im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 28.12.2010
Nach Ansicht des Vorsitzenden des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), Peter Kurth, wird die Bedeutung der Rohstoffgewinnung aus Müllrecycling in den kommenden Jahren in Deutschland deutlich steigen.
Jan-Christoph Kitzler: Weihnachtszeit, das ist für viele die Zeit der vielen Geschenke, aber auch die Zeit von viel, viel Müll – nicht nur viel Papier fällt an, sondern auch Plastik. Und angesichts des Festtagsessens wächst auch die Menge an Biomüll. Damit müssen die Entsorgungsunternehmen irgendwie fertig werden, aber das ist für die nicht nur eine Belastung, denn Müll ist längst wertvoll geworden. Rund 14 Prozent der deutschen Rohstoffe sind inzwischen recycelt, und damit wird viel, viel Geld verdient.

Dieter Nürnberger berichtete. Und über das Geschäft mit dem Müll spreche ich jetzt mit Peter Kurth, dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft. Guten Morgen!

Peter Kurth: Guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Der Goldanteil im Handyschrott, das ist ein besonders plakatives Beispiel dafür, dass im Müll wahre Schätze verborgen sind, aber gilt das denn auch für den Müll als Ganzes, lässt sich aus allem Müll, der in Deutschland entsteht, wirklich etwas machen?

Kurth: Ich bin der festen Überzeugung ja. Es gibt noch viele andere gute Beispiele. So ist etwa die Ausbeute der größten Kupfermine der Welt in Chile geringer als das, was wir an Kupfer im deutschen Hausmüll haben, und ich glaube schon, dass wir mittel- und langfristig den gesamten Müll wiederverwerten werden, ja.

Kitzler: Der Hausmüll in Deutschland wird inzwischen von vielen als wertvoller neuer Rohstoff gesehen, und das sorgt natürlich für Begehrlichkeiten. Wie groß ist denn inzwischen die Konkurrenz zwischen den privaten Entsorgern, die Sie vertreten, und den kommunalen Abfallbetrieben?

Kurth: Die Kommunen haben in der Vergangenheit das Thema Recycling nicht in der Intensität betrachtet und betrachten können, weil sie einfach viel zu klein sind. Sehen Sie, die großen Anlagen, die wir heute brauchen zur Sortierung und Aufbereitung, die funktionieren nur, wenn man sie auch auslasten kann, und dazu sind alle Kommunen in Deutschland, selbst die Großstädte, alleine nicht in der Lage. Und deswegen war das in der Vergangenheit ein Geschäft der Privatwirtschaft und sollte es vernünftigerweise bleiben.

Kitzler: Das heißt, vernünftiges Müllrecycling können nur die Privaten?

Kurth: Können Sie wegen der Auslastung der Anlagen her. Also ich nehme mal eine Kunststoffsortieranlage in Berlin oder anderswo, die braucht, um ausgelastet zu sein, über 100.000 Tonnen, und 100.000 Tonnen Kunststoffabfälle, dafür brauchen Sie jetzt wiederum über fünf Millionen Menschen, und so groß sind Kommunen nicht. Deswegen haben sie in der Vergangenheit in dieser Anlage nicht investiert und deswegen sind diese Anlagen heute bei Privatunternehmen.

Kitzler: Andererseits, viele Kommunen beschweren sich ja inzwischen darüber, die private Abfallwirtschaft würde sich die Rosinen rauspicken und den kommunalen Betrieben den Müll übrig lassen, der entweder weniger wertvoll oder schwerer zu entsorgen ist. Was halten Sie dem entgegen?

Kurth: Das ist ziemlicher Unfug. Die Privatwirtschaft wäre durchaus auch bereit, den Müll insgesamt zu verwerten und zu behandeln. Es geht hier darum, dass wir entsprechend der europäischen Abfallrichtlinie entsprechend der Linie aus Brüssel klar setzen auf Recycling, auf Sekundärrohstoffe, und das hat mit Rosinenpickerei nichts zu tun, sondern ist ein Trend, der ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist.

Kitzler: Ein Streit ist ja vor allem entbrannt, wenn ich es richtig gelesen habe, um den Restmüll, also um das, was meist in den grauen Tonnen verschwindet. Wie wertvoll ist denn aus Ihrer Sicht dieser Müll?

Kurth: Heute werfen wir zum Beispiel noch über 60 Prozent der Elektrokleingeräte weg. Die werden nicht wiederverwertet, sondern gehen so in die Müllverbrennung. Und unser Anliegen, dass die Bundesregierung aufgegriffen hat, ist, dass wir ab 2015 alles das, was man sinnvollerweise stofflich verwerten sollte, auch nicht mehr in die graue Tonne wirft, sondern in einer eigenen Wertstofftonne zusammen mit den Verpackungsabfällen erfasst und dann einer vernünftigen Verwertung zuführt.

Kitzler: Es scheint ja so zu sein, als läuft da so ein kleiner Wettlauf um die Zeit, wer als Erster diese Wertstofftonnen einführt. Also viele Kommunen haben schon oder sind dabei, solche Wertstofftonnen einzuführen, gleichzeitig machen es die Privaten auch. Wird da mit harten Bandagen gekämpft?

Kurth: Ach, also ich sehe das noch entspannt. Wir haben eine klare gesetzliche Zuordnung des Kunststoffabfalls durch die Gelbe Tonne zum Privatsektor, und wir wollen die Gelbe Tonne weiterentwickeln zu dieser Wertstofftonne, weil ja keinem Bürger zu vermitteln sein wird, dass er nun außer der Gelben Tonne noch eine Wertstofftonne braucht. Nein, die gelbe Tonne muss weiterentwickelt werden, die hat sich in der Verantwortung der Privatwirtschaft bewährt, und deswegen setze ich auch darauf, dass wir hier zu einer vernünftigen Weiterentwicklung kommen.

Kitzler: Die Kommunen sind trotzdem natürlich in der Pflicht, weiterhin ein Müllentsorgungssystem aufrechtzuerhalten, das heißt, billiger wird es für die Bürger möglicherweise nicht, oder?

Kurth: Es wird perspektivisch für die Bürger auch preiswerter, weil sie natürlich an den Verwertungserlösen, die für die Wertstoffe anfallen, beteiligt werden. Das war im Jahre 2008 hier und da sogar schon beim Altpapier der Fall und das wird perspektivisch in anderen Bereichen auch eintreten.

Kitzler: Bisher kommen ja schon 14 Prozent der deutschen Rohstoffe aus Recycling. Ihrer Vorstellung nach wird dieser Anteil weiter wachsen?

Kurth: Der Anteil ist in den vergangenen Jahren jedes Jahr, in den letzten 15 Jahren jedes Jahr um etwa 14, 15 Prozent pro Jahr gewachsen, und es gibt keinen Grund, warum dieser Trend nicht anhalten sollte. Rohstoffe werden weltweit knapper, werden teurer, und deswegen ist die deutsche Wirtschaft gut beraten. Das, was wir an Rohstoffen in Deutschland erschließen können, auch zu heben.

Kitzler: Wie wichtig ist da die Rolle sozusagen der privaten Wirtschaft bei dieser Hebung dieser Schätze?

Kurth: Es sind Privatunternehmen, die diesen Trend vor einigen Jahren eingeleitet haben, es sind Privatunternehmen heute, die die Aufbereitung und das Recycling machen, das sind keine kommunalen Anlagen. Wir setzen seit vielen Jahren nicht mehr auf Müllverbrennung, sondern haben in den Recyclingsektor investiert, und von daher glaube ich, dass die bundesweit, weltweit führende Position der bundesweit deutschen Wirtschaft hier auch gehalten und ausgebaut wird.

Kitzler: Bisher wirkt das Ganze immer so ein bisschen wie Streit um Anteile des Kuchens. Gäbe es nicht auch Möglichkeiten der Kooperation zwischen Kommunen und der privaten Abfallwirtschaft?

Kurth: Die Partnerschaft funktioniert in vielen Fällen ja ganz gut, dass nämlich Kommunen Privatunternehmen beauftragen, und das kann auch in Zukunft ein Weg sein. Es braucht aber zunächst eine klare Zuordnung der Aufgabe, und da ist der Gesetzgeber gefordert. Und einen Teil der aufgeregten Diskussion haben Sie im Moment auch deshalb, weil eben im Moment das neue Gesetz zur Diskussion und zur Verabschiedung im Parlament ansteht.

Kitzler: Mit dem Müll lässt sich zurzeit viel Geld verdienen, da geht es nämlich um Milliardensummen. Was ist denn – gesetzt den Fall, die Rohstoffpreise würden wieder sinken, besteht dann die Gefahr, dass sich die private Abfallwirtschaft zurückzieht und die Kommunen auf dem Müll sitzen bleiben?

Kurth: Die Rohstoffpreise sind im Jahre 2009 im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise gesunken, und die Strukturen der Recyclingwirtschaft in Deutschland haben gehalten. Hier hat es keine Einbrüche gegeben. Und das, denke ich, ist eine Lehre, die wir für die Zukunft auch ziehen können. Auch bei fallenden Rohstoffpreisen ist die Struktur, die wir in Deutschland aufgebaut haben, stabil und hält und der Bürger kann sich darauf verlassen, dass weiter vernünftig entsorgt wird.

Kitzler: Der Kampf um die Rohstoffe, ist der für Deutschland besonders wichtig als rohstoffarmes Land?

Kurth: Der ist für Deutschland deshalb besonders wichtig, weil wir ja immer noch ein produzierender Standort sind, das heißt, anders als andere europäische Länder sehr viele Rohstoffe brauchen, andererseits auch darauf angewiesen sind, dass wir sie importieren, weil wir sie in Deutschland selber zu wenig haben. Und deswegen macht gerade bei uns das Thema Kreislaufwirtschaft, Sekundärrohstoffwirtschaft so besonders viel Sinn, aber es ist auch weltweit besonders stark wachsender Teil der sogenannten Green Economy, und von daher spricht vieles dafür, dass wir unser Anlagen- und unser Betriebs-Know-how hier auch weltweit weiter einsetzen können.

Kitzler: Müll als wertvoller Rohstoff, darüber sprach ich mit Peter Kurth, dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft. Vielen Dank und einen schönen Tag!

Kurth: Vielen Dank, Herr Kitzler!
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