Mariana Leky: "Was man von hier aus sehen kann"

Vor dem Tod und vor der Liebe

Trauergesellschaft an seinem Sarg / Buchcover
Trauergesellschaft an seinem Sarg / Buchcover © Imago / epd / Buchcover Dumont
Von Manuela Reichart · 17.07.2017
Einer alten Frau erscheint in der Nacht ein Okapi. Es ist ein Zeichen: Sie träumt regelmäßig den Tod voraus - allerdings sieht sie dabei nicht, wer sterben wird. Mariana Leky erzählt in ihrem Roman vom Le­ben, Lieben und Sterben auf dem Land.
Eine Dorfgemeinschaft im Westerwald voll ungewöhnlicher Bewohner: Die kluge, in die Zukunft träumende Großmutter der Ich-Erzählerin hat eine ausgeprägte Leidenschaft für alkoholgesättigte Pralinen und großes Mitgefühl für andere Menschen. Sie wohnt in einem alten Haus mit baufälligem Boden, das einst ihr verstorbener Mann gebaut hatte. Ihr Sohn ist Arzt und will endlich in die Welt, die Schwiegertochter braucht schon zu lange, um aus dem gemeinsamen Leben auszubrechen, und der Freund traut sich seit Jahrzehnten nicht, der alten Selma seine Liebe zu gestehen, obwohl es doch sowieso alle wissen.
Dieser alte Freund ist Optiker und trägt in seinem Ein-Mann-Laden gerne die Plakette "Mitarbeiter des Monats". Außerdem kommen vor: ein gewalttätiger Mann, der seinen Sohn durch einen tragischen Unfall verliert, in dessen Folge er zum guten wird, eine Frau, die nicht ganz bei Trost ist, ein uralter Hund, ein Mann mit wunderschönen blauen Augen, der in Japan als Buddhist lebt, aber aus Hessen stammt und ein Bauer, der sich über Selmas Traum wirklich freut, denn er ist uralt und "der festen Überzeugung, dass der Tod höflich sein würde, so wie Bauer Häubel selbst es sein Leben lang war. Er war sicher, dass der Tod ihm das Leben nicht entreißen, sondern behutsam aus der Hand nehmen würde."

Es gibt den Beweis für die wahre Liebe

Mariana Leky führt ihren skurril-eigensinnigen Personenreigen gekonnt und voller Empathie durch eine verwickelte Geschichte, die virtuos zwischen den Zeiten springt und von nichts weniger erzählt als dem Leben, der Liebe und dem Tod.
Immer hatte der Okapitraum einen Todesfall nach sich gezogen. Deswegen wollen "die eigentlich unabergläubischen Leute im Dorf" alles tun, um von sich abzulenken. Wie sie das machen, warum es schade ist, "dass die Zeit schneller vergeht, je älter man wird", und warum man sich die Abenteuer, für die man gemacht ist, nicht immer aussuchen kann, darum geht es in diesem lebenssatten, sympathischen und gekonnt erzählten Roman, an dessen Ende sich die wahre Liebe darin beweist, dass ein weit gereister Mann warten kann.

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann
Dumont Verlag, Köln 2017, 320 Seiten, 20 Euro