Marienwallfahrtsort Covadonga

Katholisch, fromm und national

Ein beliebter Marien-Wallfahrtsort in Spanien und eine Station am Jakobsweg ist Covadonga im Nationalpark Picos de Europa in Asturien.
Marien-Wallfahrtsort in Spanien im Nationalpark Picos de Europa in Asturien. © dpa-Zentralbild
Von Brigitte Kramer · 07.05.2017
Die Mariengrotte von Covadonga in Nordspanien ist ein Ziel für viele fromme Pilger. Aber es geht dort nicht nur um Religion: Denn mit Covadonga verbindet sich der Marienkult mit einer nationalistisch gefärbten Erinnerung an Franco-Diktatur und Reconquista, also die Verdrängung der Muslime aus Spanien.
Erzbischof Jesús Sanz: "Covandonga ist ein wunderschöner Ort. Und er hat mit der jahrhundertealten Geschichte unseres Volkes zu tun. Hier begann die Reconquista, die Verteidigung unserer ureigenen, christlichen Lebensvorstellung. Und dann ist der Ort auch ein Ort des Glaubens. Covadonga ist ein Symbol, ein Emblem, eine Flagge, die für Natur, Geschichte und Religion steht."
Die Einheit von Glaube und Geschichte, die der spanische Erzbischof Jesús Sanz beschwört, findet in Covadonga ihr Symbol. Der Pilgerort liegt in Asturien, im grünen Norden Spaniens, am Golf von Biskaya. Covadonga liegt in den Bergen, umgeben von Laubbäumen und Felswänden. Eine Basilika steht hier, ein Kloster, eine Internatsschule, eine kleine Bar. Covadonga wird als Marienort verehrt. Die Figur der Gottesmutter steht geschützt in einer Grotte. Sie trägt einen roten Samtmantel und ist von frischen Blumen umgeben. Einmal im Jahr, am 8. September, feiert Asturien diesen Ort.
Alicia: "Wenn die Leute an Asturien denken, dann denken sie an Covadonga. Das gefällt mir, Covadonga, hier zur Messe gehen ... Mindestens einmal im Leben sollte man das gemacht haben, finde ich, das ist wirklich etwas Besonderes."
Francisco: "Meine Frau und ich kommen jedes Jahr. Mir gefällt die Feier, es ist der Festtag Asturiens. Covadonga war für uns immer sehr wichtig."
Maria: "Ich bin aus Oviedo gekommen, der Hauptstadt von Asturien. Ich bin katholisch-apostolisch und besuche unsere Jungfrau, so oft ist kann. Sie ist immerhin unsere Schutzpatronin. Für mich ist sie sehr wichtig."

Heimat untrennbar mit Glauben verbunden

Alicia, ein 15-jähriges Mädchen, der Rentner Francisco, und Maria, eine sehbehinderte, ältere Frau: Sie alle stammen aus Asturien, für alle drei ist ihre Heimat untrennbar mit ihrem Glauben verbunden.
Covadonga ist auch für eine Schlacht bekannt. Im Jahr 722 sollen hier die christlichen Westgoten die muslimischen Eroberer zurückgedrängt haben. Vom Held dieses Sieges, Don Pelayo, gibt es in Covadonga eine Statue. Muskulös steht er da, überlebensgroß, auf dem Vorplatz der großen Basilika.
Die legendäre Schlacht gilt als Anfang der christlichen Rückeroberung Spaniens. Die Reconquista begann im Norden und endete im Süden, zuletzt fiel Granada, im Jahr 1492. Fast 800 Jahre lebten in Spanien Christen und Moslems nebeneinander. Trotzdem gilt das Land als tief katholisch. Das muslimische Erbe wurde verleugnet.
Jahrhundertelang, bis in die Zeit der Diktatur Francos hieß es, nur ein katholischer Spanier sei ein guter Spanier. Diese in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer vorherrschende Meinung stört viele Spanier. Sie fordern endlich die konsequente Umsetzung der Trennung von Kirche und Staat, wie sie seit 1978 in der Verfassung festlegt ist. Und sie fordern ein Ende der Privilegien, die die katholische Kirche noch immer genießt. Ein Abkommen aus dem Jahr 1979 zwischen Regierung und Vatikan garantiert ihr bis heute eine Vorzugsbehandlung bei der Steuerpolitik oder im Erziehungssystem. Das ist auch im großen Einfluss der spanischen Kirche auf die Politik spürbar, wenn es um Abtreibung oder Homo-Ehe geht zum Beispiel.

Die Franco-Diktatur war nationalkatholisch

Ein Kritiker ist Carlos García de Andoin. Der Politologe und Theologe arbeitet für die Kirche und ist dabei doch sehr kritisch.
"Schon im 15. Jahrhundert haben die katholischen Könige ihre Vorstellung vom katholischen Glauben dazu benutzt, Spanien zu konstruieren. Die Religion hat fünf Jahrhunderte lang eine sehr wichtige Rolle gespielt beim Aufbau einer nationalen Identität. Dabei war sie auch immer stark umstritten. Letztlich wirkt sie bis heute als Bremse beim Kampf um mehr bürgerliche Rechte und mehr Freiheit."
Der verstorbene spanische Diktator Francisco Franco am 09.09.1962 auf der Yacht "Azor" anlässlich eines Rennens von Fischerbooten in der La-Concha-Bucht von San Sebastian in Nordspanien.
Der verstorbene spanische Diktator Francisco Franco am 09.09.1962 auf der Yacht "Azor" anlässlich eines Rennens von Fischerbooten in der La-Concha-Bucht von San Sebastian in Nordspanien.© picture alliance / dpa/ EFE
Besonders deutlich spürten das die Spanier unter der fast vierzigjährigen Herrschaft von Francisco Franco. Seine Diktatur war nationalkatholisch, 1953 hatte Franco ein Konkordat mit dem Vatikan unterzeichnet.
Carlos García de Andoin: "Asturien hat in dieser Legende, die die Bildung der spanischen Nation im 19. und 20. Jahrhundert legitimieren sollte, eine wichtige Rolle gespielt, ganz sicher. In Francos Schulbüchern wurde dieser Feiertag besonders hervorgehoben."
Bei der Deutung der historischen Ereignisse wurde also einiger Missbrauch betrieben. Covadonga, das Herz des christlichen Spaniens, der Ort, an dem vor mehr als tausend Jahren Spaniens Identität geprägt wurde.
Zur Messe am 8. September kommen nicht nur Folkloregruppen und Pilger. Die ersten Reihen in der Basilika sind für Würdenträger der Kirche, für Politiker und Angehörige der Guardia Civil reserviert. Die paramilitärische Polizeieinheit erinnert viele bis heute an die Diktatur. Auch während der Prozession von der Basilika zur Grotte wird die Rangordnung eingehalten. Sie symbolisiert für viele bis heute die Einheit von Staatsmacht und Kirche.
Carlos García de Andoin: "Ehrlich gesagt, dass in einer Prozession erst der Heilige, dann der Bischof und dann der Präsident kommt, das wirkt schon sehr rückständig. Die Machthaber sollten mehr Respekt anderen Religionen gegenüber zeigen. Wenn der Ramadan endet und die muslimische Gemeinde dazu einlädt, dann sollte ein Bürgermeister auch dort hingehen!"

"Für mich hat Religion nichts mit Politik zu tun"

Auch viele Pilger sind kritisch. Sie beklagen die Stagnation im Land, und sie leiden unter den Folgen der Krise, die drastische Kürzungen bei den Sozialleistungen gebracht hat. Die Armut wächst, die Arbeitslosigkeit ist noch immer sehr hoch, viele junge Spanier haben keine Perspektive. Amable verbringt die Zeit der Messe außerhalb der Kirche, in der Bar. Während die Worte des Erzbischofs per Lautsprecher übertragen werden, spricht sie aus, was viele denken:
"Das heute ist eher für die Wichtigen, die Leute mit Macht, Minister, Stadträte ... die kommen nur heute, sonst nie. Für mich hat Religion nichts mit Politik zu tun. Ein paar von denen sind vielleicht gläubig, schon möglich, aber die Minister und so sicher nicht. Sonst hätten wir nicht die Regierung, die wir haben und würden für unser Land nicht so leiden."
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