Lkw sucht verzweifelt Parkplatz

Brummi-Chaos an Raststätten

Lastkraftwagen bei Gotha (Thüringen) auf einem Parkplatz.
Wo hin mit dem Brummi? Parkplatzsuche an Autobahnraststätten. © Sebastian Kahnert / dpa
Von Vivien Leue · 05.12.2017
Die Zahl der Lkw auf deutschen Straßen wächst. Die Infrastruktur kann da nicht mithalten. Überall fehlt es beispielsweise an Parkplätzen für Laster. Lkw-Fahrer müssen oft stundenlang nach einem passenden Stellplatz suchen.
Es ist Abend in Düsseldorf. Während es draußen dunkel und kalt wird, sitzt Lkw-Fahrer Thomas vor seinem warmen Abendessen im Restaurant des Autohofs an der A46 bei Düsseldorf-Reisholz. Fast eine Stunde sei er "hier rumgegeistert, um einen Parkplatz zu kriegen", erzählt der 55-Jährige. "Das wird immer schlimmer." Nun ist er froh, dass er hier doch noch einen Platz für seinen 40-Tonner gefunden hat – und die Nacht in Ruhe verbringen kann. Denn der Platz ist beleuchtet und umzäunt, sicher also. Das ist Thomas wichtig, "weil die halt mal Sprit klauen oder dir die Sattelkupplung aufziehen". Die Plane hätten sie ihm im Berliner Ring auch schon aufgeschlitzt.

Dieselklau, Reserveradklau sei Gang und Gäbe

Wenige Tische weiter sitzt Jürgen, 57 Jahre alt. Auch er fährt schon seit Jahrzehnten Lkw. Und auch er sucht für seine Nachtruhe nach sicheren Parkplätzen, mit angeschlossener Gastronomie und Sanitäranlagen. In Deutschland, sagt er, gebe es nicht nur zu wenige Parkflächen. Die Parkplätze, die existieren, seien auch "so was von im schlechten Zustand. Dunkle Parkplätze, wo man Angst haben muss um sein Leben, keine Toilette auf dem Parkplatz." Dieselklau, Reserveradklau, das sei Gang und Gäbe.
Die Erfahrungen von Thomas und Jürgen hat eine Studie der Uni Duisburg-Essen und der IHK Niederrhein jetzt bestätigt. Die Forscher haben in der Region von Duisburg bis Kleve untersucht, wo und wie Lkw stehen, wenn sie nicht gerade unterwegs sind. Ergebnis: Neben den Tankstellen und Autohöfen werden zwar auch Gewerbegebiete angefahren, um die Lastwagen abzustellen.
Aber selbst das reicht nicht: Im Notfall weichen Fahrer auf innerstädtische Hauptstraßen oder sogar Wohngebiete aus. Die Situation könnte sich nach Ansicht des Verkehrs- und Logistikexperten der IHK Niederrhein, Ansgar Kortenjann, in den kommenden Jahren noch verschärfen. "Wir wissen, dass bis zum Jahr 2030 der Güterverkehr noch einmal wachsen wird", sagt er. Ein Großteil davon werde auf der Straße stattfinden. "Aber wir dürfen nicht nur auf den rollenden Verkehr schauen und uns mit dem Ausbau und den Erhalt der Straßen beschäftigten." Sondern auch auf den ruhenden Verkehr müsse man schauen.

Parkplätze zu bauen, reicht nicht

"Das einfachste ist natürlich, immer mehr Lkw-Parkplätze zu bauen. Der Güterverkehr wächst, die Fahrer müssen ihre Pause machen", sagt Marcus Hover, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik in NRW. Die Politik habe das erkannt und baue Parkplätze. "Jedes Jahr um die 1500 Stellplätze zusätzlich aber auch das ist natürlich nicht unendlich erweiterbar."
Allein auf den Neubau von Parkplätzen zu setzen, werde das Problem allerdings nicht lösen. "Die Menschen, die in der Nähe eines solchen Parkplatzes wohnen, die wehren sich dagegen. Man will nicht den Diesel-Geruch, man will nicht den Lärm, den so ein Parkplatz verursacht." Die Autoren der Duisburger Studie empfehlen deshalb, die schon vorhandenen Flächen besser zu nutzen. So gibt es in Gewerbegebieten zum Teil noch freie Parkplätze, aber die sind häufig zu schlecht ausgeschildert und somit kaum zu finden.

Apps und "dirigiertes Parken"

Das ist ein Punkt, an dem Studienleiter Professor Bernd Noche vom Zentrum für Logistik und Verkehr der Uni Duisburg-Essen ansetzen würde. Dafür müsse man sich viel mehr mit modernen Techniken befassen, meint er. "Wenn wir zum Beispiel Parkplätze ausweisen, dann wäre es nicht schlecht, den aktuellen Zustand der Parkplätze zu kennen und wenn ich über eine App einen Lkw-Fahrer irgendwohin schicke, sollten da auch Parkplätze sein." Ähnlich wie bei den digitalen Anzeigetafeln für Pkw in den Städten, könnten auch für Lastwagen entsprechende Hinweise auf noch freie Flächen die Parkplatzsuche vereinfachen.
Und: Vorhandene Flächen könnten noch effizienter genutzt werden, erklärt der stellvertretende Geschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik in NRW, Marcus Hover. Was schon erprobt werde, sei ein "dirigiertes Parken, das darauf abzielt, wann der Lkw-Fahrer wieder starten wird". Der Fahrer wisse ja, wann er wieder los wolle. "Und wenn man die Fahrzeuge so aufstellt, wie die demnächst abfahren werden, kann man die Parkplätze dichter packen, als die jetzt im Moment durch einfache Striche auf der Straße vollgemacht werden können."

"Vater Staat hat gepennt"

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Lkw-Fahrer brauchen nicht einfach nur einen Abstellort für ihr Fahrzeug, sie brauchen auch zumindest Toiletten, besser noch: Duschen – und eine Gastronomie. Außerdem wollen viele Fahrer sichere Parkplätze, die zum Beispiel mit einer Schranke geschützt sind. Doch wer soll das alles in Angriff nehmen und koordinieren? Die Kommunen oder das Land? Die ansässigen Firmen eines Gewerbegebietes oder die Spediteure?
"Es ist so, dass wir so etwas wie ein Netzwerk aufbauen müssen, wo Firmen zusammenkommen und in einen Dialog eintreten", sagt Professor Noche. Er plädiert für einen Runden Tisch zum Thema. "Ich könnte mir gut vorstellen, dass auch mehrere kleine Firmen sich an so etwas beteiligen, wenn sie wissen, dass ihre Lkw sicher irgendwo stehen. Für sie alleine rechnet es sich nicht, aber in einer Gruppe mit anderen."
Zurück auf den Autohof an der A46: Ein Runder Tisch, der Lösungen erarbeiten soll? Lkw-Fahrer Thomas glaubt nicht daran. Zu lange schon sucht er nach Parkplätzen, ohne dass sich etwas ändert: "Weil das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahren immer höher wird, noch höher wird, da findet kein Verkehrsminister oder sonst wer irgendeine Lösung." Und auch Jürgen klingt pessimistisch: "Vater Staat" habe gepennt, ganz einfach. "Hätte vor zehn Jahren schon mehr Parkplätze bauen müssen und hat geschlafen. Von Dortmund aus rüber bis nach Düsseldorf, diese ganze Breite, da gibt es keine Autohöfe, da ist nichts, da ist tot. Man weiß nicht, wo man hinsoll."
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