Medienkritik

Das Scheitern der politischen Fernseh-Talkshow

09:35 Minuten
Uwe Junge, Georg Mascolo, Herbert Reul, Irene Mihalic und Mehmet Daimagüler in der ARD-Talkshow 'hart aber fair' im WDR Fernsehstudio A. Köln, 01.07.2019 | Verwendung weltweit
Frank Plasberg hat in seiner Talkshow "Hart aber fair" vorgemacht, wie man nicht mit Rechten wie Uwe Junge (l.) reden sollte, meint Matthias Dell. © picture alliance / Geisler-Fotopress / Jens Krick
Von Matthias Dell · 06.07.2019
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Mit Rechten über Rechtsterrorismus reden - geht das? In Bezug auf Frank Plasbergs Talkshow "Hart aber fair" kommt Medienkritiker Matthias Dell zu einem ernüchternden Ergebnis. Aufschluss gibt auch ein Blick auf solche Versuche in früheren Talkrunden.
Der Mord an Walter Lübcke hat dafür gesorgt, dass ein Thema die Talkshows des öffentlichen-rechtlichen Fernsehens erreicht hat, das medial leider immer noch unterbelichtet ist: die Gewalt des Rechtsextremismus.
Frank Plasbergs ARD-Talkshow "Hart, aber fair", die das Thema am Montag diskutierte, hat allerdings wenig zur Erhellung beigetragen. Vielmehr hat die Art und Weise, wie dort gesprochen wurde, selbst Debatten in den sozialen Netzwerken nach sich gezogen.
Die Sendung war auch Gegenstand der Sitzung des WDR-Rundfunkrats am gestrigen Freitag. Auch weil Plasberg den AfD-Politiker Uwe Junge eingeladen hatte, Fraktionsvorsitzender der Partei im rheinland-pfälzischen Landtag.
Deutschlandfunk Kultur: Mit etwas Abstand wollen wir auf diesen Komplex noch einmal schauen – und zwar mit dem Medienkritiker Matthias Dell. Als wir überlegt haben, ob wir in "Breitband" noch einmal über die Plasberg-Sendung sprechen, gab es auch den Gedanken, dass wir ihr damit letztlich auf den Leim gehen, dass wir genau das machen, worum es der Sendung mit der Einladung Junges ging: nämlich Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Matthias Dell: Das machen wir in gewisser Weise schon, aber das ist ein Dilemma von Medienkritik oder von Kritik überhaupt. Indem man sich kritisch mit Gegenständen auseinandersetzt, billigt man ihnen natürlich Bedeutsamkeit zu. Da kommen wir nicht raus.
In dem Fall finde ich es richtig, weil wir nicht etwas besprechen, was sonst keiner wahrnehmen würde, also etwas unnötig groß machen. Und weil gerade an solchen Fällen, mit einem Rechten über Rechtsterrorismus zu reden, sichtbar wird, wie ungeeignet Plasbergs Talkshow ist, überhaupt etwas herauszufinden.
Schon der Titel "Wie gefährlich ist rechter Hass?" lügt eigentlich, der geht quasi so anschaffen größtmöglich. Der wird auch gar nicht beantwortet, ob der jetzt sehr gefährlich, mittelgefährlich oder gar nicht gefährlich ist. Und dann kann auch in dieser Sendung praktisch so Bullshit-Bingo spielen, an den Standardsituationen der Demagogie. Also wenn der Junge zum Beispiel jedes Mal, wenn er sich scheinbar oder distanziert von Rechtsterrorismus, dann dazusagt: Aber Linksextremismus ist auch schlimm. Was ja totaler Quatsch ist, weil das zwei vollkommen verschiedene Phänomene sind.

Uwe Junge hatte mit Abstand die meiste Redezeit

Deutschlandfunk Kultur: Dann gehen wir mal in die Analyse. Das Portal Watson.de hatte ja dankenswerterweise schon mal einmal die Redeanteile gestoppt: Der AfD-Mann Uwe Junge hatte deutlich den größten mit 15,20 Minuten, danach kam der Journalist Georg Mascolo mit knapp 10 Minuten (9,47 Minuten), relativ gleichauf dann der CDU-Innenminister von NRW, Herbert Reul mit 7,20 Minuten und der Anwalt, Nebenkläger u.a. im NSU-Prozess, Mehmet Daimagüler (Anwalt) mit 7,14 Minuten, am kürzesten zu Wort kam die einzige Frau in der Runde, die Grünen-Politikerin Irene Mihalic mit 5,37 Minuten. Wie kommt das zustande?
Dell: Die Sendung hat dann nachher erklärt, dass läge an der Konstellation alle gegen einen, dass Junge eben auch direkt adressiert worden sei von den anderen Teilnehmern. Das stimmt aber in meinen Augen nur zur Hälfte. Weil, die Logik der Shows, die will kalkulierte Erregung. Erregung brauchen sie, um Aufmerksamkeit zu kriegen, und die AfD bedient diese Erwartung am sichersten, dass man irgendwie denkt: der wird das wohl jetzt doch nicht und hofft, der wird mal was anderes sagen.
Das kann man auch schön daran sehen: Als ein AfD-kritischer Tweet von einem Zuschauer vorgelesen wurde, wie die Kamera darauf giert, dass der Junge jetzt vielleicht irgendeine Reaktion zeigt, die irgendwas zeigt. Das heißt, die AfD hat da eine klare Rolle.
Diese Sendungen sind ja gecastet in dem Gegenüberstellen von verschiedenen Positionen, im Prinzip wie im Kasperletheater. Friedrich Küppersbusch hat mal gesagt: Und dann ist eben die AfD das Krokodil. Das unerzogene Kind, auf das alle einreden und das irgendwie böse und faszinierend zugleich ist.
Deutschlandfunk Kultur: Sie haben von kalkulierter Erregung gesprochen. Was meint das: kalkuliert?
Dell: Eben dass es ein unglaubliches Korsett ist. Jutta Ditfurth, die ja Erfahrung in solchen Runden hat, hat mal erzählt in einem Interview, von allen diesen Talkshows sei Plasbergs die kontrollierteste. Da gibt es diese Einspielfilme, die dauernd die einzelnen Akte strukturieren. Das heißt, es gibt eigentlich gar keinen Raum für eine Diskussion, obwohl die Sendung permanent so tut, als wolle sie diskutieren. Aber eigentlich ist da alles ganz hermetisch. Jeder hat seinen Slot, in dem der was sagen kann, und das war auch letzten Montag zu merken, als nämlich die Grünen-Politikerin Irene Mihalic Junge fragen wollte wegen seines Tweets, in dem er alle Unterstützer und Befürworter der sogenannten Willkommenskultur zur Rechenschaft ziehen wollte. Den hatte Plasberg aber natürlich auch vorbereitet, deshalb musste er da intervenieren, weil der an der Stelle noch nicht dran war.
Und das ist eben bezeichnend, dass die Diskussion unwichtiger ist als das Sendungskonzept. Ein fähiger Moderator könnte darauf reagieren, dann sprechen wir halt jetzt darüber. aber da merkt man, dass Plasberg, so souverän und so drüberstehend, wie er tut, eigentlich Angst davor hat, dass etwas außer Kontrolle gerät. Wie man an diesem schönen Stottern und wieder Zurückfinden auf die eigentliche Frage, das eigentliche Thema merkt: Da ist etwas verrutscht gerade. Und auch bezeichnend in dieser Hinsicht war das Ende der Sendung, wo noch eine Minute übrig war und er sagt so, wie bei einer WG-Planung: Will noch irgendjemand was loswerden? Peinlich...

"Aus Sicht von Plasberg sorgt die AfD für gute Quoten"

Deutschlandfunk Kultur: Da swurde ihm ja auch viel vorgeworfen, dass er ihm noch mal den Raum gegeben hat, und das schien dann so ein bisschen, als wäre er eben sehr AfD-gefällig aufgetreten.
Dell: Weil er Junge noch mal gefragt hat und das Schlusswort gegeben hat und gesagt hat, ich hoffe, es war kein Tribunal für Sie. Daraus spricht die Faszination, die das Krokodoil AfD da ausübt, und wo Plasberg natürlich nur daran denkt, die bringen ihm Aufmerksamkeit, die bringen ihm Quoten und er hat dann so ein komisches geschmeicheltes Gefühl in seiner Eitelkeit von: ich bin der Dompteur, der mit diesem Krokodil, das da jetzt aber nicht wirklich beißt, irgendwie umgehen kann. Das heißt, er hat gar keinen Sinn dafür, dass die AfD natürlich eine total widersprüchliche Partei ist, die einerseits sagt, wir dürfen nicht mitreden, sich damit in die Debatte bombt, und andererseits jeder Kritik an ihr sofort mit allen möglichen harten Mitteln einen Riegel vorschiebt. Allein an diesem Widerspruch könnte man merken, dass da was nicht stimmt.
Aber Plasberg sieht nur das Krokodil. Was er nicht tut, ist mal in die Geschichte zu gucken, weil, diese Auftritte... Das gleiche Muster findet man zum Beispiel - Jahr 2000 - Jörg Haider bei Erich Böhme. Auch so eine Krokodil-Situation. Ralph Giordano sitzt da, muss dann so als moralische Instanz das verteidigen, was für Haider überhaupt nicht funktioniert, weil der Giordano eben daran glaubt, dass seine moralische Autorität als Holocaust-Überlebender den beeindrucken würde. Macht es aber null. Und der Böhme stört eigentlich alles, was da an Auseinandersetzung passiert, weil er sich dauernd zeigen muss als jemand, der Witze macht und der da irgendwie mit diesem Krokodil umgehen kann. Da merkt man auch, wie der Moderator die eigene Diskussion mit solchen Witzen stört.
Der österreichische Rechtspopulist und Landeshauptmann Joerg Haider in Talkshow "Talk in Berlin" bei Moderator Erich Böhme
Der österreichische Rechtspopulist und Landeshauptmann Joerg Haider in Talkshow "Talk in Berlin" bei Moderator Erich Böhme© imago /

Rio Reiser hat vorgemacht, wie es gehen kann

Deutschlandfunk Kultur: Wenn man sich einen Provokateur wie Junge einlädt, wie müsste mit denn idealerweise mit dem umgehen? Wie müsste mit dem geredet werden?
Dell: Das geht natürlich in dieser Fünfer-Runde schwer, weil irgendwie so wenig Zeit ist. Ein schönes Beispiel aus einer viel offenen Variante: Rio Reiser 1992 in der Sat.1-Sendung "Einspruch". Da stehen drei Leute der rechtsradikalen Band Störkraft und auf der anderen Seite drei Kritiker, einer ist Reiser, und der macht das sehr geschickt: Der stellt diesen drei rechten Jugendlichen, rechtsradikalen Jugendlichen offene Fragen. Und das führt dann dazu, dass sie sich selber eigentlich um Kopf und Kragen reden.
Und da merkt man, dass da nichts ist – da musste der angesprochene Petric sogar selbst lachen, weil er getroffen war. Also, so kann man das zum Beispiel machen. Und was auch interessant war, dass Reiser genau wusste: Das, was die in der Talkshow machen, hat nichts mit dem zu tun, was sie auf der Bühne machen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das ist bei der AfD auch so. Und das ist aber das, was Plasberg überhaupt nicht begreift. Der glaubt tatsächlich, eventuell könnte Junge sich so distanzieren davon, dass man das vielleicht als Zitat rausschicken kann und am nächsten Tag dann irgendwie die Republik drauf reagiert und er sich das an seinen Pressespiegel heften kann.
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