"Man macht genau den gleichen Fehler wie damals"

Moderation: Joachim Scholl · 27.09.2010
Andreas Graf von Bernstorff ist Teileigentümer des Salzstockes von Gorleben. Er ist entsetzt darüber, dass die Bundesregierung in das neue Atomgesetz auch Enteignungen aufnehmen will. Das sei Politik mit der Brechstange und habe schon einmal nicht funktioniert.
Joachim Scholl: Nun also doch Gorleben. Die Bundesregierung will dort Atommüll endlagern, jetzt soll die jahrelang unterbrochene Erkundung des dortigen Salzstocks wieder aufgenommen werden. Morgen will das Kabinett darüber beschließen, auch Enteignungen der bisherigen Besitzer sind vorgesehen. Die Atomkraftgegner versprechen nun einen heißen Herbst. Und im Wendland ist man besonders geübt im Protest, vor 30 Jahren ging es los.

Und ich bin jetzt verbunden mit Andreas Graf von Bernstorff, ihm gehört ein großer Teil des Salzstocks in Gorleben – noch. Guten Tag, Herr von Bernstorff!

Andreas Graf von Bernstorff: Ja, guten Tag!

Scholl: Was machen Sie denn, wenn der Brief von der Behörde kommt und Beamte Ihren Salzstock besetzen?

von Bernstorff: Ich gehe mal davon aus, dass das so schnell nicht passiert, erst mal muss ja diese Enteignung überhaupt durchgesetzt werden. Und da werden wir natürlich unsere Möglichkeiten wahrnehmen, das zu verhindern. Denn das ist ja schon mal gemacht worden, also dieser Enteignungsparagraf im Atomgesetz aufgenommen worden. Und trotzdem hat die Enteignung nicht stattgefunden.

Ich bin nur entsetzt darüber, dass man jetzt zu den gleichen Mitteln wie schon vor 15 Jahren greift, weil: Es hat sich ja herausgestellt, dass dieses Vorgehen überhaupt nicht erfolgreich ist, für beide Seiten nicht. Und ich hab da überhaupt gar kein Verständnis dafür, dass man jetzt dieses Instrumentarium, wieder genau das Gleiche macht wie damals. Wir leben in einer anderen Zeit und wir müssen einfach mit diesen Dingen anders umgehen, das müsste eigentlich die Regierung auch einsehen.

Scholl: Als die Experten sich 1976 für den Standort Gorleben ausgesprochen haben, fand man es damals ganz vorteilhaft, dass die Fläche des geplanten Endlagers im Wesentlichen nur einem Besitzer gehörte, nämlich Ihnen. Sie waren von Adel, ein Schlossbesitzer, sogar CDU-Mitglied. Warum haben Sie damals eigentlich nicht verkauft?

von Bernstorff: Ja, warum habe ich damals nicht verkauft? Weil ich das ganze Vorhaben überhaupt nicht akzeptieren konnte. Gut, das waren damals sicher auch Gründe hier, wir leben in einer wunderschönen Landschaft, das wäre die größte Industrieanlage Europas geworden, es hätte sich also alles total verändert. Ich hab mich am Anfang ja noch gar nicht mit Atomenergie befasst.

Scholl: Hat Ihnen der damalige niedersächsische Ministerpräsident Albrecht so als CDU-Parteifreund nicht ins Gewissen geredet, jetzt kommen Sie mal, Herr von Bernstorff?

von Bernstorff: Na ja, er hat mir damals gesagt, er hätte Verständnis dafür, dass ich das nicht gut finde, aber in zwei Jahren hätte man das sowieso alles vergessen, da würde es genauso gehen wie an den Kernkraftstandorten, dann hätten sich die Menschen damit abgefunden. Nun hat ja die Geschichte gezeigt, dass es ganz anders gelaufen ist, und auch nach 30 Jahren wird das nicht so ablaufen, wie sich die Regierung das wünscht.

Scholl: Wie wurden Sie eigentlich, Herr von Bernstorff, solch ein entschiedener Anti-Atom-Streiter?

von Bernstorff: Ob man mich jetzt als entschiedener Anti-Atom-Streiter bezeichnen kann, möchte ich noch mal ein bisschen infrage stellen. Also es ging ja hier immer um das Endlager, und nicht um die Atomenergie im Allgemeinen. Und natürlich befasst man sich notwendigerweise mit der Atomenergie, wenn man hier zum Streiter gegen das Endlager wird. Aber ich habe meine Funktion eigentlich auch immer darin gesehen, ich habe diesen Grundbesitz, bei mir soll dieses Ding gebaut werden oder dieses Erkundungsbergwerk, und welche Verantwortung habe ich eigentlich für meinen Grundbesitz? Und ich hab das immer von daher gesehen.

Und die Möglichkeiten, die ich habe mit dem Besitz, bestehen ja darin zu hinterfragen, ob so ein Vorhaben im öffentlichen Interesse ist, weil ich eben andere Rechte habe als andere, eben Eigentumsrechte und dann noch sehr umfangreiche in diesem Fall, und diese Position habe ich halt genutzt. Und ich glaube, das hat man mir mit der Zeit abgenommen, das nehmen mir sogar die Gegner heute auch noch ab. Die, die das wollen, dass da ein Endlager entsteht, die haben, glaube ich, Respekt vor dieser Haltung.

Scholl: Wie haben Sie eigentlich diese Blockade, wenn man so will, über die Jahrzehnte durchgehalten? Das dürfte ja auch ein juristischer Marathonlauf gewesen sein, oder nicht?

von Bernstorff: Ja, es gab ja immer wieder ruhige Phasen, wir hatten, wir haben jetzt ja zehn Jahre hinter uns, wo es dieses Moratorium gab, was nach Meinung der jetzigen Regierung nicht genutzt wurde. Das sehe ich anders, ich habe mich da auch immer beteiligt in Form von Hearings, Symposien, Veranstaltungen hier, Gesprächen mit Ministern und so weiter. Ich bin natürlich doch immer involviert in diese Prozesse. Und es ist natürlich für mich eine große Herausforderung.

Aber erst mal steht meine Familie hinter mir, mein älterer Sohn – der ist inzwischen Eigentümer –, und meine Kinder sind also genau so wie meine Frau da absolut der gleichen Meinung, um nicht zu sagen noch entschiedener. Und es gibt ja hier eine riesige Gruppe von Menschen – ich würde sagen, das ist die Mehrheit hier im Landkreis –, die nicht wollen, dass das hier passiert, und vor allem nicht so, wie es gemacht wird.

Scholl: Ich meine, man hat ja schon eine Art von historischem Déjà-vu-Gefühl, wenn man sich nun jetzt auch diese neuen Proteste anschaut. Zehn Jahre, Sie sagten es gerade, war jetzt relative Ruhe in Sachen Erkundung des Salzstocks. – Wie geht es Ihnen denn damit, dass das nun ja alles wieder von vorn losgeht?

von Bernstorff: Ja, das finde ich wirklich furchtbar, weil ich denke, man macht genau den gleichen Fehler wie damals: Man versucht das jetzt, mit der Brechstange durchzusetzen, und das sind ja Probleme, mit denen wir uns hier befassen, die für Millionen Jahre gelöst werden müssen, also ich sag mal, 30.000 Generationen sind. das. Und meine feste Meinung ist, dass es da einen parteiübergreifenden Konsens gibt, dass eine Regierung das für sich gar nicht entscheiden kann, oder dass jede Regierung sich bemühen muss, da einen Konsens herzustellen.

Und diese Bemühung ist überhaupt nicht zu bemerken, man macht also jetzt hier mit der Brechstange, versucht man das durchzusetzen, die Enteignungsparagrafen wieder aufzunehmen, im Atomgesetz gleichzeitig die Laufzeitverlängerung zu beschließen, ohne dass da ein Dialog stattfindet.

Und wir glauben auch nicht daran, dass das hier ergebnisoffen ist, wie der Umweltminister behauptet, das kann nur ergebnisoffen sein, wenn man Vergleiche hat. So wie hier gearbeitet wird – man erkundet den Salzstock und sagt, so sind die Bedingungen, und dann machen wir eben das Containment, und das, was wir vorfinden, damit finden wir uns ab, und dann kriegen wir das schon irgendwie hin, dass wir den Atommüll da endlagern.

Scholl: Der zweite größere Eigentümer, Herr von Bernstorff, des Salzstockgeländes, ist die evangelische Kirche. Die hat auch Widerstand angekündigt. Sprechen Sie sich da eigentlich ab?

von Bernstorff: Ja natürlich. Ich bin also sehr froh, dass die Kirche da so eine eindeutige Position bezieht, die auch der Meinung ist, dass das überhaupt nicht verantwortet werden kann, wie das hier abläuft, und da finden Absprachen statt. Natürlich ist die Position der Kirche wieder eine andere als meine, die Kirche spricht ja jetzt für sozusagen alle Mitglieder der evangelischen Kirche, während ich natürlich jetzt zunächst mal für meinen Grundbesitz eintrete.

Scholl: Sie haben auf Ihrem Gelände sogar mal eine Treibjagd veranstaltet, um einen Castortransport zu stören. Im November steht der nächste Transport an. Machen Sie da wieder mobil?

von Bernstorff: Na ja, ob ich da eine Treibjagd mache, weiß ich nicht. Also damals war es ja so, dass ich gesagt habe, ich muss ja das Recht haben, das Wild, wenn es bejagt werden muss, dann machen wir eben eine Treibjagd, und das war also ganz kurz, bevor der Castor kam. Und es wurde auch tatsächlich ein Wildschwein geschossen, haben wir die Strecke auf der, die, also das Wildschwein haben wir dann auch noch verblasen auf der Strecke, wo der Castor dann kurz danach ...

Scholl: ... verblasen? ...

von Bernstorff: ... Verblasen, ja das nennt man immer so, wenn man, nach einer Jagd wird das Wild, wird das über die Strecke gelegt, und dann wird zu Ehren des Wildes, werden Signale geblasen.

Scholl: Protest und Widerstand in Gorleben. Das war Andreas Graf von Bernstorff, ihm gehört zum großen Teil der Salzstock in Gorleben, der nach Willen der Bundesregierung als Atommüllendlager erkundet werden soll. Herr von Bernstorff, ich danke Ihnen für das Gespräch!