"Meine Überzeugungen werden sich nie ändern"

Von Ruth Kirchner · 29.09.2010
Die chinesischen Behörden sind nervös. Am 8. Oktober wird der diesjährige Gewinner des Friedensnobelpreises verkündet und wieder einmal ist eine Reihe von chinesischen Dissidenten nominiert. Trotz der Rekordzahl von über 230 Vorschlägen, die dem norwegischen Komitee eingereicht wurden, wachsen die Chancen für den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo. Für ihn haben sich eine Reihe ehemaliger Preisträger vom Dalai Lama über Vaclav Havel bis Bischof Desmond Tutu eingesetzt.
Seit mehr als 20 Jahren kämpft Liu Xiaobo für mehr Demokratie und Meinungsfreiheit in China. Immer wieder wurde er dafür verhaftet – zuletzt vor zwei Jahren. Der ehemalige Professor für Literatur wurde ein Jahr später, am Weihnachtstag 2009, zu elf Jahren Haft verurteilt – wegen Untergrabung der Staatsgewalt. Sein Vergehen: Zusammen mit anderen Intellektuellen hatte er die Charta 08 verfasst – ein Appell für tief greifende politische Reformen in China. Das harte Urteil gegen ihn löste international Empörung aus.

Ins Visier der Staatssicherheit geriet Liu Xiaobo erstmals 1989, nachdem er an den Studentenprotesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens teilgenommen hatte. Seitdem konnte er in China nichts mehr publizieren, wie er vor ein paar Jahren im ARD-Interview berichtete:

"Nach dem 4. Juni 89 durfte mein Name in den chinesischen Medien nicht mehr genannt werden. Keiner meiner Artikel wurde in China publiziert – das ging nur noch im Ausland."

Die Internetrevolution machte ihn dennoch auch in China bekannt. Seine Artikel wurden zwar von den Zensoren blockiert oder gelöscht – aber 100-prozentig funktioniert die Kontrolle halt nie.

Liu Xiaobo musste lernen, auch zwischen seinen Haftstrafen mit ständiger Kontrolle zu leben. Sein Telefon wurde abgehört, er selbst und seine Frau, die Künstlerin Liu Xia, auf Schritt und Tritt beschattet.

"Sie kontrollieren Leute wie mich selbst außerhalb des Gefängnisses. Für Leute wie mich gibt es in China keine Freiheit. Selbst wenn sie dich aus dem Gefängnis mit Gittern und Stacheldraht rauslassen, bist du in einem größeren, unsichtbaren Gefängnis."

Trotzdem engagierte sich Liu Xiaobo weiter. Als Autor und als Präsident des unabhängigen Schriftstellerverbandes PEN setzte er sich für mehr Bürgerrechte in China ein. Er wusste um das Risiko.

"Meine Überzeugungen werden sich nie ändern. Dass mein Leben so ist, wie es ist liegt daran, dass ich trotz des chinesischen Systems ein aufrichtiger und würdevoller Mensch bleiben will. Mit meinen Artikeln gerate ich zwangsläufig mit der Regierung in Konflikt. Aber das ist meine Wahl. Ich werde den Preis dafür zahlen."

Den Preis zahlt der heute 55-Jährige in einem Gefängnis in der nordostchinesischen Provinz Liaoning. Dort teilt er nach Berichten seiner Frau eine Zelle mit fünf Kriminellen. Er dürfe schreiben und Bücher lesen, sagt sie – allerdings nur solche die offiziell in China erschienen sind.
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