Mehr als ein Unterhaltungsfilmer

Von Bernd Sobolla · 25.03.2008
Vor allem mit seinen Arbeiten aus den fünfziger Jahren, in denen er sich als kritischer Humanist erwies, schrieb Helmut Käutner Filmgeschichte. Filme wie "Die letzte Brücke" und "Der Hauptmann von Köpenick" wurden Kassenschlager und sind bis heute Publikumslieblinge geblieben.
Aus "Wir machen Musik": ""Wir machen Musik, da geht euch der Hut hoch. Wir machen Musik, da geht euch der Bart ab…"

Spätestens mit dem Film "Wir machen Musik" feierte Helmut Käutner 1942 seinen Durchbruch als Drehbuchautor und Regisseur. Später warfen ihm Kritiker vor, damit eskapistische Unterhaltungsware produziert zu haben, und Filme wie "Frau nach Maß", "Kleider machen Leute" oder "Romanze in Moll" zählten sie ebenso dazu. Richtig ist: Käutner war kein Widerstandskämpfer. Aber er war ein Künstler, der auf subtile Weise die Spielräume nutze, die ihm die Zeit und die Umstände ließen:

1908 als Sohn eines Kaufmanns in Düsseldorf geboren, beginnt er noch während seiner Schulzeit, Theater zu spielen. Danach studiert er Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft und schreibt Satiren. Seine Kabarettgruppe, "Die vier Nachrichter", tritt zwischen 1930 und 1935 auf: Literarische, satirische Unterhaltung, mit Seitenhieben auf modische Filmoperetten, den Rechtsruck der Ufa oder die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Das Propagandaministerium stuft das Ensemble als "zersetzend und destruktiv" ein.

Und 1935 ist der Spaß vorbei. Käutner landet als Autor bei der Ufa und dreht dann die erwähnten Unterhaltungsfilme. Dabei versucht er sich an dem Balanceakt zwischen notwendigem Opportunismus und dem Bemühen, einen Rest Glaubwürdigkeit und Wahrheit zu retten. So auch in "Große Freiheit Nr. 7".

Als der Film 1944 fertig ist, darf er nicht in Deutschland gezeigt werden: Rotlichtviertel, St. Pauli, Mittendrin ein Seemann, ein Individualist, der von Freiheit und Ferne singt. Gift in einer Zeit, wo es doch ums Durchhalten geht. Käutners große Zeit kommt dann in den Nachkriegsjahren: Er schreibt Drehbücher, agiert als Schauspieler und führt nun Regie in Filmen, die die NS-Zeit thematisieren: zum Beispiel "Die letzte Brücke" mit Maria Schell oder "Des Teufels General" nach Carl Zuckmayers Theaterstück. Darin wird ein General, der dem NS-Regime eigentlich ablehnend gegenübersteht, mit einem Saboteur konfrontiert.

Szene aus "Des Teufels General": " Wie bist du denn darauf gekommen? Du hast dich doch nie um Politik gekümmert. Es geht dir gut seit '33, besser als vorher. Hast keine Jüdin zur Frau, hast niemanden im KZ verloren, noch am 30. Juni. Was war denn der Grund? / Kein persönlicher. Ich habe eines Tages angefangen, mich zu schämen, dass ich ein Deutscher bin. Dass im Namen des Volkes, also auch in meinem, so viel Unrecht geschieht. Anderen Völkern und vor allem dem meinen. "

Mit "Des Teufels General" gewinnt Helmut Käutner diverse Preise und erfährt auch internationale Anerkennung.

Helmut Käutner: " Es war auch einer der wenigen Filme, bei denen man den Deutschen bestätigt hat, dass sie sehr wohl, wenn sie sich Mühe geben, in der Lage sind, ihre Vergangenheit zu bewältigen. Es war ein politischer Erfolg in erster Linie."

Doch Käutner ist auch ein Spezialist für große Gefühle. Und so folgt er einer Einladung nach Hollywood, wo er die Dramen "The restless years" und "A stranger in my arms" dreht. Letzterer erzählt die Geschichte von einem Soldaten, der die pathetische Heldenstilisierung eines gefallenen Kameraden bekämpft.

Helmut Käutner: " Der kann nicht ertragen diese menschliche Lüge. Und zertrümmert diese Lebenslüge dieser ganzen Familie und baut dadurch die Familie innerlich neu auf. Also eine Art von amerikanischem Nachkriegsproblem, was relativ allgemein gültig ist, weil es sich nur um menschliche Gruppierungen handelt, nicht so sehr politisch. "

Helmut Käutner ist vor allem ein vielseitiger Künstler: Thematisiert er zum Beispiel in den 40er und 50er Jahren mit verspielter Leichtigkeit auch das Verhältnis von Kunst und Kommerz, von Anspruch und Unterhaltung, so gründet er 1957 zusammen mit Wolfgang Staudte und Harald Braun eine Filmproduktionsfirma, in der jeder Gesellschafter pro Jahr einen künstlerisch anspruchsvollen Film drehen soll. Aber nur "Der Rest ist Schweigen", eine Hamlet-Interpretation, wird 1959 mit Hardy Krüger realisiert.

Die Firma scheitert ebenso wie Käutners Aussteigergeschichte "Die Rote", die er 1962 mit Ruth Leuwerik dreht. In Anlehnung an den italienischen Neorealismus erzählt er die Geschichte einer jungen Frau, die ihre bürgerliche Existenz, ihre oberflächliche Ehe und ihre Liebesaffäre aufgibt und nach Venedig geht. Mitte der 60er Jahren entsteht der Neue Deutsche Film. Und seine Vertreter distanzieren sich von allen ehemaligen Ufa-Regisseuren, so auch von Käutner.

Sein poetischer Realismus, sein Gespür für Rhythmus, scharfe Dialoge und Bilderfolgen – nichts wird mehr anerkannt. So arbeitet Käutner in den 60er und 70er Jahren vor allem fürs Fernsehen und Theater. Es bleibt die Erinnerung an Klassiker wie "Der Hauptmann von Köpenick". Darin spielt ein Schuster als Hauptmann verkleidet mit der deutschen Militarismus-Mentalität der Kaiserzeit.

Szene aus "Hauptmann von Köpenick": " Machen Sie mal sofort einen vollständigen Kassenabschluss. Ich werde dann kontrollieren. / Verzeihung, Herr Hauptmann, ohne Beschluss der Verwaltung kann ich keinen… / Die Verwaltung der Stadt Köpenick bin ich. Ich habe leider den Befehl, den Herrn Bürgermeister und vorläufig auch sie als Gefangene nach Berlin zu bringen. / Ja, aabber… / Stottern Sie nicht! Rechnen Sie ab! Ich gebe ihnen zehn Minuten. Genügt das? / Ja, ich we, we werde mich beeilen! "
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