Mary Gauthier musiziert mit Kriegsveteranen

Country aus dem Kriegsgebiet

Country-Sängerin Mary Gauthier
Die Country-Sängerin Mary Gauthier © imago/ZUMA Press
Von Arndt Peltner · 24.01.2018
Sie haben in Afghanistan und Irak gekämpft, nun suchen sie ihren Weg zurück in die amerikanische Gesellschaft: Soldaten der US-Streitkräfte haben mit der Countrysängerin Mary Gauthier das Album "Rifles & Rosary Beads" aufgenommen.
Mary Gauthier lebt in der Country-Metropole Nashville. Die 55-Jährige ist seit nahezu 30 Jahren im Musikgeschäft. Sie ist...
"... seit fast 30 Jahren trocken. Ich habe viel an meiner Gesundung gearbeitet, an meiner Musik und dem Weg, mit meiner Kunst anderen zu helfen. Vor allem Menschen, die mit einem Trauma zu kämpfen haben. Ich bin also darauf vorbereitet mit diesen Veteranen an die dunkelsten Stellen zu gehen, ich habe keine Angst. Und ich glaube sie merken, dass da eine Sicherheit bei mir ist, denn sie wissen, ich war auch dort. Nicht in ihrem Krieg, nicht in einem Krieg, aber ich weiß, was ein Trauma ist."

Aus dem Song "Soldiering on"
I was bound to something bigger
More important than a single human life
I wore my uniform with honor
my service was not a sacrifice
But what saves you in the battle
can kill you at home
A soldier, soldiering on

Mit Soldaten musizieren und gegen den Krieg kämpfen

Vor knapp fünf Jahren wurde Gauthier von der Organisation "Songwriting with Soldiers" eingeladen. Sie bringt Folk Musiker und Musikerinnen mit Soldaten und Veteranen zusammen, um durch Songs Erlebtes zu verarbeiten. Auf den ersten Blick ein gewagtes Unterfangen. Gauthier hat keine Militärerfahrungen und ist erklärte Kriegsgegnerin.
"Aber das heißt ja nicht, dass ich die Soldaten hasse. Ich liebe die Menschheit und das bezieht Soldaten mit ein. Ich werde auch wieder gegen den nächsten Krieg protestieren, aber wenn die Soldaten zurückkommen, sie verwundet sind und ich helfen kann, dann werde ich das tun."

Aus dem Song "The War after the war"
Who’s gonna care for the ones who care for the ones who went to war
land mines in the living room eggshells on the floor
I lost myself in the shadow of your honor and your pain
You stare out the window as our dreams go down the drain
Invisible, the war after the war

"Rifles & Rosary Beads" ist ein sehr nahegehendes, gefühlvolles, ja, poetisches Album. Gauthier schaffte es ganz behutsam, die Soldatinnen und Soldaten zu öffnen, mit ihnen ihre dunkelsten Gefühle und Erfahrungen in Worte zu fassen. Oftmals zum ersten Mal. Hier kommt nach 17 Jahren militärischer Einsätze in Afghanistan und im Irak eine Generation zu Wort, die tief traumatisiert ist und den Weg zurück in die amerikanische Gesellschaft finden will. Mary Gauthier hilft dabei auf eine sehr einfühlsame Weise, versucht Bilder im Kopf zu Worten werden zu lassen.

Mit Musik den Krieg aufarbeiten

"Ich habe den Song ‚Rifles & Rosary Beads‘ mit einem 19-Jährigen geschrieben, der nach seiner Grundausbildung nach Fallujah im Irak geflogen wurde. Ich habe ihn gefragt, ‚Joe, was hast du gesehen, als Du aus dem Flugzeug gestiegen bist.‘ Und er sagte: ‚Da waren Jungs, die den Rosenkranz gebetet haben, sie haben die Perlen durch ihre Finger gerollt. Und da standen andere mit Gewehren in der Hand, die sie mit weißen Knöcheln ganz fest hielten.‘ Der Song nimmt Form an, wenn man das hört. Und ich habe ihm gesagt, wir können das Lied ‚Rifles & Rosary Beads‘ nennen. Ich habe diese Bilder von ihm bekommen, die er mit seinen Augen gesehen hat und ich konnte danach erkennen, was das mit ihm gemacht hat."

Aus dem Song "Rifles & Rosary Beads"
You hold on to what you need
Vicodin Morphine Dreams
Rifles & Rosary Beads
White Knuckles wrapped around
Blackness that has no sound
Bombed out schools and homes
Kids in the street alone

Mary Gauthier hat über die Jahre mit "Songwriting with Soldiers" nahezu 400 Songs gesammelt. Auf "Rifles & Rosary Beads" sind nun elf davon veröffentlicht worden, von Soldatinnen und Soldaten. Lieder, die sich um Erlebtes drehen, um die Aufarbeitung der Erfahrungen nach der Heimkehr, aber auch um sexuelle Belästigung und Vergewaltigung von Soldatinnen in Uniform. Mary Gauthier sieht sich mit dieser Platte auch in einer historischen Rolle:
"Ich denke, es sind Folk-Musiker, die die schwierigen Fragen stellen. Und ich sehe mich als eine Folk Sängerin. Diese Geschichten sind in der Tradition von Woody Guthrie geschrieben. Ihre Aufgabe ist genau das, was Woody uns aufgetragen hat: die Gemütlichkeit zu stören und dabei die Gestörten zu trösten."

Aus dem Song "Iraq"
I was an Army mechanic, I worked with the men
I worked on my back, I tried to fit in
Torque wrenches and ratchets, multi-meters and scales
Grease on my face, Grease on my hands, Grease under my nails
It was so hard to see ’till it attacked
But my enemy wasn’t Iraq

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