"Märkte Asiens, Nordeuropas und Westeuropas verschmelzen"

Friedolin Strack im Gespräch mit Hanns Ostermann · 30.10.2012
Länder wie China, Indien oder Brasilien haben ein großes Interesse, wirtschaftlichen Aufschwung und Umweltbewusstsein miteinander zu verbinden, glaubt Friedolin Strack, Koordinator des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Das biete deutschen Unternehmen ein sehr großes Potential der Zusammenarbeit.
Hanns Ostermann: Asien kauft deutsch, hieß es vor Kurzem in einer großen deutschen Zeitung. Das ist ganz sicher zugespitzt, denn der Exportweltmeister heißt China. Allerdings haben wir 2012 den größten Handelsüberschuss. Die deutsche Wirtschaft wächst im Windschatten des asiatischen Wachstums – die einfache Erklärung: Europa verliert wegen der Schuldenkrise als Absatzmarkt für deutsche Waren an Bedeutung.

In dieser Woche findet in Neu-Delhi die 13. Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft statt, eines der wichtigsten Netzwerktreffen in der Region. Friedolin Strack koordiniert diesen Ausschuss. Ich habe ihn zunächst gefragt, um welche Fragen, welche Probleme wird es denn diesmal gehen?

Friedolin Strack: Wir machen die Asien-Pazifikkonferenz hauptsächlich deswegen, um den engeren Dialog mit Asien zu suchen. Wir haben eine Reihe von Ministern und Unternehmensführern aus Asien eingeladen. Und wichtig ist uns, dass wir ganz aktuelle Fragen, Herausforderungen der Umweltverschmutzungen, Urbanisierung, dass wir die gemeinsam durchsprechen und zu gemeinsamen Lösungen kommen.

Ostermann: In welchen Bereichen sind deutsche Produkte, ist deutsches Know-how eigentlich besonders gefragt?

Strack: Unsere Unternehmen – man kann fast sagen – haben im Moment einen Siegeszug auf dem Weltmarkt laufen, vom Maschinen- und Anlagenbau angefangen über Automobile bis hin zu Chemie, Industrietextilien. Die deutsche Industrie hat im Moment ein sehr, sehr gutes Portfolio, was auf die Nachfrage auf den Weltmärkten trifft, insbesondere auf die Nachfrage in den neuen dynamischen Schwellenländermärkten wie zum Beispiel China und Indien.

Ostermann: Und an welche Produkte denken Sie da besonders?

Strack: Na, natürlich sind es unsere Vorzeigeprodukte wie die bekannten deutschen Automobilmarken, aber besonders denke ich dabei an den deutschen Mittelstand, der in vielen Nischenbereichen Weltmarktführerschaft hat, ohne dass die Firmen besonders bekannt sind. Ein südbadischer Tunnelbohrer, Herrenknecht, oder der Flugzeug- und Autositze-Hersteller Recaro, wer kennt schon diese Namen, die sehr, sehr stark sind im Export und die sehr stark sind auf außereuropäischen Märkten.

Ostermann: Wie sieht es eigentlich umgekehrt aus? Besteht nicht die Gefahr, dass Deutschland oder auch die EU mit Produkten aus Asien überrollt wird? Diesen Eindruck hat man doch jedenfalls.

Strack: Wir haben natürlich starke Importe auch aus Asien, aber die Importe aus Asien sind doch ein klares Indiz dafür, dass die Märkte Asiens, Nordeuropas, Westeuropas, immer mehr verschmelzen zu einem Weltmarkt. Und wenn in Europa, wenn wir nicht nur auf der Handelsschiene, sondern was jetzt auch in den nächsten kommen wird, beim Thema Direktinvestitionen, enger verflochten sind als Volkswirtschaften untereinander, dann meinen wir, die wettbewerbsfähigen Firmen profitieren von dieser engeren Verflechtung, und wo wir sicher noch viel erwarten können.

Bisher sind es ja überwiegend Produkte aus Asien, die wir hier finden. Wir werden aber in den nächsten Jahren auch zunehmend asiatische Direktinvestitionen in Deutschland und in Europa feststellen, sowohl Neuinvestitionen, aber auch Übernahmen von bestehenden Betrieben.

Ostermann: Zum Teil ist das ja jetzt schon der Fall. Herr Strack, Sie betonen immer wieder das Interesse und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Zusammenarbeit. Auf der anderen Seite ist immer wieder ein Trend zum Protektionismus festzustellen. Wie groß ist hier das Risiko, wenn man zum Beispiel an die versteckten Subventionen in der Solarindustrie denkt?

Strack: Also ich glaube, die Chance – ich würde gerne zu beiden Themen kurz was sagen –, die Chancen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die sind im Moment besonders groß, weil Länder wie China, Indien oder Brasilien nicht die Fehler der westlichen Industrienationen wiederholen wollen – erst mal nur Wachstum, Wachstum, Wachstum, und dann am Ende des Wachstumsprozesses umzustellen auf grün, sondern von Anfang an sagen, wir sind in einer starken Wachstumsdynamik, aber wir können nicht so wachsen, wie früher die westeuropäischen Länder, nordamerikanischen Länder oder auch Japan, sondern müssen von vornherein einen qualitativen Sprung mitdenken und in unserer Industrie verankern.

Also ich glaube, da haben wir einen ganz wesentlichen Unterschied, und auch da, meine ich, da haben wir ein sehr großes Potential der Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Europa auf der einen Seite und den asiatischen Volkswirtschaften auf der anderen Seite.

Ostermann: Und die versteckten Subventionen in der Solarindustrie?

Strack: Spielen eine Rolle jetzt, ich will nicht sagen, für die Solarindustrie, sondern wir machen uns natürlich insgesamt Sorgen in einer Phase, wo öffentliche Haushalte kleiner werden und nicht größer werden, in einer Phase, wo einzelne Ökonomien geprägt sind vom Gürtel-enger-Schnallen, da wird natürlich immer der Ruf laut, wie können wir unsere heimische Industrie besser schützen. Der Ruf wird übrigens auch in China laut, wie können wir unserer heimischen Industrie besser helfen, denn den Solarunternehmen in China, denen geht es im Moment auch allen nicht gut, weil alle Unternehmen weltweit unter dramatischem Preisverfall leiden und im Moment kaum ihre Herstellungskosten auf den Märkten realisieren können. Die deutschen Firmen schon überhaupt nicht, aber auch chinesische Firmen haben es da im Moment schwer.

Ostermann: Inwiefern werden bei den Gesprächen auch die Kinderarbeit in Indien oder die Arbeitsbedingungen in China eine Rolle spielen?

Strack: Themen wie Sozialstandards, Umweltstandards, spielen bei unseren Gesprächen natürlich immer eine Rolle, und auch das Thema Korruption spielt übrigens eine Rolle. Die Zeiten, wo wir gesagt und gedacht haben, Geschäft ist Geschäft und Moral ist Moral, die sind längst vorbei.

Wir haben in den Firmen integrierte Ansätze, es kann sich kein Manager mehr hinstellen und sagen, die Arbeitsbedingungen in unseren Zulieferbetrieben sind uns egal, die sind niemandem egal, von daher sind es bei uns ganz entscheidende Themen, die – ich sage mal – sogenannten Soft Topics immer mitzutransportieren. Und die spielen in der Diskussion eine sehr, sehr prominente Rolle.

Ostermann: Friedolin Strack war das, der Koordinator des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft. Herr Strack, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Strack: Danke, Herr Ostermann!


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