Mängel und Ungereimtheiten in Fukushima

Von Peter Kujath · 22.07.2013
In einer endlosen Reihe von Behältern muss das hoch radioaktive Kühlwasser der Atomanlage von Fukushima gelagert werden - niemand weiß, wohin damit. Dazu kommt ein neues Problem: In einem Bohrloch wurde Wasser gemessen, dessen Strahlung um das 100-fache angestiegen war.
Seit über zwei Jahren werden die geschmolzenen Brennelemente von Fukushima 1 mithilfe eines externen Kreislaufes gekühlt. In einer schier endlosen Reihe von Behältern muss das hoch radioaktive Kühlwasser gelagert werden, ehe es durch die Dekontaminierungsanlagen geschickt wird. Auch danach ist das Wasser nicht unbedenklich. Noch weiß niemand, wohin damit.

Hinzu kommt Grundwasser, das in die Gebäude mit den Reaktoren eindringt, verseucht wird und abgepumpt werden muss. Insgesamt fallen so 400 Tonnen hochradioaktives Wasser pro Tag an. Das havarierte AKW Fukushima 1 ist eine Sisyphus-Aufgabe. Und wird es für die nächsten Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte bleiben. Doch damit nicht genug.

"Wir gehen nicht davon aus, dass die erhöhte radioaktive Belastung durch entwichenes Wasser aus dem Reaktorgebäude hervorgerufen wurde. Wir werden versuchen herauszufinden, welcher Mechanismus dafür verantwortlich ist."

Eine genauere Erklärung hatte der Sprecher von Tepco, dem Betreiber der Anlage, nicht zu bieten. Anfang der Woche war die radioaktive Strahlung plötzlich um das 100-fache angestiegen, wie die routinemäßig entnommenen Proben eines Bohrlochs zwischen dem Reaktorgebäude 2 und dem Meer ergeben hatten.

"Tepco sagt zwar etwas, aber wir haben daraus noch immer kein kohärentes Bild entwickeln können", so ein Mitglied der japanischen Atomaufsichtsbehörde während der Sitzung am Mittwoch.

Atsuna Marui vom Institut für Wissenschaft und Technologie in Tokio wird im Interview mit NHK deutlicher:

"Die Art der jetzt entdeckten radioaktiven Teilchen lässt vermuten, dass verseuchtes Wasser, welches sich im Reaktorgebäude angesammelt hat, ins Grundwasser eingedrungen ist. Ich denke, dass dieses Wasser auch ins Meer fließt."

Tepco plant, um das Areal herum chemische Substanzen in den Boden zu spritzen, die aushärten und eine Barriere bilden können. Das allein sei aber noch keine wirksame Methode, so der Wissenschaftler Marui:

"Es sind zwei, drei weitere Maßnahmen notwendig, um das Durchsickern komplett zu verhindern. Das erste, was Tepco jetzt machen müsste, ist herauszufinden, in welchem Umfang das Grundwasser verseucht ist und wie hoch die radioaktive Belastung ist. Das muss überall in der Anlage erfolgen, um ein vollständiges Bild der Situation in Fukushima 1 zu bekommen."

Denn erhöhte radioaktive Werte im Grundwasser sind in den letzten Wochen auch an anderen Stellen auf der weitläufigen Anlage gefunden worden. Auch von Lecks in den Tanks für das Kühlwasser wurde berichtet und drei in den Boden gegrabene Becken zur Speicherung des verseuchten Wassers mussten wieder leergepumpt werden, weil dort Radioaktivität ausgetreten war.

Noch ist die Menge des teilweise hochradioaktiven Wassers, die offensichtlich an verschiedenen Stellen austritt, gering, aber die Vorkommnisse zeigen, wie schwer es ist, angesichts der Vielfalt der Aufgaben in Folge der Atomkatastrophe von vor mehr als zwei Jahren den Überblick zu behalten.


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