"Man wohnt wieder gerne zu Hause"

Moderation: André Hatting · 14.01.2013
Früher wurde "die gute Stube" nur Sonntags betreten, heute "teilt man auch die Wohnung gern mit Freunden", ist der Designberater Peter Zec überzeugt. Das bedeute: "Man versucht, das Zuhause sehr ansprechend einzurichten, es kommunikativ zu gestalten."
André Hatting: In Köln beginnt heute die größte Möbelmesse der Welt. Über 1000 Unternehmen aus 50 Ländern präsentieren auf der "imm cologne" bis zum 20. Januar ihre Neuheiten. Zwei Drittel der Aussteller kommen aus dem Ausland, und das ist für uns Anlass, mit einem der wichtigsten Design-Berater Deutschlands über die Trends hierzulande zu sprechen, mit Peter Zec nämlich. Er war Professor für Wirtschaftskommunikation in Berlin, hat das in Karlsruhe entstandene Zentrum für Kunst und Medientechnologie mit geplant und er ist Initiator des red dot Design awards. Das ist ein international renommierter Wettbewerb. Guten Morgen, Herr Zec!

Peter Zec: Guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Deutsches Elektrodesign oder Automodelle made in Germany sind international bekannt und geschätzt. Beim deutschen Möbeldesign fallen mir zwar ein paar Klassiker ein wie der Thonet-Stuhl oder der Freischwinger von Marcel Breuer. Die sind aber alle schon ziemlich alt. Warum hört man so wenig von aktuellen deutschen Möbel-Designern?

Zec: Da würde ich Ihnen gerne widersprechen wollen. Wir haben beispielsweise in Deutschland den Hersteller Walter Knoll oder den Hersteller Kohr. Das sind beides Marken, die durchaus international großes Ansehen genießen. Und wir haben Designer wie Werner Aisslinger oder Konstantin Grcic und Stefan Diez, das sind jüngere Designer. Nun gut, jünger: Konstantin Grcic geht auf die 50 zu. Aber es sind immerhin Leute, die durchaus Vorbilder für internationale Designer sind.

Hatting: Trotzdem stehen in den meisten deutschen Wohnzimmern das Billyregal und anderes Equipment, made by Ikea, und eben nicht die von Ihnen genannten Designer. Woran liegt das?

Zec: Ja, das liegt natürlich daran: auch die beiden Unternehmen, von denen ich gesprochen habe, die sind natürlich sehr hochpreisig, weil sie eben auch eine hohe Qualität bieten. Wir können sehr viel günstigere Möbel von italienischen Herstellern kaufen, die haben aber auch nicht diese Haltbarkeit wie deutsche qualitativ hochwertige Möbel. Und natürlich: Wenn man in ein bestimmtes Preissegment kommt, dann ist es natürlich nicht mehr für die breite Masse so ohne weiteres zugänglich.

Hatting: Ist der Grund dafür, dass Design oft sehr teuer ist, wirklich nur die Qualität?

Zec: In unserem Fall in Deutschland würde ich schon sagen: ja. Ich habe vor vielen Jahren mal Analysen auch mit dem Fernsehen zusammen gerade auf der Kölner Messe gemacht, und da haben wir festgestellt, dass die deutsche Qualität und die Präzision in der Verarbeitung und so weiter, dass die sehr viel aufwendiger ist, als oftmals das bei Produkten aus dem Ausland der Fall ist.

Hatting: Jetzt habe ich Ikea schon angesprochen. Es hat den Eindruck, dass im Augenblick das skandinavische Design zumindest bei der Mehrheit der Deutschen dominiert. Finden Sie, dass das eine Demokratisierung von Design ist, oder seine Zerstörung, weil es so stark auf den Massengeschmack zielt?

Zec: Ich denke, ein Unternehmen wie Ikea hat doch auch einiges Positives bewirkt, und zwar haben wir unsere Wohnkultur in Deutschland doch sehr stark verändert. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, da gab es das klassische Sofa mit den zwei Sesseln und dem Tisch in der Mitte und dann den Wohnzimmerschrank, und heutzutage richten sich Menschen doch viel, viel interessanter ein, man kombiniert Dinge miteinander.

Und Ikea ist ja ein Unternehmen, was durchaus in der Lage ist, Entwicklungen und Trends aufzugreifen und sie dann runterzubrechen auf ein Niveau, das für viele erschwinglich ist. Also ich sehe darin durchaus auch eine positive Tendenz.

Hatting: Kommen wir mal zu den aktuellen Möbeltrends. Wie sehen die aus?

Zec: Ja. Man wohnt wieder gerne zuhause, man lädt Freunde ein. Das bedeutet also: Man versucht, das Zuhause sehr ansprechend einzurichten, es kommunikativ zu gestalten, das heißt also Sitzecken so anzuordnen, dass man sich gerne darin aufhält.

Hatting: Entschuldigen Sie! Das klingt fast so, als hätte man früher die Sitzecken so gestaltet, dass man sich nicht gerne darin aufgehalten hat.

Zec: Na ja. Sie kennen das doch: Das alte Wohnzimmer wurde oftmals nur an Sonntagen betreten und es wurde auch schlecht geheizt. Also insofern hat man sich früher in der guten Küche aufgehalten, und das ist eben heute anders. Heute ist Wohnen sozusagen ein ganzheitlicher Prozess und man teilt auch die Wohnung gerne mit Freunden, man lädt sie zum Kochen nach Hause ein und verbringt ganze Abende zuhause. Das war früher in dieser Form sicherlich nicht so und von daher spielt das Zuhause und die Einrichtung auch eine sehr viel größere Rolle, als das, sagen wir mal, vor 20 Jahren noch der Fall war.

Hatting: Gilt eigentlich bei Möbeln immer noch das gute alte "form follows function", also die Form gehorcht der Funktion?

Zec: Nein! Beim Möbel-Design ist das sicher nicht der Fall, denn "form follows function" ist sicherlich überall dort, wo es um technische Geräte geht, sehr sinnvoll. Aber im Möbel-Design kommt es doch oft auch auf ästhetische Ansprüche an und da geht es einfach so darum, immer wieder das Neue auszuprobieren und sozusagen auch ab und zu mal zu provozieren. Da würde ich also nicht sagen, dass man strikt "form follows function" befolgt, außer in der alten deutschen Zeit, als noch Dieter Rams Möbel gestaltet hat, der ehemalige Braun-Designer. Die folgten schon noch dieser Tendenz, aber heutzutage ist das nicht mehr der Fall.

Hatting: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit? Gibt es so etwas wie grünes Design, das an Bedeutung gewinnt?

Zec: Da sind wir Deutschen ja, sage ich mal, richtig führend nach wie vor. Wir haben ja hier doch eine sehr intensive grüne Bewegung schon seit vielen Jahrzehnten, und das beeinflusst natürlich auch die Designer. Beispielsweise Werner Aisslinger ist einer von den Designern, die immer wieder auch neue Materialien ausprobieren und versuchen, sehr nachhaltig zu gestalten. Wichtig ist natürlich für den Designer immer, dass die Industrie auch mitspielt, und wenn Sie an einen Hersteller wie zum Beispiel Wilkahn denken, der hat ja schon vor, ich denke mal, 20 Jahren damit angefangen, ein sehr starkes Ökologiebewusstsein zu entwickeln.

Hatting: Der international renommierte Designberater Peter Zec, mit ihm habe ich über aktuelle Trends gesprochen. Heute beginnt in Köln die größte Möbelmesse der Welt. Ich danke Ihnen, Herr Zec.

Zec: Ja ich danke Ihnen auch.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.