Maschinen mit Bewusstsein

Rezension: Joachim Baumann · 01.04.2005
Bas Haring untersucht in seinem Buch Grundfragen des menschlichen Seins wie Wollen und Fühlen und überträgt diese auf die Computerwelt. Ihn bewegt dabei eine Grundfrage: Können Maschinen eines Tages ein Bewusstsein entwickeln? Was, wenn sie sich selbst reproduzieren? Muss man dann nicht von "Leben" sprechen?
Dialog zwischen einem Computer und einem Patienten:

Computer: " Was kann ich für Sie tun?"
Patient: " Ich brauche Hilfe!"
Computer: " An welche Hilfe dachten Sie?"
Patient: " Ich fürchte mich vor dunklen Räumen."
Computer: " Haben Sie Ihre Ängste schon mal mit Freunden besprochen?"
Patient: " Ja."
Computer: " Und? Fahren Sie fort…"

Ist diese berühmte Psychiater-Simulation namens "Eliza" des Computerpioniers Joseph Weizenbaum aus dem Jahre 1966 intelligent? Aus heutiger Sicht eher kaum!

Doch: wann ist ein Computer schlau oder intelligent? Wenn er sich wie ein Mensch verhält? Und warum verhalten wir uns überhaupt, wie wir uns verhalten? – Diese zentralen Fragen ziehen sich durch Bas Harings Buch wie ein roter Faden. Akribisch analysiert er zu Beginn Begriffe wie das Wollen, Denken und Fühlen. Dabei baut der Informatiker Zusammenhänge zwischen menschlichem und tierischem Verhalten auf und überträgt sie auf die Computerwelt.

Ausgangspunkt sind für ihn die drei Pfund unseres Gehirns mit seinen Milliarden Zellen, jede einzelne ganz primitiv gestrickt, an- oder ausgeschaltet. In der Vernetzung aber äußerst lernfähig! Warum soll das bei vernetzten Computerchips nicht auch funktionieren? Schon längst sind Rechner in der Lage, logische Operationen durchzuführen, mittels Sensoren Umweltverschmutzungen zu analysieren, Einbrecher aufzuspüren, die Polizei zu rufen und aus den gemachten Entscheidungen zu folgern und zu lernen.

Immer wieder holt sich Bas Haring gedankliche Hilfe aus der Evolution, insbesondere, um die Lernfähigkeit zu untermauern:

"Niemand sagt dem Gehirn, wie die Verdrahtung genau laufen muss. Aber auf der Basis von Schulter klopfen und Tadel versucht das Gehirn, das Beste daraus zu machen."

Daher ist es auch nicht abwegig, dass künstliche Wesen, ob nun Computerfische im virtuellen Aquarium oder durch Antwerpen fahrende Roboter, dass sie lernen und sogar einen eigenen Willen besitzen können, wie ein Papagei und andere Tiere ja auch.

"Eine Gehirnzelle ist eine einfache Sache, die man mit einem Computerprogramm leicht imitieren kann und ein Stück künstliches Gehirn herzustellen, das zum Beispiel lernt, einen Schrei auszustoßen, wenn es einen Tiger sieht, ist gar nicht so schwer."

Mit derartigen Vergleichen überrascht das Buch von Seite zu Seite. Spätestens in der Mitte ist man gespannt, wie der Autor zum Höhepunkt seiner Gedankenfolge kommt! Wie geht der Wettstreit zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz aus? Ist für uns doch der Computer schon wie ein Butler: überall präsent und fast nicht zu bemerken! Ja, wir reden sogar mit ihm – der Computer spinnt wieder, sagen wir, wenn der Rechner nicht das macht, was wir von ihm wollen.

Langsam, ja behutsam tastet sich der Autor an die eine entscheidende Frage heran: kann ein Roboter leben? Ja, meint Bas Haring, wenn man das Wort "Leben" nicht nur aus dem Blickwinkel Mensch betrachtet, sondern auch aus der Sicht eines Roboters oder eines Wesens vom Mars. Und hierin besteht die Stärke des Buches "Sind wir so schlau wie wir denken?" Haring beschreibt die komplizierten Vorgänge menschlichen Seins und maschinellen Handelns mit ungewöhnlichen Vergleichen aus einem fiktiven Alltag und verknüpft diese logisch miteinander. Ein Beispiel:

"Es gibt einen Roboter, der durch Antwerpen fährt, Sonne tankt und Rohstoffe einsammelt. Andere, spezialisierte Roboter stellen daraus Ersatzteile her, Montageroboter reparieren oder bauen aus den Teilen neue Roboter, die durch Antwerpen fahren, Sonne tanken und Rohstoffe sammeln. Also: Roboter bewegen sich, nehmen Energie auf – wie wir über die Nahrung – und sie regenerieren und vermehren sich. "

Natürlich muss der Autor zum Schluss – sonst wäre seine Logik nicht konsequent – die Frage stellen, ob wir Menschen nicht eigentlich Maschinen sind? Natürlich wollen wir das nicht sein aber, so Bas Haring

""Wir sind so das ziemlich interessanteste Phänomen, das es auf diesem Planeten gibt. Das einzige Tier, das sprechen kann, das Kunst hervorbringen kann, das seine Führer demokratisch wählt, Krankenhäuser baut, Autos erfindet und an sich selbst glaubt. Nur, … wie lange sind wir noch die Einzigen?"

Bas Haring: "Sind wir so schlau wie wir denken?" - Der Wettstreit zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz
List-Verlag – Berlin,
176 Seiten, 19.95 €