Marx-Denkmal in Neubrandenburg

Der "Bronze-Kalle" kommt zurück

Das Karl-Marx-Denkmal von Neubrandenburg liegt auf einer Transportpalette.
Das Karl-Marx-Denkmal von Neubrandenburg lagerte seit 1995 in einem Depot. © picture alliance / Stefan Sauer
Von Silke Hasselmann · 12.04.2018
Neubrandenburg will sein Karl-Marx-Denkmal wieder aufstellen und diskutiert über das Wo und Wie. Experten schlugen den Marktplatz vor, und Marx sollte liegen, nicht stehen. Klar ist nun: Marx kommt zurück, aber an einen anderen Ort.
26 Jahre währte Karl Marxens erstes Leben in Neubrandenburg. 1969 auf dem damaligen - na klar - Karl-Marx-Platz aufgestellt, überlebte die 2,20 Meter hohe Bronzestatue die politische Zeitenwende immerhin um fünf Jahre. Damit gaben post-sozialistische Bilderstürmer dem Neubrandenburger Marx mehr Zeit als anderenorts. Doch 1995 musste der Schöpfer der Theorie vom "Fetischcharakter der Ware" weichen, und zwar ausgerechnet dem Neubau eines Konsumtempels. Diesmal konnte kein Engels mit einem Ersatzobdach helfen, dafür aber das Depot der Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft.
Dort soll Marxens Bleibens nicht länger sein. Die Linksfraktion in der Neubrandenburger Stadtvertretung bereitete seine Auferstehung vor drei Jahren vor, und zwar mit dem bemerkenswerten "Beschlussvorschlag zur Variantenprüfung zur Neugestaltung des Umfeldes und des Aufbaues des Karl-Marx-Denkmals im Rahmen des Ausbaues der Frei- und Verkehrsflächen im Umfeld des Hauses der Kultur und Bildung". Übersetzt: Bronze-Kalle zurück an seinen angestammten Platz inmitten der 64.000-Einwohner-Kreisstadt!

"Marx braucht eine Denkpause"

Der Begründer des "wissenschaftlichen Kommunismus" und der "Kritik der politischen Ökonomie des Kapitalismus", der zeitlebens nie einen Fuß ins agrarisch geprägte Mecklenburg gesetzt hatte, beschäftigte die Neubrandenburger Stadtgesellschaft seitdem immer wieder.
Vor anderthalb Monaten setzte der parteilose Oberbürgermeister Silvio Witt eine Duftmarke: Nach intensiver Beratung mit Fachleuten wie dem Philosophen und Grafiker Gilberto Perez Villacampa befürworte er die Rückkehr des bronzenen Marx und das sogar auf den Markplatz. Allerdings werde vorgeschlagen, "das Denkmal horizontal als liegende Figur im Umfeld der Bibliothek aufzustellen". Durch einen Sockel an den Füßen und eine filigrane Schulterstütze solle das Denkmal aussehen, "als ob es schwebt, liegt, ruht oder was auch immer einem Betrachter einfällt".
Berater Villacampa sieht in dieser Aufstellung oder besser: Aufbahrung Marxens eine "Entideologisierung des Denkmals", denn "man könnte auch sagen, Marx braucht eine Denkpause".

An dem geforderten - nun ja - Privatkapital von 25.000 Euro mangelte es übrigens nicht, wohl aber an Verständnis für das Konzept. "Marx ist Murks und gehört in die Mottenkiste!" forderten die einen. "Lasst Marx wieder stehen!" sagen andere - auch mit staunendem Blick gen Trier im tiefsten Westen. Dort wird dem Sohn der Stadt zum 200. Geburtstag ein riesengroßes Marx-Denkmal hingestellt, und das auch noch von den Chinesen!
Das Karl-Marx-Denkmal von Neubrandenburg liegt auf einem Hubwagen.
Das 2,20 Meter hohe Denkmal soll jetzt in eine Kunstsammlung.© picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck

Von einem Versteck ins nächste

Nun entschied Neubrandenburgs Oberbürgermeister sichtlich entnervt: Raus mit dem Marx von einem Versteck ins nächste. So sagt er es natürlich nicht, sondern: "Um das Marx-Denkmal öffentlich zu präsentieren und zugleich die Frage nach der Art der Präsentation zu beenden", empfehle er "die dauerhafte Ausstellung in der Kunstsammlung".
Dort wird ein flachgelegter, schwebender Bronze-Marx sicher gleich mit anderen Augen gesehen. Aber auch von ziemlich wenigen.
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