Mein 9. November: Wilfried Schreiber

02.11.2009
Wilfried Schreiber, Oberst a.D. der Nationalen Volksarmee, war Dozent an der Militärpolitischen Hochschule Wilhelm Pieck in Berlin-Grünau, Spezialgebiet Rüstung und Sicherheitspolitik. Nach der Wende arbeitete der ehemalige Offizier zwölf Jahre lang für eine westdeutsche Consultingfirma, bis er schließlich in Rente ging.
Aus der Sicht von heute ist es natürlich einfach zu sagen, wir hätten nicht geschossen. Aber wenn man sich dieser Stimmung, auch dieser Manipulation, dieser Hektik der damaligen Zeit versieht, bin ich mir nicht so sicher.

Wir hatten einfach große Sorge, dass ein solcher Befehl erteilt werden könnte. Unser Grundverständnis, dass wir immer gesagt haben, die NVA ist eine Volksarmee und es ist völlig absurd, gegen das eigene Volk zu schießen, das war eigentlich ein völlig irrationaler und irrwitziger Widerspruch, der sich da aufgetan hätte und zu dem es glücklicherweise dann nicht gekommen ist.

In dieser Zeit gab es dann auch Unruhen. Am deutlichsten ist das in dem Ausbildungsbataillon in Beelitz in Brandenburg zum Ausdruck gekommen, wo die Soldaten vor die Kaserne gegangen sind, demonstriert haben. Sie wollten nach Hause. Das Forum, an dem diese Dinge dann diskutiert worden sind, das war der "Runde Tisch" beim Verteidigungsminister, der am 18. Dezember 1989 an meiner militärpolitischen Hochschule erstmals zusammentrat. Dort gab es Vertreter aller Parteien, von verschiedenen neuen Bewegungen, kirchlichen Organisationen, die dort gemeinsam Fragen einer grundsätzlichen Veränderung der Nationalen Volksarmee diskutiert haben. Und letztendlich wurde der ganze Prozess der Militärreform im Juli abgebrochen, als dann klar war, die DDR tritt der Bundesrepublik bei und die Nationale Volksarmee wird aufgelöst. Damit war das natürlich dann hinfällig geworden.