Mexikanischer Schriftsteller Juan Rulfo

Weltruhm mit zwei Werken

Der mexikanische Schriftsteller Juan Rulfo in einer Schwarz-weiß-Aufnahme.
Der mexikanische Schriftsteller Juan Rulfo © imago/ZUMA Press
Von Peter B. Schumann · 16.05.2017
Die gesammelten Kurzgeschichten "Der Llano in Flammen" und der Roman "Pedro Páramo": Mit nur zwei Bänden schrieb der Mexikaner Juan Rulfo Weltliteratur. Bis heute hat der Schriftsteller mit insgesamt nur knapp 300 Seiten Maßstäbe gesetzt. Vor 100 Jahren wurde er geboren.
"Ich kam nach Comala, weil man mir gesagt hatte, dass mein Vater hier lebe, ein gewisser Pedro Páramo. Meine Mutter hatte es mir gesagt. Und ich hatte ihr versprochen, ihn aufzusuchen, sobald sie tot wäre."
Mit diesen dürren Worten beginnt ein Roman, der bis heute Maßstäbe setzt in der Literatur Mexikos, Lateinamerikas, in der Weltliteratur: Pedro Páramo von Juan Rulfo. Als er 1955 erschien, stieß er auf großes Unverständnis bei Kritik und Lesern.
"Es ist nun mal ein schwieriger Roman. Aber ich habe ihn auch mit dieser Absicht geschrieben: Man muss ihn dreimal lesen, um ihn zu verstehen. Deshalb hat ihn meine Generation nie begriffen und ihn für uninteressant gehalten."

Leben geprägt von historischen Ereignisse

Das Leben des jungen Rulfo deutete zunächst nicht auf literarischen Weltruhm hin. Es wurde aber von den historischen Ereignissen derart geprägt, dass ein Reservoir an Erinnerung entstand, auf das er später als Schriftsteller zurückgreifen konnte. Geboren wurde er am 16. Mai 1917, am Ende der Mexikanischen Revolution, in Pulco, einem Flecken, der auf keiner Landkarte verzeichnet ist.
"Es war ein Dorf in einer Schlucht mit kurvenreichen, abschüssigen Wegen. Mein Großvater hat fast alles für die 2.000 Bewohner gebaut, auch die Brücke über den Fluss und die Kirche. Aber dann kam 1926 der Cristero-Aufstand, bei dem meine Familie alles verlor. Die Regierung versuchte, mit der Trennung von Staat und Kirche ernst zu machen. Dagegen protestierten die Pfarrer und die Gemeinden. Es war die gewalttätigste Zeit nach der Revolution, in der mein Vater und seine Brüder ermordet wurden. Bei uns herrschte ständig Trauer."
Mit 15 Jahren wurde Juan Rulfo zu einem Großvater nach Mexiko-Stadt geschickt, wo er auf dessen Wunsch Jura studieren sollte. Er lernte aber lieber Buchhaltung, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch und hörte Literaturvorlesungen an der Universität. Dann betätigte er sich als Kontrolleur der Einwanderungsbehörde und lernte auf den damit verbundenen Reisen das Land, das er bald beschreiben sollte, immer besser kennen.

Bewundert von Carlo Fuentes

Schließlich bekam er eine feste Anstellung am staatlichen Institut für indigene Fragen, wo er an der Edition von zahllosen Titeln über soziale Anthropologie mitarbeitete. Doch ihm selbst gelang es nur, zwei dünne Bücher zu verfassen, insgesamt nicht mehr als 300 Seiten Literatur: 1953 "Der Llano in Flammen", ein Band mit Erzählungen, und 1955 "Pedro Páramo", der ihn weltberühmt machte und der von einem anderen großen, inzwischen ebenfalls verstorbenen Romancier bewundert wurde, von Carlos Fuentes.
"Das ist der beste Roman, der jemals in Mexiko geschrieben wurde. Noch hat ihn niemand übertroffen. Ein außerordentliches Kunstwerk, das zu einer Zeit erschien, als im Roman die Kritik an der Mexikanischen Revolution einsetzte."
Aber er handelt nur am Rand von dieser für Mexiko schicksalhaften Epoche. Auch begnügte sich Juan Rulfo – im Gegensatz zur emotional betonten Erzählweise der Autoren der Revolutionsromane – mit kargen Mitteln und manchmal auch nur mit Andeutungen. Er beschreibt seine Figuren und ihre äußere Welt mit der Sprödigkeit, die ihnen selbst eigen ist.
Sein Comala, der von ihm geschaffene mythische Ort, wird beherrscht von Figuren fern von Zeit und Raum, nicht selten Trugbilder oder Gespenster von Toten, die nicht sterben können, und von einer ausgebrannten Landschaft, über welche die Geschichte hinweggebraust ist, ohne einen Funken Hoffnung zu hinterlassen. Eine Welt im Wartezustand, in die ständig der Regen fällt, ohne dass etwas Nachhaltiges entsteht.

"Ich habe es wirklich nahezu vergessen, denn es ist etwas Vergangenes"

Noch zu Lebzeiten erreichte den ewigen Skeptiker der Ruhm. Pedro Páramo wurde in 25 Sprachen übersetzt und erschien in Millionen-Auflage. Dennoch teilte er 1975, am 20. Jahrestag der Erstveröffentlichung, mit:
"Ich habe es wirklich nahezu vergessen, denn es ist etwas Vergangenes. Die neue Generation zeigt zwar eine gewisse Neugier, aber sie liest ja kaum und hat Probleme, es zu verstehen. Die hatte ich auch beim Schreiben des Romans."
Doch er hat Juan Rulfo unsterblich gemacht.
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