Lyrik

Flutende Klänge aus Afrika

Bücher stehen in einer Kiste vor einem Antiquariat in Berlin
Viele Sprachen gibt es in der Lyrik-Anthologie "Afrika im Gedicht". © picture alliance / dpa / Foto: Wolfram Steinber
Von Birgit Koß · 19.03.2015
Gedichte von mehr als 250 afrikanischen Lyrikern hat der Schweizer Pfarrer, Journalist und Dichter Al Imfeld gesammelt und als Buch herausgebracht − ein wirklicher Schatz und eine Fundgrube.
In den 1950er Jahren erschien zuerst in Frankreich, anschließend auch in Deutschland, eine Anthologie mit Gedichten vom afrikanischen Kontinent unter dem Namen "Schwarzer Orpheus". Alle darin erschienenen Gedichte waren noch zur Kolonialzeit entstanden. Der Schweizer Afrikakenner, Pfarrer, Journalist und Poet Al Imfeld hat sich nun in diesem Jahr zu seinem 80. Geburtstag seinen Lebenstraum erfüllt und eine neue Anthologie "Afrika im Gedicht" herausgegeben. Dazu hat er in den letzten 30 Jahren Gedichte von mehr als 250 Lyrikern gesammelt, alle in der Zeit nach der Unabhängigkeit geschrieben. Viele Autoren kennt er persönlich, viele Gedichte sind extra für diesen Band geschrieben worden.
"Aufwendig gestaltete Anthologie"
Herausgekommen ist eine aufwendig gestaltete Anthologie mit über 550 Gedichten jeweils in den Originalsprachen Englisch, Französisch, Portugiesisch, Arabisch, Swahili und Afrikaans und daneben die deutsche Übersetzung – oder besser Übertragung. In dem ausführlichen Vorwort erklärt eine der Übersetzerinnen, Lotta Suter, dass es sich um „"die Nachdichtung flutender Klänge handelt" und nimmt damit Bezug auf ein Gedicht von Chenjerai Hove aus Simbabwe.
Um die 815 Seiten zu gliedern, enthält der erste Teil 35 Cluster, die sich regional aufgliedern. Der zweite Teil ist thematisch untergliedert, zum Beispiel "Zwischen Diktatur und Demokratie", "Krieg, Terror & Folter – Visionen des Friedens" oder "Religion – Götter – Priester".
Für Al Imfeld ist Dichtung eine ausgezeichnete Möglichkeit andere Kulturen und ihre Denkweisen kennenzulernen und zu einem tiefer gehenden Verständnis zu gelangen. Hierfür hat er sein Leben lang gearbeitet. Jedem Cluster ist ein erklärender einseitiger Text vorangestellt und eine farbige Vignette des aus der Elfenbeinküste stammenden Künstlers Frédéric Bruly Bouabré, der seinen Kontinent 2002 auf der 11. Documenta in Kassel vertrat.
Ein Drittel der Gedichte stammen von Frauen
Am Ende des Buches sind alle 258 Autoren und Autorinnen nochmals aufgeführt mit einem kurzen, erklärenden und zum Teil sehr persönlichen Text. So beschreibt Al Imfeld den nigerianischen Literatur- und Theaterkritiker Onuora Ossie Enekwe unter anderem als "Wirbelwind". Besonders stolz ist der Herausgeber, dass etwa ein Drittel Frauen vertreten sind, insbesondere im arabischen Sprachraum gibt es viele Dichterinnen. Für ihn sind die Gedichte Brücken zum heutigen Afrika von Südafrika bis nach Ägypten.
Aus der unendlich großen Sammlung, die Al Imfeld im Laufe seines Lebens zusammengetragen hat, ist mit Unterstützung einiger Freunde in den letzten zehn Jahren dieses gewichtige Werk entstanden. Immer wieder wurde seine Idee, eine so umfangreiche Anthologie zu veröffentlichen, belächelt und als unrealistisch abgewiesen. Dank des ungebrochenen Idealismus und Optimismus eines Achtzigjährigen sind eine Fundgrube und ein wirklicher Schatz herausgekommen, der in keinem Bücherregal für afrikanische Literatur fehlen sollte.

Al Imfeld (Hrsg.): Afrika im Gedicht, Offizin Verlag, Zürich 2015, 815 Seiten, 59 Euro

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