Mahlzeit!

Superfood-Hype um Quinoa

Ria probiert in Köln auf einem Stand bei der internationalen Ernährungsmesse "Anuga" das Inka-Korn Quinoa.
Schmeckt es? Jedenfalls gilt Quinoa als sehr gesund - man muss allerdings ein paar Dinge beachten. © dpa / Maja Hitij
Von Udo Pollmer · 15.07.2016
Es ist eine Erfolgsgeschichte: Bei den Inkas war Quinoa ein Grundnahrungsmittel, nun wurde das Korn im Westen wiederentdeckt. Es gilt als Superfood, das vor verschiedensten Krankheiten schützt. Doch Quinoa kann auch schädlich sein.
Die Gemeinde der Esssünder samt ihren Priesterinnen der heiligen Diätmarotte hat ein neues Superfood entdeckt. Für alle, die sich ihr entspanntes Verhältnis zum Kühlschrank bewahrt haben: Superfoods sind kultische Essobjekte, die Krankheiten aller Art heilen, Mängel beheben, Matronen verschlanken und auch noch für zarte Haut sorgen - mindestens jedoch die Welt retten. Jetzt hat es das Inka-Korn erwischt, vielen als Quinoa bekannt.

Quinoa keimt blitzschnell

Auch wenn es keines der genannten Wunder vollbringt, so gilt es unter Biologen dennoch als botanisches Kuriosum. Beispielsweise keimt Quinoa blitzschnell und das unter widrigsten Umständen. Vertrocknet eine bereits gekeimte Saat, regeneriert sie sich vollständig, sobald es wieder regnet. Zerbrechen Körner, dann keimt eben jedes Teil für sich.
Manche Sorten sind an das der Küstenklima Chiles angepasst, sie können mit salzigem Meerwasser bewässert werden. Andere gedeihen auf kargen Böden in 4.000 Meter Höhe. Selbst in der Trockenwüste findet die Verwandte des Spinats ihr Auskommen. Keine andere Nutzpflanze vollbringt derartige Kunststückchen.
Verantwortlich für diese Eigenschaften sollen sogenannte Endophyten sein. Das sind Mikroorganismen, die im Saatgut leben und beim Auskeimen aktiv werden. Jedes Quinoakorn enthält Bacillus-Bakterien, die ihrerseits ebenfalls Überlebenskünstler sind. Unter widrigen Bedingungen bilden sie robuste Dauersporen, um zusammen mit dem Saatgut auf bessere Zeiten zu warten. Bei der Keimung der Saat töten sie Konkurrenten mit Wasserstoffperoxid ab. Zudem machen Endophyten Nährstoffe im Boden für die Pflanze verfügbar.

Nachfrage nach Quinoa wächst rapide

Da das Inka-Korn mit dem Image ursprünglicher Natürlichkeit vermarktet wird, fabulieren die Verkäufer, man könne beim Anbau auf Pflanzenschutzmittel verzichten. Doch seit Quinoa wieder in größerem Stil kultviert wird, ist es damit natürlich vorbei. Angesichts großer Anbauflächen ruhen Schädlinge nicht, bis sie Mittel und Wege gefunden haben, sich am reich gedeckten Acker gütlich zu tun.
Die Nachfrage nach Quinoa wächst rapide. Damit werden Nudeln und Backwaren hergestellt, die als glutenfrei verkauft werden. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt das Inka-Korn bei der Darmkrankheit Zöliakie. Die Welternährungsorganisation FAO sieht das etwas differenzierter und verweist darauf, dass mindestens zwei Quinoasorten Glutenabschnitte enthalten, die für Zöliakiepatienten ungeeignet sind. Ob glutenfrei oder nicht, ist in diesem Falle eine Sortenfrage.
Die Liste der Abwehrstoffe im Korn ist eindrucksvoll, als da wären: Saponine, Phytin, Tannine, Oxalsäure, Häutungshormone und Enzyminhibitoren. Sie sind vor allem in den Randschichten des Kornes lokalisiert, um das nahrhafte Innere zu schützen. Wer frisch geerntete Quinoa essen will, der sollte den Körnern vorher unbedingt eine Detox-Kur angedeihen lassen. In den Erzeugerländern wird die Saat, wenn möglich, müllerisch geschält, in jedem Falle aber über Nacht eingeweicht. Das Einweichwasser wird weggegossen.

Quinoa muss geschält oder eingeweicht werden

An vorderster Front stehen die seifenartigen Saponine, sie wirken nicht nur insektizid, fungizid und antibiotisch, sie machen auch die Darmwand durchlässig. Wenn sie ins Blut gelangen, lösen sie die roten Blutkörperchen auf. Enzyminhibitoren blockieren die Verdauung des Eiweißes, dabei schädigen sie ganz nebenbei die Bauchspeicheldrüse. Verstärkt wird dieser Effekt durch Tannine, die das Eiweiß vernetzen und damit unbrauchbar machen.
Ist Quinoa durch Schälen und Einweichen bereits entgiftet, dann lässt sich der Nährwert nochmals verbessern. Jungen Ratten, die im Futter geschälte und eingeweichte Saat erhielten, die zusätzlich 30 Minuten lang gekocht worden war, wuchsen fast doppelt so schnell wie mit entgifteter aber roher Quinoa.
Diese wunderbare Nutzpflanze ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie eine gründliche Erhitzung den Nährwert dramatisch erhöhen kann. Dann ist die Quinoa ein bekömmliches Lebensmittel aus den Anden - so wie Empanadas oder die Tortillas. Mahlzeit!
Literatur:
Popenoe H et al: Lost Crops of the Incas. National Academy Press, Washington 1989
Mahoney AW et al: An evaluation of the protein quality of quinoa. Journal of Agricultural & Food Chernistry 1975; 23: 190-193
Meyer BN et al: Bioactivity-directed isolation and characterization of quinoside A: one of the Toxic/Bitter principles of quinoa seeds (Chenopodium quinoa Willd.). Journal of Agricultural & Food Chernistry 1990; 38: 205-208
Gomez-Caravaca AM et al: Simultaneous determination of phenolic compounds and saponins in Quinoa (Chenopodium quinoa Willd) by a liquid chromatography-diode array detection-electrospray Ionization-time-of-flight mass spectrometry methodology. Journal of Agricultural & Food Chernistry 2011; 59: 10815–10825
Maradini Filho AM et al: Quinoa: nutritional, functional and antinutritional aspects. Critical Reviews in Food Science and Nutrition 2015; epub ahead of print
Zevallos VF et al: Variable activation of immune response by quinoa (Chenopodium quinoa Willd.) prolamins in celiac disease. American Journal of Clinical Nutrition 2012; 96: 337–344
Pitzschke A: Developmental peculiarities and seed-borne endophytes in quinoa: omnipresent, robust bacilli contribute to plant fitness. Frontiers in Microbiology 2016; 7: e2
Salcedo S et al: State of the Art Report of Quinoa in the World in 2013. FAO & CIRAD Rome 2015
Mehr zum Thema