Machtkämpfe in der AfD

Die Doppelmoral des Politikerpaares Petry und Pretzell

AfD-Politkerin Frauke Petry, und ihr Ehemann, der AfD-Politiker Marcus Pretzell
Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell - beide AfD. © picture alliance / dpa / Ina Fassbender
Von Peter Zudeick · 19.07.2017
Die AfD wütet gegen Flügelkämpfe, Bürgerferne und Postengeschacher bei den etablierten Parteien. Dabei geht es bei den Rechtspopulisten mindestens genauso hoch her - das stellt gerade wieder das AfD-Ehepaar Frauke Petry und Marcus Pretzell unter Beweis.
Intrigen, Machtkämpfe, Postengeschacher, Flügelkämpfe, Kleinkrieg gegeneinander, Bürgerferne, Abgehobenheit – was immer AfD-Politiker dem "System der Altparteien" vorwerfen, wird von Frauke Petry und Marcus Pretzell aufs Allerfeinste praktiziert. Frauke Petry, einst die Vorzeigefrau der AfD, ist seit einiger Zeit überwiegend mit innerparteilichen Machtkämpfen beschäftigt.
Zwar hat sie gerade einen kleinen Sieg errungen, weil der Antrag, ihr die Direktkandidatur für den Bundestag im Wahlkreis Dohna in Sachsen abzuerkennen, abgewiesen wurde. Aber ihr Platz eins auf der Landesliste zur Bundestagswahl ist auch gefährdet. Einer ihrer Gegner hat beantragt, diese Liste für ungültig erklären zu lassen, weil sie angeblich satzungswidrig zustande gekommen ist. Außerdem droht ihr die Aufhebung ihrer Immunität – wegen eines angeblichen Meineids im Wahlprüfungsausschuss in Sachsen.

Frauke Petry droht Aufhebung der Immunität

Ihr politischer und privater Partner Marcus Pretzell pflegt einen Stil innerparteilicher Auseinandersetzungen, der mit den übelsten Gepflogenheiten etablierter Parteien mühelos Schritt halten kann. "Was kann die Zwergenfraktion denn eigentlich überhaupt?", schrieb er auf Facebook nach dem Votum in Frauke Petrys Kreisverband. Dessen Vorsitzender heißt Jan Zwerg. Er war einer der 19 Befürworter der Aberkennung der Direktkandidatur. Als dessen Ehefrau daraufhin das Demokratieverständnis Pretzells in Frage stellte, schrieb er zurück: "Ich zähle 18 Hirntote und ein Steroidopfer. Das schrumpft halt nicht nur die Hoden, sondern auch das Hirn."

Marcus Pretzell sitzt in zwei Parlamenten gleichzeitig

Auch Marcus Pretzell haften immer mal wieder Affären an. Er war in Zahlungsschwierigkeiten, sollte den Offenbarungseid leisten, die Rechtsanwaltskammer Hamm drohte mit Entzug der Anwaltszulassung, woraufhin Pretzell von sich aus verzichtete; wegen Steuerschulden wurde ein Zwangsgeld gegen die AfD verhängt, das Parteikonto gepfändet – lauter Missverständnisse, die mit Scheidung und Wohnungswechsel zusammenhängen, sagt Pretzell. Und der Rest sei üble Nachrede.
Wie auch die Geschichte mit der angeblichen Doppelbezahlung. Denn Pretzell ist noch Europa-Abgeordneter und seit Anfang Juni auch Landtagsabgeordneter in Düsseldorf. Und das bei einem so vehementen Kritiker von Filz und Selbstbedienung bei den etablierten Parteien. Nein, sagt Pretzell, ich werde nicht doppelt bezahlt. Da hat er recht. Die Abgeordneten-Diäten von Straßburg und Düsseldorf werden miteinander verrechnet. Am Ende kommt exakt das EU-Bruttogehalt heraus: 8.484 Euro und fünf Cent. Wäre Pretzell "nur" Landtagsabgeordneter, stünde er sich besser.

Keine Angaben über Pretzells gesamte Einnahmen

Interessant ist freilich, was noch obendrauf kommt. Tagegelder in Straßburg zum Beispiel. 307 Euro täglich steuerfrei, sofern der Abgeordnete anwesend ist. Außerdem eine Büropauschale von 4.342 Euro – deren Verwendung muss nicht nachgewiesen werden. Genauso wenig wie die fast genau so hohe Büropauschale in Düsseldorf. Dort kommt noch eine sogenannte Funktionszulage hinzu, weil Pretzell AfD-Fraktionsvorsitzender ist. Wie hoch, darüber macht die AfD keine Angaben. Zum Vergleich: Die Grünen zahlen 800 Euro, die SPD ein zweites Monatsgehalt, also über 11.000 Euro.
Fazit: Marcus Pretzell wird zwar nicht doppelt bezahlt, aber er nimmt doch alle Segnungen mit, die das so heftig kritisierte System der etablierten Parteien bereithält. Abgesehen von inhaltlichen Fragen: Wie man seine Wähler gleichzeitig auf EU- und auf Landesebene angemessen vertreten kann, dazu schweigt Pretzell sich aus.
Wer sein Mandat ernst nimmt, wer Plenums- und Ausschuss-Sitzungen und Aufgaben in anderen Gremien wirklich ausfüllen will, der hat einen Fulltimejob und kann nicht noch auf anderen Hochzeiten tanzen. Vor allem nicht mit den zusätzlichen Aufgaben als Fraktionsvorsitzender im Landtag. Herbert Reul, langjähriger Europa-Politiker und jetzt NRW-Innenminister, hat sich aus dem EU-Parlament verabschiedet. Marcus Pretzell will sein EU-Mandat erst nach der Bundestagswahl abgeben. Sicher ist sicher.

Peter Zudeick, geboren 1946, aufgewachsen in Solingen, promovierte in Philosophie und arbeitete als Korrespondent in Bonn und dann in Berlin. Buchveröffentlichungen u.a. 'Der Hintern des Teufels. Ernst Bloch - Leben und Werk', 'Alternative Schulen' und 'Tschüss, ihr da oben. Vom baldigen Ende des Kapitalismus'.

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