Malerei auf Bildern

Ein Caravaggiomuseum ganz ohne Caravaggio

Das toskanische Küstenstädtchen Porto Ercole
Das toskanische Küstenstädtchen Porto Ercole © imago / Gerhard Buthmann
Von Thomas Migge · 20.05.2018
Ein tragischer Tod, viel Geld und große Hoffnungen - das ist der Stoff, aus dem in der Toskana ein Haus gebaut wird: das neue Caravaggio-Museum in Porto Ercole. Das kleine Städtchen will profitieren vom Ruhm des Malers, also baut es ein Museum. Doch das Entscheidende fehlt.
In seinem Film "Caravaggio" von 1986 läßt der britische Regisseur Derek Jarman den frühbarocken Malerstar an Malaria sterben. Das war im Jahr 1610. Und zwar in der toskanischen Hafenstadt Porto Ercole.
Filme und Theaterstücke, Sachbücher und Krimis: Wer über Caravaggio spricht und schreibt kommt immer auch auf Porto Ercole zu sprechen. Das Städtchen mit heute rund 20.000 Bürgern profitiert aber nicht vom Ruhm des Malers, der dort sein Leben aushauchte.

Zunächst steckte man viel Hoffnung in ein paar Knochen

Seit Jahren sucht Bürgermeister Arturo Cerulli deshalb nach Möglichkeiten, doch vom Ruhm des Verstorbenen zu profitieren und Touristen anzulocken. So versuchte es Cerulli im Juli 2014 mit ein paar Knochen. Mit einer feierlichen Zeremonie wurden einige vermeintlich originale leibliche Überreste Caravaggios in einem von dem Bildhauer Giuseppe Conte geschaffenen Sarkophag beigesetzt, in einem extra dafür geschaffenen "Caravaggio-Park". Doch die erhofften Touristen blieben aus. Deshalb hatte Bürgermeister Cerulli die Idee, ein Museum für den Malermeister zu schaffen: "Das soll der entscheidende Schritt zur kulturellen Aufwertung von Porto Ercole werden. Wir wollen das 17. Jahrhundert wiederentdecken und Kunst bieten. Caravaggio ist unsere große Chance, und hier kann man bald sein Werk besichtigen." Und zwar in einem nagelneuen Caravaggiomuseum, das in einem bereits bestehenden Gebäude eingerichtet wird.
Ende des Jahres soll das Museum fertig sein. Die Kosten sind für die Kleinstadt Porto Ercole nicht unerheblich: zwischen 1,25 und 1,5 Millionen Euro aus Steuergeldern macht das Rathaus locker. Das sind rund fünf Prozent des Jahresgesamtbudgets. Die Supervision des neuen Caravaggio-Museums liegt in den Händen von Claudio Strinati, dem Doyen der italienischen Caravaggioexperten: "Caravaggio ist wahrscheinlich einer der berühmtesten Künstler überhaupt. Und man verbindet mit ihm immer die Idee eines Revolutionärs. Schon zu seiner Zeit dachte man so. Der Hell-Dunkel-Effekt seiner Bilder revolutionierte die Darstellungsweisen in der Malerei. Das wird auch deutlich, wenn man sich Reproduktionen der Werke des Malers anschaut." - Reproduktionen, wie sie die zukünftigen Besucher des Caravaggio-Museums in Porto Ercole zu sehen bekommen werden.

Mit Kopien Caravaggio verstehen

Die vermeintlichen Werke des Meisters, die dort an den Wänden hängen sollen, -so sieht es das Projekt von Kunsthistoriker Claudio Strinati vor - werden Fotografien sein. Sicherlich in hoher Auflösung, wie das Rathaus versichert, aber eben nur Reproduktionen. Wer die Originale sehen will, etwas mehr als 80 Gemälde, muß nach Rom, Florenz, New York, Dublin und nach Berlin reisen.
In Porto Ercole aber wird es nur originalgroße Kopien geben, das allerdings hält Fachmann Strinati nicht davon ab, sein Wissen und seinen Namen für das Cavaraggio-Museum zur Verfügung zu stellen. Um Caravaggio zu verstehen und zu genießen, präzisiert der Kunsthistoriker, reichen auch gut gemachte Fotografien: "Denn auch so begreift man, was die revolutionäre Charakteristik Caravaggios war: seine Bilder sind wie Magneten, die die Blicke auf sich ziehen."

Hoffnung auf den Caravaggio-Hunger der Toskanatouristen

Es darf bezweifelt werden, ob Toskanatouristen scharenweise in das neue Museum strömen werden, wenn dort nicht ein einziges Original, eine Skizze, eine Zeichnung oder ein Gemälde, zu sehen sein werden. Doch Silvano Vincenti, Präsident der Caravaggio-Stiftung von Porto Ercole, glaubt dennoch an viele Besucher, die anreisen werden, um die Fotografien zu bestaunen: "Hier ist man ja mit Leidenschaft dabei, und so wird das auch ein Erfolg werden, denn die Stadtverwaltung geht mit Liebe, mit Entschiedenheit und Grenzen im Einsatz für dieses Projekt vor."
Bleibt abzuwarten, ob sich das für Porto Ercole viele Geld für das "Fake-Museum", wie es die Tageszeitung "Corriere della sera" bereits nennt, wirklich rentieren wird. Auch aus einem anderen Grund darf bezweifelt werden, ob das Museumsprojekt Erfolg haben wird. Einige Experten stellen inzwischen in Frage, ob Caravaggio auch tatsächlich in Porto Ercole starb.
Der an der Universität Neapel lehrende Kunsthistoriker Vincenzo Pacelli legte vor einiger Zeit bisher unbekannte Dokumente aus dem Geheimarchiv des Vatikans vor, die dem Caravaggio-Enthusiasmus von Bürgermeister Cerulli einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Diesen Dokumenten zufolge starb der Maler nicht in Porto Ercole, sondern wurde in Palo Laziale nördlich von Rom ermordet. Ein politischer Mord. Durch wen? Dieser spannenden Frage gehen Pacelli und andere Experten derzeit nach. Sehr zum Leidwesen der Museumsmacher in Porto Ercole.
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