Michael Franti auf Europatour

Ein Musiker zum Umarmen

Der Musiker Michael Franti bei einem Auftritt im Jahr 2014.
Der Musiker Michael Franti bei einem Auftritt im Jahr 2014 © dpa / picture alliance / KABIR DHANJI
Von Jan Tengeler · 26.10.2016
Im Irakkrieg gab US-Musiker Michael Franti auf den Straßen Bagdads Friedenskonzerte, in Liedern kritisiert er soziale Missstände, für seine Fans hat er Umarmungen und freundliche Worte. Nun tourt Franti durch Europa - und hat Musiker eingeladen, mit auf die Bühne zu kommen.
"Hallo Köln. Ich möchte Euch alle springen sehen."
Michael Franti versprühte gestern Abend vor einem nur halb gefüllten Saal eine Energie, als wolle er die Welt retten. Und das Publikum forderte er immer wieder überzeugend auf mitzumachen. Zum Glück ist es nicht besonders schwer, die Refrains seiner eingängigen Songs mitzuschmettern.
Franti ist im Duo mit dem Gitarristen seiner Band "Spearhead" unterwegs. Aber die Beiden blieben nicht alleine. Erst vor wenigen Tagen hatten sie über Facebook Musiker aufgefordert, mit ihnen auf die Bühne zu kommen.

"We want you to come play with us!"

Mittlerweile haben sie einen Mandolinenspieler aus England, einen Didgeridoospieler und einen Percussionisten aus Belgien im Gepäck. Zwischendurch sang Franti dann immer wieder allein und ließ sich von etwas zu lauten technoiden Samples begleiten. Eine Reminiszenz an alte Zeiten?
"Meine erste Band nannte sich Beatniks. Wir haben harten, punkigen Industrialsound gemacht, auf Metall geschlagen und dazu politische Texte gesungen. Mit dem Gitarristen Charlie Hunter habe ich viel mit Samples und Beats gearbeitet, aber eigentlich wollte ich schon damals immer eine richtige Band haben, ohne Computer und Drum-Machines."
Nach seinen Anfängen bei den Beatniks zeigte sich Michael Franti an der Seite des Jazz-Gitarristen Charlie Hunter, das Thema schon damals: Ausgrenzung, in diesem Fall durch die Gewalt der Sprache: Language of Violence.

Klang, Rhythmus und Melodie "öffnen das Herz"

Die richtige Band um Michael Franti ist 1994 entstanden, existiert noch heute und nennt sich Spearhead. Damals ging es um eine Mischung von Hip-Hop und Soul, über die der Mann aus San Francisco seine sozialkritischen Beobachtungen rappte. Der erste größere Hit war "Hole in the Bucket".
"Das sind zwei verschiedene Dinge: Es gibt die Bedeutung der Worte und es gibt ihren Klang. Der Klang, der Rhythmus und die Melodie sind wichtiger, denn sie öffnen das Herz. Erst dann kommen die Worte. Wenn dir die Melodie gut gefällt, aber du verstehst die Sprache nicht, dann gehst du zum Lexikon und schlägst es nach. Kennst du das Gefühl, wenn du dann feststellst, dass das nur Schrott ist, was da gesungen wird? – Okay, denkst du, dann tanze ich eben nur dazu, aber das ändert nicht mein Leben. Doch wenn die Worte auch noch stark sind, dann ist das ein großartiges Gefühl."
Angespornt davon, nicht nur gute Texte zu schreiben, sondern auch eingängige Melodien, gelang Michael Franti mit "Say Hey" 2007 sein bisher größter Hit. Für das rhythmische Rückrad des Songs sorgten die Reggae-Legenden "Sly and Robbie" aus Jamaika.

"Auf einmal heißt es: Du hast dich verkauft!"

Nach seinen Erfolgen von "Say hey" und Platten wie "The Sound of Sunshine" ist Michael Franti musikalisch im Folkrock und im Mainstream angekommen, wo er auch heute noch steht. Nicht alle sind damit einverstanden.
"All die Jahre, in denen ich ausdrücklich politische Songs gemacht habe, haben Freunde gesagt: Wie willst du damit die Leute erreichen, die anders denken als du? Das schaffe ich jetzt und auf einmal heißt es: Du hast dich verkauft! Aber ich sehe das anders, denn ich war noch nie so engagiert wie heute. Über meine Songs kriege ich die Aufmerksamkeit möglichst vieler Menschen und wenn die dann auf meine Website gehen, sehen sie, was ich sonst noch alles mache."
Und was macht Michael Franti sonst noch alles? Einen seiner mutigsten Auftritte hat er auf den Straßen Bagdads während des Irakkriegs. In seinem Film "I know I am not alone" zeigt er, wie der Krieg die Menschen verändert. Er spricht mit allen Seiten, vermeintlichen Tätern und offensichtlichen Opfern und manchmal gibt er nur seine begrenzten Arabischkenntnisse zum Besten: "Habibi" heißt Freund.
Wer tatsächlich durch ein Kriegsgebiet reist und nur mit seiner Gitarre unterwegs ist, muss auf einer Mission sein und er muss es ehrlich meinen: Franti verbreitet die Botschaft von Frieden und Liebe.
Musikalisch hat er sich dabei für den kleinsten gemeinsamen Nenner entschieden: Seine Kunst strotzt nicht vor Innovationskraft. Dafür funktioniert seine Show am Lagerfeuer genauso funktioniert wie im Stadium, in Indonesien so gut wie in Argentinien. Dass er es gestern Abend in Köln geschafft hat, das gesamte Publikum zu einem gemeinsamen Kreistanz zu animieren, spricht für sich.