Michael Bar-Zohar / Nissim Mischal: "Mossad"

Mitreißender Agenten-Thriller

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (hinten mit Zigarette) auf einer Pressekonferenz im Februar 1964 in Frankfurt am Main: Bauer gab er dem israelischen Geheimdienst Mossad den entscheidenden Tipp zur Ergreifung von Adolf Eichmann in Argentinien.
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (hinten mit Zigarette) auf einer Pressekonferenz im Februar 1964 in Frankfurt am Main: Bauer gab er dem israelischen Geheimdienst Mossad den entscheidenden Tipp zur Ergreifung von Adolf Eichmann in Argentinien. © picture alliance / Roland Witschel
Von Nana Brink · 27.02.2016
In Israel stand dieses Buch 70 Wochen auf der Bestseller-Liste: Er zeigt die operative Arbeit des Mossad, der einer der besten und erfolgreichsten Auslandsgeheimdienste weltweit gilt. Michael Bar-Zohar und Nissim Mischal schreiben nicht unbedingt mit kritischer Distanz.
Originalton Ephraim Halevy, Ex-Mossad-Chef: "Wir sind – sagen wir mal – kreativ. Wir sind unkonventionell in manchem, was wir tun und wir behalten fast alles für uns."
Besser als Ex-Mossad-Chef Ephraim Halevy in einer ZDF-Dokumentation über Israels geheime Operationen gegen den Erzfeind Iran könnte man die Rolle des Geheimdienstes nicht beschreiben. Der Mossad – übersetzt "das Institut" – gilt nicht nur als einer der besten Geheimdienste der Welt, er ist seinem Selbstverständnis nach auch ein bis heute unverzichtbarer Garant für Israels Existenz. Dies wiederum beschreibt in aller Kürze die zentrale These des Buches "Mossad – Missionen des israelischen Geheimdienstes".
Und – um es vorweg zu nehmen – in dieser These liegt auch die größte Schwäche des 2010 auf Hebräisch veröffentlichten Buches des ehemaligen Knesset-Mitglieds Michael Bar-Zohar und des Direktors des israelischen Staatsfernsehens Nissim Mishal. Zumindest machen die Autoren – beides prominente Publizisten in Israel – keinen Hehl aus ihrer Überzeugung und schreiben gleich in der Einleitung:
Michael Bar-Zohar / Nissim Mischal: "Mossad - Missionen des israelischen Geheimdienstes" 
Michael Bar-Zohar / Nissim Mischal: "Mossad - Missionen des israelischen Geheimdienstes" © Bastei Lübbe, Quadrida Verlag
Seit seiner Gründung vor mehr als 60 Jahren steht der Mossad furchtlos und im Verborgenen im Dienst der Gefahrenabwehr für Israel und den Westen (...) Vor allem ist der Mossad eines: das allerletzte Mittel vor dem offenen Krieg.
Bei der Beschreibung dieser allerletzten Mittel ist den Autoren ein mitreißender Agenten-Thriller gelungen, der alles erfüllt, nur nicht die Vorgaben einer verlässlichen Monografie. Aber das wollten sie auch gar nicht. Wer das im Hinterkopf behält, kann sich auf eine spannende Lektüre freuen. Nicht von ungefähr stand das Buch nach seinem Erscheinen 70 Wochen auf der Bestseller-Liste in Israel.
Originaltonon aus Dokumentation: (Musik) "München 1972, der 11. Tag der heiteren Spiele. Geburtsstunde des internationalen Terrors. Eine Geiselnahme schockt die Welt. Ein kläglicher Befreiungsversuch endet im Desaster. Elf israelische Athleten werden ermordet.

Dem Attentat von München folgte der "Zorn Gottes"

Und die Welt konnte das Drama fast live auf dem Bildschirm mitverfolgen. Auch Golda Meir, die israelische Ministerpräsidentin, die nichts tun konnte, um ihre Landsleute zu befreien. Zuvor hatte sie es abgelehnt, palästinensische Gefangenen im Austausch mit den Athleten frei zu lassen.
Originalton Gold Meir, israelische Regierungschefin: "Sollten wir nachgeben? Dann ist kein Israeli auf der ganzen Welt mehr seines Lebens sicher, das ist Erpressung der schlimmsten Sorte."
Was folgte, ging unter dem Codenamen "Zorn Gottes" in die Annalen des Mossads ein. Im Auftrag der Regierung liquidierten israelische Agenten mehr als 20 mutmaßliche Angehörige der palästinensischen Terrororganisation "Schwarzer September", die das Attentat geplant und ausgeführt hatte.
Golda zögerte. Es fiel ihr schwer, eine Entscheidung zu treffen, die es erforderlich machte, junge Menschen auf einen riskanten Mordfeldzug zu schicken. So etwas hatte Israel noch nie zuvor getan. Lange Zeit saß sie schweigend da. Als sie schließlich etwas sagte, war ihre Stimme kaum zu hören, es klang, als redete sie mit sich selbst. Sie sprach von den schrecklichen Erinnerungen an den Holocaust und dem tragischen Gang des jüdischen Volkes durch die Zeitalter, stets verfemt, gejagt und massakriert (...) "Schickt die Jungs los".

Auch Unschuldige wurden Opfer des Mossad

Dass bei dem "riskanten Mordfeldzug" auch Unschuldige zu Tode kamen, verschweigen die Autoren zwar nicht, aber diese in einem Nebensatz erwähnte Facette verschwindet in der glorifizierenden Beschreibung der, wie sie jene nennen, "einsamen Krieger des Mossads". Immer wieder wird klar: Hier geht es um die israelische Sicht der Dinge.
Eines der packenden Kapitel – das Herzstück des Buches – ist die Entführung Adolf Eichmanns 1960 aus Argentinien. Stilistisch brillant und minutiös beschreiben Bar-Zohar und Mishal die Ergreifung des meist gesuchten Nazi-Verbrechers, die in einem Verhörraum einer vom Mossad angemietet Villa endet.
"Ihr Name?" – "Adolf Eichmann." – Totenstille senkte sich über den Raum. Er brach sie. "Ich bin Adolf Eichmann", wiederholte er. "Ich weiß, dass ich in den Händen von Israelis bin. Ich spreche auch ein wenig Hebräisch. Ich habe zusammen mit einem Rabi in Warschau studiert..." – Dann begann er, einige Verse aus der Bibel vorzutragen (...) Niemand sagte etwas. Die harten israelischen Jungs starrten ihn einfach nur fassungslos an.
Was die Monografie bietet, ist ein Einblick in die operative Arbeit des Mossads, in das "Erfolgsrezept" eines Geheimdienstes, der anscheinend überall auf der Welt über Quellen verfügt – vor allem über im Exil lebende Juden. Das Manko des Buches liegt in der fehlenden kritischen Distanz gegenüber einem Geheimdienst, der nach Meinung der Autoren jenseits des Rechts agieren darf. Und sogar muss - wie das letzte Kapitel über das iranische Atomprogramm beschreibt. Unverblümt billigen die Autoren – das Buch wurde vor dem Atomdeal mit dem Iran ins Deutsche übersetzt – die vom Mossad ausgeführten Sabotageakte und Liquidierungen.
Der bloße Gedanke an die Gefahr, die ein fanatischer, atomar gerüsteter Iran für Israel und die ganze Welt darstellt, erinnert die Israelis an einen uralten Spruch aus dem Talmud: "Wenn jemand kommt, um dich zu töten – erhebe dich und töte ihn zuerst."

Michael Bar-Zohar und Nissim Mischal: Mossad - Missionen des israelischen Geheimdienstes
Bastei Lübbe (Quadrida Verlag)
512 Seiten, 19,99 Euro – auch als E-Book erhältlich

Mehr zum Thema