Merkel in Addis Abeba

Eine Bilanz der Afrikareise der Kanzlerin

Bundeskanzlerin Merkel mit der AU-Kommissionsvorsitzenden Nkosaza Dlamini Zuma bei der Eröffnung des Julius-Nyerere-Gebäudes für Frieden und Sicherheit in Addis Abeba
Bundeskanzlerin Merkel mit der AU-Kommissionsvorsitzenden Nkosaza Dlamini Zuma bei der Eröffnung des Julius-Nyerere-Gebäudes für Frieden und Sicherheit in Addis Abeba © dpa/Michael Kappeler
Von Stephan Detjen · 11.10.2016
Am Ende ihrer Afrikareise warb Angela Merkel auch in Addis Abeba für ein Konzept der Patenschaften zwischen europäischen und afrikanischen Ländern. Damit will Europa den am meisten betroffenen Ländern Afrikas bei der Bewältigung der Flucht- und Migrationsbewegungen helfen.
In Berlin wurden viele der Grenzen gezogen, die heute zu blutigen Konfliktlinien geworden sind. Auf der Berliner Afrika-Konferenz von 1885 teilten sich die einstigen Kolonialmächte Rohstoffvorkommen untereinander auf und definierten Herrschaftsgebiete, die heute verzweifelt, oft blutig um ihre Staatlichkeit ringen.
132 Jahre später soll es eine neue Berliner Afrika-Konferenz geben. Als Präsidentin der G20-Gruppe will Angela Merkel Afrika im kommenden Jahr weit oben auf ihre Agenda setzen.
"Von besonderer Bedeutung wird dabei eine Mitte nächsten Jahres stattfindende Konferenz sein, an der hochranginge Vertreter der G20-Staaten und afrikanische Staaten sowie von Internationalen Organisationen und aus dem Privatsektor teilnehmen werden…"
… kündigt die Bundeskanzlerin in Addis Abeba an. Angela Merkel setzt damit ein weiteres Zeichen der neuen Bedeutung Afrikas für die deutsche Außenpolitik.

Weltmächte drängen sich um Investitionsmöglichkeiten

In der äthiopischen Hauptstadt weihte Merkel heute – drei Tage nachdem wegen regierungskritischer Proteste der Ausnahmezustand über das Land verhängt wurde – ein neues Gebäude der Afrikanischen Union ein.
Mit 30 Millionen Euro sowie technischem Know-how aus Deutschland wurde der Bau des Gebäudes aus äthiopischen Natursteinen ermöglicht. Neben dem dreistöckigen Flachbau ragt die spiegelnde Stahl- und Glasfassade des Hauptquartiers der Afrikanischen Union in den Himmel. Ein Geschenk Chinas.
"Es interessiert uns nicht, ob die Katze schwarz oder weiß ist, sagt der äthiopische Premierminister Hailemariam Desalegn. Uns interessiert, ob sie Mäuse fängt. Wenn sie Mäuse fängt, ist es egal, ob sie aus China oder aus Deutschland kommt."
Auch heute drängen sich die Weltmächte um Investitionsmöglichkeiten und politischen Einfluss in Afrika. Das mit deutschen Mitteln gebauten Haus beherbergt den Sicherheitsrat der Afrikanischen Union. In einem modernen Lage- und Operationszentrum sollen künftig die Friedensmissionen der Organisation koordiniert werden.
"Besonders beeindruckend ist vor allem das Engagement der Afrikanischen Union in Somalia. AMISOM ist ihre größte Militärmission. Das trotz schwieriger Umstände bald freie Wahlen in Somalia stattfinden können, wäre ein wichtiges Etappenziel dieses Engagements."

"Der Großteil der Fluchtbewegungen verläuft innerafrikanisch"

Auch in Addis Abeba wirbt Merkel für das Konzept der Migrationspartnerschaften, mit denen Europa den am meisten betroffenen Ländern Afrikas bei der Bewältigung der Flucht- und Migrationsbewegungen helfen will. Merkel beteuert, dass es dabei nicht nur um die Sicherung von Grenzen nach Europa gehen soll:
"Der Großteil der Fluchtbewegungen verläuft innerafrikanisch. Es ist beeindruckend, dass Staaten, die selbst große Entwicklungsprobleme haben, Flüchtlinge aufnehmen. Äthiopien beherbergt rund eine Dreiviertelmillion."
Zugleich steht Äthiopien jedoch gerade in diesen Tagen wegen der blutigen Niederschlagung von Demonstrationen und der Verhaftung von Oppositionellen in der Kritik. Der äthiopische Regierungschef reagiert mit einem Verweis auf deutsche Erfahrungen.
"In Deutschland hat es in früheren Zeiten auch viele Bürgerkriege gegeben und sich dann zu einer stabilen Demokratie entwickelt. Wir können davon lernen. Denn Äthiopien bekennt sich zu Demokratie, einem Mehrparteiensystem und zivilgesellschaftlichem Engagement."
Auch Merkel verweist auf eigene Erfahrungen. Demokratie kann anstrengend sein, erklärt die Kanzlerin.
"Wir können aus unserer Erfahrungen und ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen: die Diskussionen sind oft hart, auch die wir im Parlament oft führen, die Dispute sind kraftvoll. Aber zum Schluss ist das besser, als wenn sich die Konflikte über Gewalt entladen, Menschenleben kosten und dann der Hass und die Unzufriedenheit mit dem politischen System so wächst, dass dann die Akzeptanz des Staates nicht da ist."
Politische Bildung am Ende einer dreitägigen Afrikareise. Angela Merkel kehrt am Abend in eine Heimat zurück, in der sie die Härte der Diskussionen über ihre Politik nach wie vor auszuhalten hat.
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