Meditieren bei Depression

14.07.2009
Wer achtsamer mit seinen Gefühlen umgeht, wird nach einer Depression seltener rückfällig - dies belegen psychologische Studien. Die Autoren des Sachbuchs "Der achtsame Weg durch die Depression" zeigen, wie man sich selbst besser wahrnimmt - zum Beispiel durch Meditation und Atemtechniken.
Mehr als jeder zweite Mensch, der einmal eine Depression hatte, erleidet einen Rückfall. Die Autoren des Buches - drei von ihnen anerkannte Forscher auf dem Gebiet der kognitiven Psychologie und Psychotherapie, einer ein Stressmediziner - sehen den Grund in Folgendem: In der Depression wird eine traurige Stimmung mit unbarmherzigen, negativen Gedanken der Selbstanklage fest verknüpft. Daher kann später jede normale traurige Stimmung diese Gedanken wieder auslösen.

Depressive versuchen oft, sich gegenüber ihren Gedanken und Gefühlen zu verschließen und werden dann stumpf und leer, oder sie verzehren sich im Kampf gegen sie. Je mehr man aber Negatives aus dem Denken fernzuhalten versuche, desto depressiver werde man, meinen die Autoren. Sie empfehlen eine radikal andere Strategie: den östlichen Weg der Achtsamkeit. Dieser heißt, sich den Gedanken und Gefühlen zuzuwenden und sie anzuschauen, ohne sie zu beurteilen.

"Achtsamkeit ist das Gewahrsein, das entsteht, wenn man im gegenwärtigen Augenblick mit Absicht die Dinge bewusst wahrnimmt so wie sie sind, ohne zu urteilen", heißt es in dem Buch. Das ist die Geisteshaltung der Meditation oder des Yoga. Von dort übernehmen die Autoren auch die Praktiken, wie man das Bewusstsein auf dem Weg der Übung zu diesem Gewahrsein hinführen kann. Sie empfehlen ein achtwöchiges Programm von Atem- und Körpermeditationen, Yoga und Achtsamkeitsübungen im Alltag. Mit Hilfe des Buches und zweier beigelegter CDs kann man dieses Programm auch selbst ausprobieren.

Eine zentrale Methode ist die Konzentration auf den Atem. Wer sich nämlich ganz auf den Atem konzentriere, komme zwangsläufig in die Gegenwart, weil man den Atem nur im Moment des gegenwärtigen Atemzugs wahrnehmen kann. Und mit Hilfe des Atems soll der Übende auch die Sinneslandschaft des Körpers entdecken, seine Empfindungen, woraus ein "erfahrungs- und sinnesgestütztes" Wissen erwache.

Das heißt bei Anflügen von Depression zum Beispiel: Nicht zu überlegen, wie ein Gefühl weggeht, sondern sich fragen, wie es sich im Körper anfühlt, welche Empfindungen damit einhergehen, zu den Empfindungen hin zu atmen und so den eigenen Zustand zu erfahren, statt gegen ihn anzugehen. Denn wer sich der eigenen Körpererfahrungen bewusst sei, müsse Erfahrungen nicht vermeiden und mache so den Weg für eine erfüllte Verbindung mit dem Leben frei.

Was man von den Autoren zu lesen und zu hören bekommt, ist altbekanntes Wissen. Zum Beispiel entstammt die Übung, Gedanken und Gefühle vorbeiziehen zu lassen und zu benennen, einer verbreiteten buddhistischen Meditationstechnik. Neu ist, dass dies jetzt auch in der Psychotherapieforschung Anerkennung findet. Bei depressiven Patienten, die an dem Acht-Wochen-Programm teilnehmen, zeigen Forschungen, dass das Risiko eines Rückfalls um die Hälfte sinkt.

Das Buch ist flüssig geschrieben und verzichtet auf wissenschaftliche Dokumentation im Text. Das macht es für Laien angenehm zu lesen. Wer es allerdings als depressiver Patient liest, darf nicht zu viel erwarten: Zumindest ab dem dritten Kapitel ist die Verbindung zu den Problemen der Depression nur lose. Das Buch versucht mehr, den Leser auf den allgemeinen Weg der Achtsamkeit zu bringen. Wer reale Probleme in seinem Leben zu lösen hat, braucht andere Hilfe. Wer aber einen Weg entdecken will, auf dem er achtsamer und dadurch gelassener werden kann, der findet in diesem Buch eine gute Hinführung.

Besprochen von Ulfried Geuter

Mark Williams, John Teasdale, Zindel Segal und Jon Kabat-Zinn: Der achtsame Weg durch die Depression
Arbor-Verlag, Freiamt im Schwarzwald 2009
328 Seiten, 39,90 Euro