Mainstream-Kino-Charts

Angenähte Arme und fresssüchtige Dinos

"Jurassic-World"-Regisseur Colin Trevorrow und Hauptdarsteller Chris Patt
"Jurassic-World"-Regisseur Colin Trevorrow und Hauptdarsteller Chris Patt © imago / Raimund Müller
Von Hartwig Tegeler · 20.06.2015
Ein Pferde-Mädchen-Film, eine Geschichte über ein hochbegabtes Kind und die Fortsetzung der "Jurassic-Park"-Erfolgsgeschichte: Diese Filme haben es in die Top Five der Mainstream-Charts geschafft.
Filmausschnitt: "Hör mal, das Drehbuch wirkt unfertig. Also gut, es spielt in einer Wüste. Bau doch ein paar Kamele ein. Und nackte Weiber, die Salsa tanzen. - In Chile gibt's keine Kamele."
Platz 5 - OSTWIND 2 von Katja von Garnier
Katja von Garnier erzählt die Geschichte vom Hengst Ostwind und dem Mädchen Mika weiter. Pferde-Mädchen-Film. Keine Frage! Der allerdings eine schöne Balance findet zwischen Pferde-Mädchen-Film-Teenie-Kitsch [ja, ja, ist auch da!] und dem Hohen Lied auf die Kommunikation. Nicht nur zwischen Eltern und Kindern, sondern auch zwischen Mensch und Tier. Kontrapunkt zur Ellbogenbrutalität, die uns der Mainstream-Film als erstrebenswerte kulturell-zivilisatorische Leistung standardmäßig vorgibt. Das mit der Kommunikation und dem Respekt gegenüber dem Anderen ist auch der Kern dessen, was uns […]
Platz 4
[…] die Geschichten über ein hochbegabtes und ein - wie es im Film heißt - "tiefbegabtes" Kind erzählen.
RICO, OSKAR UND DAS HERZGEBRECHE von Wolfgang Groos
Blondschopf Rico und Helmträger Oskar, nun in der weiteren Verfilmung eines Andreas-Steinhöfel-Jugendbuches […]
Filmausschnitt: "Wo ist denn dein Helm?"
[…] ohne Helm.
Filmausschnitt: "Zu auffällig. Mit dem Helm würde mich jeder erkennen. Es ist besser, wenn wir inkognito unterwegs sind. Wegen der ganzen Reporter und so weiter. - Inkogni ... was?"
Weil die beiden berühmt sind "Rico, Oscar und die Tieferschatten" im letzten Jahr, als sie einen Kindesentführer überführten; weil natürlich der Erfolg des Films den "Herzgebreche"-Nachfolger notwendig machte; weil jetzt schon die Dreharbeiten zu "Rico, Oscar und der Diebstahlstein" - Teil 3 also - begonnen haben. Ergo, summa summarum: Was ist ein Franchise? George Lucas, "Star Wars", 1977, die Geburtsstunde des Media-Franchising. Schmiede das Eisen, solange das Huhn noch Goldene Eier zu legen bereit ist.
Zitat: "Erfolgreiche mediale Werke […] enthalten häufig über den ursprünglichen Kontext hinaus verwertbare Inhalte."
Klärt uns Wiki auf. Dazu gehören dann Fortsetzungen oder auch Filme, die um bestimmte Schauspieler mit bestimmten signifikanten Eigenschaften herumgebastelt werden. Ex-Wrestler Dwayne Johnson rettet, […]
Platz 3 - SAN ANDREAS von Brad Peyton
[…] nein, nicht die Welt, aber betreibt bei Noch-Ehefrau und Töchterchen einen Versuch, weil die Andreas-Verwerfung, na ja, all die Erdbeben, wieder rum zickt. "The Rock" hat mit seiner sympathischen Ausstrahlung und seinem Muskelspiel Erfolg; Melissa McCarthy hingegen mit Schlagfertigkeit und Taffheit als Kontrapunkt zu ihrer Überwichtigkeit. In ...
SPY - SUSAN COOPER UNDERCOVER von Paul Feig
... auf ...
Platz 2
... ist sie unscheinbare CIA-Analytikerin, die zur Actionheldin wird. Vorher aber zumindest ihre Schlagfertigkeit beweist:
Filmausschnitt: "Glauben Sie ernsthaft, Sie wären bereit für einen Einsatz? Dieser Arm wurde mir komplett abgerissen. Und wieder angenäht mit diesem Scheiß-Arm. - Ehrlich gesagt kann ich mir das nicht vorstellen. Ich meine medizinisch."
"San Andreas" ist ein The-Rock-Franchise, "Susan Cooper Undercover" ein Melissa-McCarthy-Franchise, an deren Seite Jason Statham kickt und boxt und wirbelt, der seinerseits ein eigenes Franchise bildet. Das ganze Spiel hat einen Sinn: Der weltweite Umsatz an den Kinokassen im Jahr 2015 wird 40 Milliarden Dollar übersteigen. Eine gute halbe Milliarde trägt schon jetzt dazu bei:
Platz 1 - JURASSIC WORLD von Colin Trevorrow
Filmausschnitt: "Denken Sie, das erschreckt die Kids?"
511,8 Millionen Dollar am Premierenwochenende haben diese neuen, fresssüchtigen Dinos eingefahren.
Filmausschnitt: "Die Kids? Die Eltern werden Albträume kriegen."
"Jurassic World" setzt die "Jurassic-Park"- Erfolgsgeschichte fort.
Filmausschnitt: "Ist das gut? - Das ist phantastisch."
Mit Jurassic-Park" perfektionierte "Der-Weiße-Hai-Macher Steven Spielberg 1993 das mit "Star Wars" geborene Franchise-Konzept, indem die später in der realen Welt zu kaufenden Merchandising-Produkte, Dinos, T-Shirts und so weiter, schon im Film im dortigen Dino-Shop zu sehen waren. Perfekter kann eine Gelddruckmaschine nicht geschmiert werden. Wenn dann so selbstreferentielle Gimmicks im Film auftauchen, dass ein Saurier mit einem Weißen Hai gefüttert wird, kann man das gerne kultur- wie filmkritisch so deuten, dass der Film zeigt, wie der Film sich selber frisst. Kann man aber auch lassen. Aber selbstkritisch ist das bestimmt nicht gemeint, nur als Gag. Die globale, gigantische Maschine mit all ihren Sauriern und Serien-Comic-Helden läuft trotzdem weiter und weiter und weiter.
Filmausschnitt: "Ein Film muss etwas erzählen. Und das hier erzählt nichts. Gar nichts. Es tut mir leid."
Was meinen Sie, wie leid mir das tut.
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