Merkel in Moskau: Kalte Dusche aus Berlin

Merkel mahnt zu mehr Rechtsstaatlichkeit: Die Kanzlerin zu Gast in Moskau
Merkel mahnt zu mehr Rechtsstaatlichkeit: Die Kanzlerin zu Gast in Moskau © picture alliance / dpa / Alexey Nikolsky
Von Gesine Dornblüth · 16.11.2012
Drei Tage haben Deutsche und Russen in Moskau diskutiert. Erst beim Petersburger Dialog, dann bei den Regierungskonsultationen. Diese drei Tage haben gezeigt: Der russlandkritische Beschluss des Bundestages war goldrichtig, meint Gesine Dornblüth.
Fangen wir an mit dem Auftritt der Kanzlerin. Angela Merkel hatte den klaren Auftrag des Bundestages, ihre Sorge über die jüngsten innenpolitischen Entwicklungen in Russland auszudrücken. Sie hat dies getan, ausführlich, und sie sagte den 300 Teilnehmern des Petersburger Dialogs im Beisein von Präsident Putin, sie sollten doch bitte nicht jede Kritik als destruktiv wahrnehmen.

Es ist besonders erfreulich, dass Merkel dies im Auftrag des Bundestages tun musste. In Russland hat das Parlament kaum Bedeutung. Merkel indes hat demonstriert: Sie handelt im Auftrag des Volkes und ihrer Vertreter. Ein schönes Detail.

Auch unterhalb der politischen Ebene hat der Bundestagsbeschluss gewirkt. Der Petersburger Dialog, bereits tot geglaubt, war in diesem Jahr so lebendig wie lange nicht. Zwar haben viele Teilnehmer das Votum der deutschen Abgeordneten kritisiert. Es sei nicht die richtige Form. Aber auf den Fluren haben viele gleichzeitig eingeräumt, dass die Entwicklungen der letzten Monate in Russland sie tatsächlich beunruhigen. Dieses Bekenntnis hätte es ohne die kalte Dusche aus Berlin vermutlich nicht so häufig gegeben.

Ungemein wichtig war der Beschluss für all jene Menschen, die sich seit Jahren, teils seit Jahrzehnten, unabhängig vom Staat für Bürgerrechte in Russland einsetzen. Diese Menschen werden seit Monaten gezielt in die Ecke gedrängt. Die verschärften Gesetze und die vom Kreml kontrollierten Medien suggerieren ihnen: Ihr seid von gestern, ihr seid Agenten, ihr seid Feinde Russlands. Nach dem Bundestagsbeschluss wissen sie: Sie stehen nicht allein, sondern die deutsche Gesellschaft, vertreten durch den Bundestag, teilt ihre Werte. Sie derart gestärkt zu haben, ist allein schon Erfolg genug.

Zu guter Letzt hat der Beschluss natürlich auch Trotzreaktionen hervorgerufen. Einige russische Politiker reagierten sauer. Von antirussischer Propaganda war die Rede. Einer schlug gar vor, Russland solle aus dem Europarat und der OSZE austreten. Diese harten Worte zeigen: Offenbar hat der Bundestag den Kern getroffen. Das ist ja auch eine Erkenntnis.

Zauderer und Schönredner mag die heftige Reaktion der regierungsnahen Russen in ihrer Haltung bestärkt haben, bloß nichts zu tun, das die Mächtigen in Russland verärgert, um ja nicht die guten – vor allem wirtschaftlichen – Beziehungen zu zerstören. Der heutige Tag hat gezeigt, dass diese Befürchtungen unbegründet sind. Trotz der politischen Unstimmigkeiten wurden wieder einmal Verträge in Milliardenhöhe unterzeichnet. Und beide, Putin und Merkel, betonten im Übrigen auch, wie gut die Beziehungen trotz allem seien.

Das wird übrigens oft übersehen: Der Bundestagsbeschluss hat keine Türen zugeschlagen. Der Text fordert die Bundesregierung dezidiert auf, die Partnerschaft und den Dialog mit Russland auszubauen. Darauf kommt es jetzt an. Also: Runter von der Palme, Emotionen beiseite und Klartext reden – und dem anderen zuhören, auch wenn er eine andere Meinung vertritt. Wenn das passiert, hat die Schocktherapie voll gewirkt.
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