Miami

Das Tor zur Karibik

Von Guido Meyer · 01.03.2014
Ob Miami Vice, Golden Girls oder CSI: Den meisten Deutschen ist Miami aus dem Fernsehen bekannt. Oder musikalisch: Mit der Combo Miami Sound Machine hat Gloria Estefan den typischen karibischen Miami-Sound weltberühmt gemacht.
Die Stadt im Süden Floridas und vor allem ihre vorgelagerte Halbinsel Miami Beach steht für das, was viele Deutsche begehren: 12 Monate Sonne im Jahr, Strände, Palmen, schöne Menschen, exotische Cocktails und ausschweifende Partys. Doch für die Einheimischen hat "South Beach" auch andere Seiten.
Wie für den deutschen Künstler Hans Feyerabend, der das Melting Pot Ambiente Miamis als Inspiration für seine Gemälde und Skulpturen begreift. Oder für den neuen deutschen Generalkonsul Jürgen Borsch, dessen Amt Deutschen im Ausland in Notfällen zur Seite springen muss. Oder für die Betreiber eines deutschen Restaurants, das sich das ganze Jahr über bemüht, Amerikaner von Sauerbraten und deutschem Bier zu überzeugen, und damit doch nur die Vorurteile schürt, dass alle Deutschen in Lederhosen herumlaufen und Sauerkraut essen.
Eine Lange Nacht über die vielen Gesichter von Miami.
Das deutsche Generalkonsulat Miami: Auf dieser Homepage finden Sie nützliche Hinweise und Informationen über Deutschland, konsularischen Dienste sowie über deutschlandbezogene Nachrichten und Veranstaltungen im Amtsbezirk.
Auszug aus dem Manuskript der Langen Nacht:
Der Meatmarket ist eines der Restaurants, an denen eine Rezession spurlos vorbeizugehen scheint. Wer hier trinkt und isst, hat keine finanziellen Sorgen. Es gibt einen Außenbereich mit Tischen, Stühlen, und Sesseln, eine große hufeigenförmige Bar mit viel Glas, und - im hinteren Teil - einen lang gezogenen Essbereich mit modischen Möbeln. Vorne an der Bar haben Stephanie und Anna Platz genommen - zwei Stammgäste.
Stephanie "Ich bin Steffi. Ich komm ursprünglich aus München und wohne seit dreieinhalb Jahren in Miami und komm öfter mal zu Meatmarkethier zum Essen. Es gibt hier so ein Angebot für Models beziehungsweise über eine Talentagentur, und da kann man frei essen beziehungsweise man muss nur das Trinkgeld bezahlen. Ist ganz angenehm."
Anna: "Ich bin die Anna. Ich bin seit dreieinhalb Jahren in Miami."
"Klar, jeder schaut. Es ist Miami. Geguckt wird überall, aber nicht unangenehm."
Freie Kost und freie Getränke für Models - so läuft der Deal. Aber nur wenn sie sich dafür, bitteschön, optisch lukrativ an der Bar oder an den Tischen im Außenbereich platzieren. Denn natürlich will Meatmarket was für sein Geld - dass die Models gesehen werden nämlich.
Anna: "Es ist nicht nur pure Freundlichkeit. Miami ist ein Ort, der sehr visuell funktioniert. Wenn viele Touristen durch die Straßen laufen, sehen in einem Lokal sitzen viele hübsche, junge Mädchen - das ist für die ein Ansporn, in das Lokal zu gehen und zum Essen zu gehen. Für das Lokal sind's keine großen Ausgaben. Ein kleines Essen mehr oder weniger macht für die keinen Unterschied - aber fünf Kunden mehr oder weniger schon.
Anna geht jede Woche oder jede zweite Woche auf die Offerte des Restaurants ein, Stephanie sogar ein- bis zweimal pro Woche. Die Agentur ModelStore in Miami vermittelt dabei zwischen Restaurant und Models.
Stephanie: "Man muss immer gedresst kommen, also Highheels und am liebsten ein Kleid ist schon ein Muss - also nicht casual, nicht in einer Jeans und mit den Schlappen oder so. Also man muss schon sich herrichten."
Denn das Auge isst bekanntlich mit. Und bis wo die Gegenleistungen der Models gehen - das bleibt ihnen überlassen. Keine Vorgaben des Managements, wie auf eventuelle Offerten zu reagieren sei.
Stephanie: "Das ist mir egal. Ich werd jetzt hier nicht öfter angesprochen oder weniger oft angesprochen als in anderen Restaurants, wenn ich zum Essen geh. Klar, man sitzt an der Bar, aber nö, das nehm ich gern in Kauf."
Auch Anna hat sich mittlerweile eine Strategie zugelegt, wie sie im Falle des Falles reagiert.
Anna: "Das kommt auf die Person drauf an. Wenn jemand sehr nett und freundlich ist, dann reagier‘ ich auch nett und freundlich. Wenn jemand - ich sag jetzt mal: - starrt, dann ignorier ich die Person einfach. Ich denke mal, so wie man in den Wald rein schreit, so kommt's auch zurück. Wenn ich mal so ein bisschen vorlesen darf aus der Karte, warum wir gern in den Meatmarket gehen.
Schnitzel Haus: Experience the very best in fine German cuisine from "der Küche" (the kitchen) of master chef Alex Richter. You and your guests may choose from our extensive selection of delicious Bavarian dishes while enjoying the authentic atmosphere of our restaurant. Schnitzel Haus
Der deutsche Künstler Hans Feyerabend
Auszug aus dem Manuskript der Langen Nacht:
Nicht überall in diesem Stadtteil Miamis geht es so beschaulich zu. Im Gegenteil. Nur wenige Straßen weiter, in der achten Straße "Calle Ocho", da wird es schon wesentlich lauter. Little Havanna ist - wie der Name vermuten lässt - fest in kubanischer Hand. An jedem letzten Freitag im Monat feiern die Kubaner ihr Straßenfest. Überall spielen Musikcombos, tanzen die Menschen auf der Straße, öffnen Galerien bis spätabends und versuchen auch lokale Geschäfte, Kunden anzulocken, die sonst vielleicht vorbeigehen würden.
Auch die Little Havanna Cigar Factory weiß das Straßenfest von Calle Ocho an jenem "Cultural Friday", dem "kulturellen Freitag", zu nutzen. Bis Mitternacht ist die Zigarrenfabrik für Besucher geöffnet - Gelegenheit zu einem Besuch.
The cigar is a great resource. It is necessary to have traveled for a long time on a ship to understand that at least the cigar affords you the pleasure of smoking. It raises your spirits. Are you troubled by something? Mehr: Little Havanna Cigar Factory
Dieser Ort hier wurde schnell zum größten Standbein des Zigarrenkonsums und -verkaufs außerhalb Kubas. In den 50er-Jahren hatten sich die ersten Emigranten hier niedergelassen, in dieser Gegend, die heute Little Havanna heißt. Sie brachten ihre Kostüme, ihre Musik, ihre Kultur und ihr Wissen über Zigarren mit. Das ist hier heute alles so, als befänden wir uns auf Kuba, aber wird sind noch immer in den USA.
Anderthalb Millionen Kubaner leben insgesamt in den Vereinigten Staaten - jeder zweite von ihnen im Großraum Miami. Mit acht-hundert-tausend Einwohnern repräsentieren die Exilkubaner ein Drittel der Bevölkerung der Stadt. Die Castro-Revolution hatte ihren Exodus befördert. Und mit dem Kalten Krieg mussten auch die kubanischen Zigarrenproduzenten in Miami ihre Verkaufsstrategie ab 1959 ändern, erzählt Kubano-Amerikaner Mario Alra.
Alra: Die Produktion und der Import kubanischer Zigarren kamen mit dem von Kennedy verhängten Embargo gegen Kuba zum Erliegen. Fortan gab es keinen Handel mehr zwischen den USA und Kuba. Die Kubaner verfügten aber nach wie vor über das entsprechende Know-how. Heute bauen wir die Tabakpflanzen für Zigarren in Nicaragua, in Honduras und in der Dominikanischen Republik genauso an wie auf Kuba. Die Samen und die Erde sind zwar dort etwas anders, aber sie sind ähnlich. Und auch dort absorbiert die Tabakpflanze das Aroma der Erde, auf der sie wächst. Heutzutage sind kubanisch-amerikanische Zigarren genauso gut wie kubanische.
Auch die Little Havanna Cigar Factory hat seitdem umgedacht und ihre Arbeitsweise umgestellt. Hier, mitten in Little Havanna, werden mittlerweile keine Zigarren mehr produziert. Die Herstellung hat Mario Alra ausgelagert: Seine Zigarren werden heute anderswo in Südamerika gedreht und dann nach Miami importiert. Das ist zum einen billiger, und zum anderen ist es die einzige Möglichkeit, lateinamerikanische Zigarren mit kubanischem Know-how legal in die Vereinigten Staaten zu bekommen.
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Konzeption: Axel Schenck - an diesem Buch hat auch der deutsche Buchautor Marc Fest: mitgewirkt, mit dem Autor während der Sendung über die Lincoln Road spaziert
Das Facebook-Album des Autors der Langen Nacht Guido Meyer stellt eine Art Making Of der Langen-Miami-Nacht (mit Fotos und Links) dar: