Meister des schwarzen Humors

Von Dirk Fuhrig · 22.11.2011
Der österreichische Kabarettist Georg Kreisler ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Der gebürtige Wiener galt als Meister des schwarzen Humors und feierte mit Liedern wie "Tauben vergiften im Park" Erfolge im deutschsprachigen Raum.
Das "Taubenvergiften" wurde sein Schicksal. Dieses Lied - in den Fünfzigerjahren geschrieben - war Georg Kreislers größter Hit. Sofern man im Genre Chanson von einem Hit sprechen kann. Der so lieblich vorgetragene Sarkasmus, der die Zeilen des Vögelhasser-Songs durchzieht, wurde zum Markenzeichen eines Mannes, der Zeit seines Lebens gegen scheinbar feste Gewissheiten ankämpfte.

"Aber ich bitte Sie: Kunst ist immer ‚gegen’. Kunst ist immer gegen die derzeitige Gesellschaft. Jeder Künstler schreibt aus seiner Zeit heraus. Mozart ist angefeindet worden, obwohl er nur komponiert hat. Man kann doch nicht Gefälligkeitskunst schreiben oder bringen."

Der Sänger, Musiker, Kabarettist und Satiriker wurde am 18. Juli 1922 in Wien geboren. Er zählte zu den Ausnahmeerscheinungen in der deutschsprachigen sogenannten Kleinkunst-Welt. Weder künstlerisch noch politisch hat er je ein Blatt vor den Mund genommen. Mit seinem Heimatland ist der jüdische Österreicher immer wieder in Konflikt geraten. Die erste große Zäsur erlebte er mit 16 Jahren, als der Klavier- und Geige-Schüler vor den Nationalsozialisten fliehen musste.

Seine Eltern brachten ihn in die USA, deren Staatbürgerschaft er 1943 annahm. Als amerikanischer Soldat kämpfte er gegen Hitler. Nach dem Ende des Kriegs versuchte er sich in Hollywood, wo er unter anderem mit Charlie Chaplin zusammen arbeitete. In dieser Zeit begann er, zu komponieren und erste Song-Texte zu verfassen.

"Zum Liederschreiben bin ich übrigens dadurch gekommen, dass ich Geld verdienen musste. In Amerika war das. Und wenn man als Musiker arbeiten will, ist das schwierig. Da braucht man ein paar Jahre oder ein paar Monate nur, um irgendwo Fuß zu fassen, und das konnte ich nicht. Also habe ich Lieder geschrieben und bin in Nachtlokalen aufgetreten. Und wie ich dann nach Europa gekommen bin, habe ich das fortgesetzt."

Die frühen Schellack-Aufnahmen Kreislers in englischer Sprache tauchten erst 2005 wieder auf. Sie waren von der Plattenfirma aufgrund moralischer Bedenken nie veröffentlicht worden - schon damals, in diesen Jugendwerken, zeigte sich Kreislers unerbittlicher satirischer Biss, den der bürgerliche Mehrscheitsgeschmack sowohl im Amerika der McCarthy-Zeit als auch im Europa der biederen Fünfzigerjahre unerträglich fand.

Vom Entertainer in New York zum scharfzüngigen Satiriker in Wien. Dort erlebte er seinen künstlerischen Durchbruch - seine Plattenverkäufe gingen zeitweise in die ZehnTausende. Und das, obwohl sein als finster, makaber und zersetzend abgestempelter Humor immer wieder dazu führte, dass Radiosender seine Musik nicht spielten und Theaterdirektoren ihm den Zutritt zu ihren Häusern verwehrten.

1976 ging Kreisler mit seiner Bühnen- und Lebenspartnerin Barbara Peters nach Berlin, wo ihm das Kabarett-Theater "Die Wühlmäuse" eine Heimstatt bot. Er begann mit dem Schreiben von Theaterstücken, veröffentlichte den Satire-Band "Ist Wien überflüssig?" und seinen ersten Roman "Ein Prophet ohne Zukunft".

Georg Kreisler sang und spielte Zeit seines Lebens an gegen die Verlogenheiten und falsche Gewissheiten, in Kunst, Gesellschaft und Politik - gelegentlich bis an die Grenze zur Eigenbrötlerei und Skurrilität, etwa was seinen vehementen Kampf gegen einen EU-Beitritt der Schweiz betraf, die der ewige Nomade sich zeitweilig als Wohnsitz gewählt hatte.

"Lieder gegen fast alles" lautete der Titel einer CD, die er als 80-Jähriger veröffentlichte. Das war so etwas wie sein Lebensmotto: Georg Kreisler gegen fast alles - und doch so ein Menschenfreund mit sanfter Stimme: ein großer Satiriker, ein feiner Ironiker, ein großer Poet.
Mehr zum Thema