Mein 9. November: Robert Wegener

29.10.2009
Als die Mauer fiel, war Robert Wegener 11 Jahre alt und ging in Ost-Berlin zur Schule. In den Herbstferien, wenige Wochen vor der Grenzöffnung, ist er mit seiner Familie in den Urlaub nach Ungarn gefahren. Die Fluchtpläne über die sogenannte "grüne Grenze" standen bei seinen Eltern zu diesem Zeitpunkt bereits fest.
Wir hatten dann unterwegs einen Stopp in Dresden gemacht. Da hatten mir meine Eltern dann plötzlich verkündet, "übrigens Robert, wir kommen nicht mehr zurück", wo ich mir dann gesagt habe, "schade, hättest mal mehr Spielzeug eingepackt".

Wir haben dann fast eine Woche Urlaub in Ungarn gemacht. Für meine Eltern war es kein Urlaub gewesen. Die haben sich dann in den Armen gelegen und haben dann halt überlegt: Fahren wir jetzt wirklich weiter und fahren dann über Österreich in die Bundesrepublik? Oder fahren wir wieder zurück?

Meine Meinung war immer so: Auf jeden Fall rüberfahren! Das Abenteuer kann nur noch größer werden. So standen wir halt irgendwann am Grenzübergang irgendwo im Nordwesten von Ungarn und sind nachts mit dem Trabi durch Wien durchgefahren. Von da aus sind wir dann weiter nach Mainz gefahren. Da wohnte die Tante von meinem Vater.

Da haben wir dann zwölf Quadratmeter in einer Doppelhaushälfte gehabt. Der Hund hatte Flöhe. Das war normalerweise sein Zimmer. Dementsprechend hatte ich dann auch Flohbisse. Das durfte man bloß der Tante nicht sagen, weil die so ein bisschen - na ja, ich sag mal - etepetete war.

Der 9. November 1989 ging damit los, dass die Tante von meinem Vater plötzlich meine Eltern und mich nach unten ins Wohnzimmer geholt hat, damit wir uns doch unbedingt die "heute"-Sendung angucken, weil da gerade verkündet wurde, dass die Mauer offen ist. Und irgendwann, ich denke mal, so zwei Wochen nach dem Mauerfall, vielleicht drei, war dann mein Vater die treibende Kraft, der dann gesagt hat: "Wir wollen doch gerne wieder zurückfahren".

Und dann sind wir irgendwann wieder alle drei in den Trabi reingestiegen, haben das Mainzer Kennzeichen abgeschraubt, haben das ostdeutsche Berliner Kennzeichen wieder angeschraubt und sind dann wieder zurück nach Berlin gefahren.

Ich bin wieder in meine alte Schulklasse gekommen. Die haben sich alle gewundert: "Robert, wo warst du denn? - Ich war mal ein bisschen in Mainz und hab längere Herbstferien gehabt als ihr und hab sogar schon bisschen Englisch gelernt zwischendurch".

Also, für mich als Kind war es ein riesengroßes Abenteuer.