Malaria-Forscher beklagt fehlende Unterstützung bei Impfstoff-Entwicklung

Peter Seeberger im Gespräch mit Katrin Heise · 22.10.2012
Ein Impfstoff gegen Malaria sei nicht zur Marktreife gebracht worden, weil mit ihm kein Geld zu verdienen sei, sagt Peter Seeberger, Direktor des Max-Planck-Instituts Potsdam. Dabei wäre der von ihm entwickelte Impfstoff in Tierversuchen zu "100 Prozent wirksam" gewesen.
Katrin Heise: Hohes, immer wiederkehrendes Fieber, Schüttelfrost, Krämpfe bis hin zum Koma - so kann die Infektionskrankheit Malaria verlaufen, bis hin zum Tod. Malaria ist eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten der Erde. Mithilfe von Computermodellen wurden rund 1,2 Millionen Todesfälle pro Jahr ermittelt, über die Hälfte davon Kinder, verbreitet vor allem in den Tropen. Das war aber nicht immer so: In Deutschland gab es Malariafälle zum Beispiel noch nach dem Zweiten Weltkrieg, infiziert hatte man sich in den Rheinwiesen. Inzwischen sind einige Experten der Ansicht, dass mit der Klimaerwärmung eine Rückkehr der Malaria nach Deutschland nicht mehr ausgeschlossen ist. Die Mücke, die Malaria überträgt, findet auch hierzulande immer bessere Bedingungen.

Der Chemiker Peter Seeberger, Direktor des Max-Planck-Instituts in Potsdam und Professor für Chemie an der Freien Universität Berlin, hat mit seinem Team in jahrelanger Arbeit mittels einer automatischen Synthesemaschine für Kohlehydrate einen Impfstoff gegen Malaria entwickelt, und beim derzeitig in Berlin stattfindenden Gesundheitsgipfel, da berichtet er aus der Malariaforschung - so jetzt auch hier bei uns im Deutschlandradio Kultur. Ich grüße Sie, Herr Seeberger!

Peter Seeberger: Guten Tag!

Heise: Wie groß sehen Sie denn die Gefahr, dass die Malaria nach Deutschland zurückkehren könnte?

Seeberger: Gut, die Anopheles-Mücke, die Malaria auslösen kann und überträgt, existiert in Deutschland. Aber ich denke, es ist doch eher eine momentan noch theoretische Gefahr, die vielleicht in einigen Jahrzehnten dann größer werden kann. Aber ich würde mir jetzt primär keine großen Gedanken über eine Malaria-Infektion in Deutschland machen.

Heise: Warum? Wenn die theoretische Gefahr doch besteht und die Anopheles-Mücke hier heimisch ist?

Seeberger: Malaria ist hauptsächlich eine Krankheit der armen Länder, es gibt sehr viele Möglichkeiten, Malaria zu verhindern, indem einmal die Ausbreitung der Mücke verhindert werden kann durch chemische Methoden, es gibt die Möglichkeit, sich selbst gut zu schützen, und es gibt natürlich auch sehr effiziente Behandlungen der Malariainfektion.

Heise: Man verhindert die Ausbreitung der Mücken, der Kampf gegen die Mücken wird ja auch hier, auch in Deutschland, in warmen, feuchten Sommern geführt. Der gefährliche Krankheitserreger, den die Anopheles-Mücke übertragen kann, der benötigt, wie ich gelesen habe, gerade mal zwei Wochen lang tags und nachts über 18 Grad. Ich meine, das wird doch erreicht, warum soll das dann hier nicht gefährlich sein?

Seeberger: Bisher haben wir keine Probleme. Ich denke auch, wenn es wärmer wird, ist die Chance theoretisch da, die besteht sicherlich. Bisher hat sie sich nicht präsentiert, und wenn sie sich präsentieren sollte, kennt man die Mittel, mit denen man gegen Malaria vorgehen kann.

Heise: Was heißt das, was gibt es für Möglichkeiten, sich selbst zu schützen? Sie meinen mit einem Mückennetz, ganz einfach, oder wie? Mückenschutz?

Seeberger: Das erste, was schon mal hilft, ist, sich zu der Zeit, in der die Mücken stechen, nicht draußen aufzuhalten oder sich gut einzusprühen, das gilt natürlich auch auf Reisen, dann nachts unter einem Moskitonetz zu schlafen. Ich denke, so weit sind wir Deutschland noch nicht, aber bei Reisen ist das durchaus eine sehr effiziente Möglichkeit, sich zu schützen. Und sollte man doch infiziert werden, gibt es die Möglichkeit, sehr gute Malaria-Medikamente einzusetzen, die diese Infektion bekämpfen können.

Heise: Warum hat man dann in afrikanischen Ländern oder in anderen asiatischen Ländern die Krankheit überhaupt nicht im Griff, denn es sind ja immerhin über jährlich 1,2 Millionen Tote zu beklagen?

Seeberger: Ich muss ganz klar sagen, Malaria ist kein medizinisches Problem mehr als solches, Malaria ist ein Problem der Armut. In Ländern, die wirtschaftlich gut gestellt sind, kann sie sehr effektiv bekämpft werden. Es gibt die Möglichkeit, wenn Leute doch erkranken, diese mit Malariamedikamenten, mit dem Artemisinin, zu behandeln. Damit haben wir zum Beispiel in Vietnam die Zahl der Toten auf etwas über 20 pro Jahr gedrückt von vorher vielen, vielen Tausenden. Das heißt, mit systematischen Programmen können Länder, auch Schwellenländer, extrem viel ausrichten. Aber wenn Länder insgesamt einfach zu arm sind, sich diese Dinge zu leisten, dann haben sie ein großes Problem.

Heise: Professor Peter Seeberger, Malariaforscher, zu hören im Deutschlandradio Kultur. Sie, Herr Seeberger, Sie haben mit Ihrem Team - ich habe es ja schon gesagt - vor einigen Jahren einen Impfstoff entwickelt, sind dafür 2008 auch ausgezeichnet worden. Wie wirkt der?

Seeberger: Unser Malaria-Impfstoff-Kandidat - und ich muss sagen, es ist immer noch ein Kandidat, der noch nicht für den Menschen zugelassen ist: Die Idee ist hier, dass wir ein Zuckermolekül, das auf der Oberfläche des Parasiten vorkommt, chemisch nachbauen und dann an einen Eiweißträger anheften, und dieses sogenannte Konjugat erzeugt im Menschen, auch in kleinen Kindern, eine sehr starke Immunantwort gegen den Zucker auf der Oberfläche, und damit kann die toxische Wirkung des Parasiten sehr stark eingeschränkt oder komplett blockiert werden.

Heise: Bei anderen Mitteln bestand immer die Gefahr - man kennt das vielleicht auch als Tropenreisender, wenn man Medikamente zur Malariaprävention nimmt, wie Resochin oder so -, dass die Krankheitserreger eine Resistenz gegen diese Wirkstoffe entwickeln. Ist das bei Ihrem Impfstoff ausgeschlossen?

Seeberger: Bei den bisher erprobten Impfstoffen ist genau das das Problem, dass Resistenzen einsetzen. Wir bauen eine Antwort nach, die wir auch beobachtet haben bei Leuten, die in endemischen Gebieten leben. Die werden teilweise resistent, sterben eben nicht mehr, aber unser Impfstoff-Kandidat tötet den Erreger als solchen nicht, er blockiert nur die Giftwirkung. Und damit hat eigentlich der Parasit keinen Grund, sich unserem Impfstoff zu entziehen, sondern er kann ja weiterleben, kann uns nur nicht mehr töten.

Heise: Jetzt haben Sie anfangs in unserem Gespräch davon gesprochen, dass Malaria eine Armutskrankheit inzwischen geworden ist. Ist Ihr Impfstoff denn bezahlbar?

Seeberger: Unser Ziel ist ganz klar, unter den fünf Dollar zu bleiben, die die WHO ausgerufen hat für einen Impfstoff, der eingesetzt werden soll in Entwicklungsländern. Wir haben berechnet, dass die Impfstoffe pro Person deutlich unter einem Dollar kosten würden, wenn die mal eingesetzt würden. Der große Vorteil ist, dass die Moleküle, die wir einsetzen, zwar grundsätzlich sehr teuer sind in der Herstellung, bis zu einer Million Dollar pro Kilogramm, dass aber für eine Einzelperson nur winzigste Mengen - ein Tausendstel Milligramm zum Beispiel - ausreichen, um diese Person zu schützen. Damit sind die Kosten pro Person sehr niedrig, und so eine Prophylaxe würde mindestens fünf, möglicherweise auch zehn oder mehr Jahre ausreichen und wäre damit wesentlich kosteneffizienter als jede auftretende Infektion mit Malaria medikamentös zu bekämpfen.

Heise: Seit 2008 sind schon wieder vier Jahre ins Land gegangen. Sie sind damals hoch geehrt worden, haben aber vorhin gesagt, dass der Impfstoff noch nicht eingesetzt wird.

Seeberger: Richtig, wir haben mit einer großen Firma zusammengearbeitet, wir haben das Ganze im Tiermodell erprobt und hatten einen Impfstoff, der in Tieren 100 Prozent wirksam war. Leider Gottes hat sich diese Firma, die nicht in Deutschland ansässig ist, entschieden, wegen der guten Resultate, das nicht weiterzuführen.

Heise: Wegen der guten Resultate?

Seeberger: Ja, denn es ist durchaus möglich, dass so ein solcher Wirkstoff oder Impfstoff von der Firma alleine bezahlt werden müsste, und davor hatte man, zumindest bei der Firma, Angst. Wir haben inzwischen viele Gespräche mit möglichen Investoren geführt und haben jetzt einen Partner in Indien gefunden, der diesen Impfstoffkandidaten in den Menschen bringen möchte, denn in Indien, anders als in Europa oder Nordamerika, ist Malaria ein direktes Problem, und es gibt eine wachsende Bevölkerung, und ein großer Teil dieser Bevölkerung könnte sich Impfstoffe genau so leisten, wie auch wir, während andere Teile der Bevölkerung sich es noch nicht leisten können, aber der Wohlstand insgesamt steigt, und deswegen haben die Marktmodelle, die dort durchgerechnet worden sind, anscheinend Sinn gemacht. Man sagt, man könne sich hier einen Impfstoff vorstellen, der nicht nur aus gutem Willen erzeugt wird, sondern auch durchaus mit kommerziellem Interesse vorangebracht werden könnte.

Heise: Das heißt jetzt, nach einer langen Durststrecke haben Sie jetzt Hoffnung, dass jetzt dieser Impfstoff tatsächlich auch erprobt werden kann am Menschen.

Seeberger: Das ist richtig. Wir haben in der Zwischenzeit an zehn anderen Impfstoffkandidaten gearbeitet gegen vernachlässigte Krankheiten wie Meningokokken und Pneumokokken, auch da haben wir sehr gute Resultate erzielt, aber auch gegen Krankenhaus-Keime, und in den Infektionsbereichen, die kommerziell relevant sind, haben wir eigentlich sehr leichtes Spiel gehabt, um Finanzierung zu finden. Das Problem ist eben, dass Krankheiten wie Malaria kommerziell wenig Interesse hervorrufen, und deswegen haben wir eben viel länger gebraucht, als wir das normalerweise gebraucht hätten.

Das ist wirklich schade, dass wir hier fast fünf Jahre verloren haben, aus keinem anderen Grund, außer fehlenden Mitteln. Und diese Mittel waren auch nicht riesengroß, es geht hier um zirka fünf Millionen Euro, wenn man mal bedenkt, dass wir damit in den fünf Jahren schon viel Leben hätten retten können, dann ist es eigentlich schade dran zu denken, dass das hätte auch anders passieren können.

Heise: Peter Seeberger, Direktor am Max-Planck-Institut in Potsdam und Chemieprofessor an der Freien Universität Berlin über den Stand der Malaria-Ausbreitung und der Forschung. Herr Seeberger, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch!

Seeberger: Danke schön, Wiederhören!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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Peter Seeberger mit einem Molekülmodell des Malariamedikaments Artemisinin.
Peter Seeberger© Ulrich Kleiner - www.peter-seeberger.de
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