Mallory: USA wollen "neutraler Vermittler" in Nahost sein

Charles King Mallory IV. im Gespräch mit Nana Brink · 21.11.2012
Keine direkten Kontakte zur Hamas und ein kühles Verhältnis zu Israels Premier Netanjahu: US-Präsident Obama hat kaum Einfluss auf den aktuellen Konflikt im Nahen Osten, sagt Charles King Mallory IV. vom Berliner Aspen-Institut. Hier gebe es noch viel Nachholbedarf.
Nana Brink: Der Konflikt im Gazastreifen, die israelische Offensive und die Raketen der Hamas, all dieser Konflikt geht ja nun in den achten Tag heute, und man hat vergeblich auf eine Waffenruhe letzte Nacht gewartet. Das alles ist sicherlich nicht die Begleitmusik, die sich Amerikas neu gewählter Präsident Barack Obama auf seiner ersten Auslandsreise gewünscht hat – und sie führte ihn ja bekanntermaßen nach Asien, eine Region, die die Obama-Administration schon seit Längerem verstärkt im Auge hat, doch der Nahostkonflikt, wie gesagt, reist auch da immer wieder mit. Und die Frage bleibt: Was kann ein amerikanischer Präsident dort wirklich erreichen? Die Frage möchte ich jetzt erörtern mit Charles King Mallory IV., er leitet das Aspen-Institut in Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Mallory!

Charles King Mallory IV.: Guten Morgen!

Brink: Wie viel Einfluss haben die USA derzeit auf die israelische Politik?

Mallory: Na ja, bekanntlicherweise ist die Beziehung zwischen Herrn Netanjahu und Herrn Obama nicht das Allerbeste, und insofern würde ich sagen, gibt es da noch einige Arbeit zu tun, um es zu verbessern und den Einfluss zu erhöhen. Allerdings ist das größte Problem die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten keine Direktkontakte mit Hamas haben.

Brink: Sondern sie müssen das über Ägypten laufen lassen, dazu würde ich gleich gerne kommen. Ich würde noch ein bisschen auf der amerikanisch-israelischen Seite bleiben wollen. Es war ja auch auffällig, dass die Außenministerin Hillary Clinton gestern ja auch sich um eine Waffenruhe bemüht hat, und sie hat sehr abgewogene Worte gewählt. Sie hat nämlich gesagt, es muss eine Lösung für beide Seiten geben. Das heißt, hört man da auch so etwas wie Kritik an der israelischen Position heraus?

Mallory: Na ja, die Amerikaner versuchen, die Position eines neutralen Vermittlers zu erreichen. Das Problem, wenn man diese Äußerung sich ganz genau anguckt, besteht darin, dass die Forderungen der zwei Seiten relativ widersprüchlich sind. Mit anderen Worten: Hamas fühlt sich im Moment bekräftigt und beflügelt, hat eine ägyptische Regierung, die sie sympathischer findet, und forderte – mindestens gestern Abend – immer noch eine Aufhebung der Blockade vom Gazastreifen als sozusagen Zugeständnis für eine Waffenruhe. Und das wird es bestimmt nicht geben.

Brink: Was kann denn eine amerikanische Regierung dann überhaupt anderes tun außer da sein oder telefonieren?

Mallory: Na ja, im Endeffekt geht es darum, dass man über den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Einfluss nehmen kann. Die Vereinigten Staaten haben gestern eine Erklärung blockiert, zu Missgunsten Russlands, die sich vielleicht dann überlegen sollten, wie sie sich in Fragen Irans benehmen mit den chinesischen Kollegen. Und es ist immer in solchen Konflikten ein Rennen, so viele Fakten wie möglich auf den Boden zu schaffen, bevor die internationale Gemeinde die Entschlossenheit findet, im Sicherheitsrat der UNO Schritte zu entschließen.

Brink: Wie gesagt, die Waffenruhe, an dieser Waffenruhe wird ja noch gearbeitet. Wenn wir jetzt von der anderen Seite auf diesen Konflikt schauen, die Ägypter bieten sich auch wegen ihrer Kontakte zur Hamas, die die Amerikaner ja nicht direkt haben, gerade als Vermittler an. Auch sie, also die Ägypter, beziehen Milliarden amerikanischer Gelder, 1,3 Milliarden Militärhilfe. Mündet das auch in amerikanischen Einfluss?

Mallory: Ich befürchte nein. Erstens muss man sagen, dass diese Hilfemittel in einem Vertrag ratifiziert wurden, als man den Frieden beschlossen hat 1979. Also das ist ein Bestandteil einer gegebenen Struktur, die dafür sorgt, dass es Frieden zwischen Israel und Ägypten gibt. Und so viel man in der Öffentlichkeit darüber auftreten mag, kann man wirklich nicht daran schrauben.

Ägypten will seinen Einfluss in der arabischen Welt wiederherstellen, den hat es im Wesentlichen verloren unter Mubarak, weil er als Marionette von den Vereinigten Staaten betrachtet wurde. Und um diesen Einfluss zu erreichen, muss Ägypten mehr Abstand zu Amerika nehmen, und das heißt für Amerika weniger Einfluss über Ägypten.

Brink: Hat man denn in Amerika den Nahostkonflikt zu lange ignoriert? Das wirft man ja auch gerade der Obama-Regierung in den letzten vier Jahren vor, dass sie es versäumt haben, auf die gemäßigten Palästinenser Einfluss zu nehmen.

Mallory: Na ja, Obama hatte einen Start ... in den ersten zwei Jahren seiner Administration ist er sehr schnell mit der palästinensische Frage angefangen, aber es ist eigentlich alles in dem Sand verlaufen, weil die falsche Strategie von Anfang an gewählt hat, indem er versuchte, massiv Druck auf Israel auszuüben wegen der Siedlungspolitik. Sein Bote, Herr Mitchell, hat nach ein paar Jahren alles aufgegeben, und dann kam in der Tat eine lange stille Periode in amerikanischen Tätigkeiten in dieser Hinsicht, die aber, glaube ich, eher damit zu tun hat, dass die Ausgangspositionen nicht sehr gut waren.

Brink: Sie haben von einem Boten gesprochen, den wünschte man sich ja jetzt auch wieder, einen amerikanischen Boten, der vielleicht Frieden stiften kann, und viele blicken da ganz gespannt auf Bill Clinton. Es war ja sein Ehrgeiz, einen Kompromiss zu finden in seiner zweiten Amtszeit, eine Art zweites Camp David, das ist ihm nicht gelungen. Soll der Präsident Bill Clinton in die Region schicken?

Mallory: Ja, das Problem mit Bill Clinton ist, dass die Bedingungen ganz andere waren als damals die Gespräche stattgefunden haben. Man hatte einen israelischen Verhandlungspartner, der sich nicht auf eine sehr dünne und labile Koalition von Extremisten verlassen musste. Man hatte einen einheitlichen Verhandlungspartner in Fatah, jetzt gibt es zwei Partner, mit denen man überhaupt nicht direkt reden kann. Selbst wenn man den Herrn Clinton sozusagen in das Gefecht schicken würde, ist die Situation einfach viel schwieriger als damals.

Brink: Charles King Mallory IV., er leitet das Aspen-Institut in Berlin. Herr Mallory, schönen Dank für das Gespräch!

Mallory: Gerne geschehen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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