Malaika Wa Azania: "Born Free"

Wut in jeder Zeile

Protestierende Studenten auf dem Campus der Uni in Kapstadt
Südafrikanische Studenten protestieren in Kapstadt gegen die Erhöhung von Studiengebühren. © picture alliance / dpa / Nic Bothma
Von Leonie March · 05.03.2016
Nelson Mandelas Regenbogennation ist nicht mehr als ein Mythos, glaubt die junge südafrikanische Autorin Malaika Wa Azania. In ihrem spannenden Buch "Born Free" rechnet sie mit der Regierungspartei ANC ab – und prognostiziert einen Aufstand der Jugend.
In jeder Zeile stecken Wut und Kampfgeist. In ihrer Heimat Südafrika gilt die 1991 geborene Autorin, Kolumnistin und Bloggerin Malaika Wa Azania, als "Born Free", weil sie nach dem Ende der Apartheid geboren wurde. Doch frei fühlt sich die junge Frau nicht.
Der Begriff "Born Free", so schreibt sie, sei von jenen erfunden worden, "die verhindern möchten, dass unser Volk sich der wahren Folgen von Kolonialismus und Apartheid bewusst wird". Nelson Mandelas Regenbogennation ist für sie nicht mehr als ein Mythos. Angesichts des ausbeuterischen, kapitalistischen Wirtschaftssystems liege ihr Volk noch immer in Ketten.
Emotional, anklagend, aber nie nach Mitleid heischend erzählt die 24-Jährige ihre persönliche und gleichzeitig politische Geschichte. Sie wird als Malaika Lesego Samora Mahlatsi im Township Soweto geboren, erlebt Armut und Entbehrungen, Kriminalität und Perspektivlosigkeit.

Rassismus fest verankert in der südafrikanischen Gesellschaft

Ihre Großmutter arbeitet als "Mädchen" für eine weiße Familie. Ihre Mutter ist zunächst eine glühende Anhängerin des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), verliert jedoch zunehmend das Vertrauen in die ehemalige Befreiungsbewegung.
An den ANC wendet sich Malaika Wa Azania mehrmals direkt. Sie konfrontiert die Regierungspartei, der sie nicht einmal zutraut "einen Dorfladen zu betreiben", mit ihren Versäumnissen; im Kern mit der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Schwarz und Weiß. Rassismus und Rassendiskriminierung seien "die Fäden in dem Netz, aus dem die südafrikanische Gesellschaft geknüpft ist".
Eindrücklich berichtet sie von ihren Erfahrungen als Schülerin an ehemals rein weißen Schulen und Universitäten. Sie fühlt sich fremd und ausgegrenzt. Für die Lebenswirklichkeit und die Geschichte dunkelhäutiger Südafrikaner ist dort bis heute kein Platz. Ein Kritikpunkt, der auch bei den jüngsten Studentenprotesten am Kap eine zentrale Rolle spielt.

Der Traum von einem panafrikanischen Sozialismus

Doch obwohl Malaika Wa Azania in großen Teilen das Gefühl einer ganzen Generation beschreibt, gestaltet sich ihre eigene Suche nach gleichgesinnten Mitstreitern schwierig. Mit liberalen Weißen kann sie ebenso wenig anfangen wie mit der schwarzen Mittelschicht.
Begeistert von der Idee eines panafrikanischen Sozialismus, der sich auch in ihrem Pseudonym wiederspiegelt, schließt sie sich erst den Aktivisten der "Blackwash"-Bewegung und später den "Economic Freedom Fighters" an, einer jungen Oppositionspartei unter dem ehemaligen ANC-Jugendliga-Präsidenten Julius Malema.
Cover - Malaika Wa Azania: "Born Free"
Cover - Malaika Wa Azania: "Born Free"© Rotpunkt Verlag Zürich
Seine Forderungen nach einer Verstaatlichung des Bergbaus und einer entschädigungslosen Enteignung weißer Farmer liegen ganz auf ihrer Linie. Ihre Hoffnungen werden jedoch erneut enttäuscht: Die Anführer sind nicht zu Kritik fähig, in Machtkämpfe verstrickt und verfolgen ihre eigenen Interessen statt wahrhaftig für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen.
Parteipolitik führe in Südafrika irgendwie immer dazu, schreibt Malaika Wa Azania desillusioniert, "dass selbst die nobelsten Vorhaben irgendwann korrumpiert" werden. So bleibt am Ende des Buches ein recht hoffnungsloses Bild der einst so gefeierten Regenbogennation und einer wütenden Jugend, die einfordert, was ihren Eltern versprochen wurde. Eines Tages, prognostiziert die Autorin, werde sich diese Jugend gegen den ANC auflehnen.

Kommentar zur Verfasstheit der Demokratie Südafrikas

Angesichts der mittlerweile alltäglichen Proteste sowohl in den Armenvierteln als auch an den Universitäten, liest sich "Born Free" als aktueller Kommentar zur inneren Verfasstheit der südafrikanischen Demokratie. Es ist keine Analyse, sondern eine spannende Momentaufnahme aus der Perspektive einer jungen, idealistischen Südafrikanerin, die fest entschlossen ist, den Freiheitskampf fortzusetzen.

Malaika Wa Azania: Born Free. Mein Leben im Südafrika nach der Apartheid
Aus dem Englischen von Antje Papenburg
Rotpunkt Verlag Zürich, März 2016
192 Seiten, 19,90 Euro, auch als E-Book

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