Literaturhaus Frankfurt

Empört über die Gratiskultur

Von Rudolf Schmitz · 13.02.2015
Hauke Hückstädt, der Leiter des Literaturhauses Frankfurt, hat einen offenen Brief an den Kulturdezernenten geschrieben. Darin beklagt er die kostenlosen Konkurrenzangebote der Stadt. Das Literaturhaus leiste die Kärrnerarbeit und sei zudem chronisch unterfinanziert.
Wieviel Konkurrenz verträgt die Literatur? Eine absurde Frage, könnte man meinen. Denn ist es nicht großartig, wenn eine Stadt wie Frankfurt, mit ihrer Buchmesse, ihrer Nationalbibliothek, dem Börsenverein des deutschen Buchhandels, dem S. Fischer Verlag Lesungen und literarische Events in Hülle und Fülle anbieten kann? Wenn die Literatur also so richtig "brummt?"
Jetzt kommt Beschwerde ausgerechnet von Hauke Hückstädt, dem Leiter des Frankfurter Literaturhauses. Seit seinem Amtsantritt vor knapp vier Jahren macht er einen sehr guten Job. Er sorgt für spannende Lesungen und Debatten, hat das Publikum verdoppelt, die Projektzuschüsse vervierfacht. Aber jetzt wirft er in einem offenen Brief an den Kulturdezernenten Felix Semmelroth der Stadt Konkurrenzgehabe und sogar aktive Behinderung vor. Statt zu fördern, zu stärken, zu vermitteln trete das Frankfurter Literaturreferat selbst als Veranstalter auf, mit einem Faible für eintrittsfreie Festivals, prominent besetzt. Motto: Lieber kurz und schick als langwierig und old fashioned.
Hauke Hückstädt: "Wir sind für Konkurrenz, selbstverständlich, wir sind für Vielfalt, wir sind für all die angesprochenen Formate, wir sagen nur, dass es viele Veranstalter gibt, die wirtschaftlich verantwortungsvollst arbeiten müssen und es kann und darf nicht sein, dass die Kommune diese wirtschaftliche Vernunft außen vor lässt."
Der Frankfurter Kulturdezernent Felix Semmelroth reagiert bestürzt, er ist sich keiner Schuld bewusst. Im Gegenteil:
"Nicht nur für Außenstehende mutet dieser offene Brief bizarr an, ich sehe auch gar keine Konkurrenz, es geht um eine Veranstaltung wie 'Open Books' zur Buchmesse, wo es an vier Tagen darum geht, einem wirklich großen Publikum, gleichsam einem Laufpublikum Foren zu schaffen, wo sie sich außerhalb des Messegeländes mit Literatur befassen können, an verschiedenen Orten der Stadt, im Zentrum, das ist ein Angebot an die Bevölkerung, an die Gäste in der Stadt."
Der Vorwurf: Die Stadt konkurriert das Literaturhaus nieder
Natürlich wird da niemand dem Kulturdezernenten widersprechen: Was ist falsch daran, die Buchmesse in die Stadt zu tragen und die Schriftsteller an möglichst vielen Orten lesen und auftreten zu lassen? Doch Hauke Hückstädt geht es um etwas Anderes: Die Stadt konkurriere das Literaturhaus nieder, meint er. Denn nicht nur "Open Books", sondern auch andere Literaturveranstaltungen seien kostenlos. Wenigstens einen symbolischen Betrag solle die Stadt verlangen, fordert er. Damit auch auf diese Art deutlich gemacht werde, dass Literatur einen Wert habe. Gratisveranstaltungen kann sich das Frankfurter Literaturhaus nicht leisten, bei einem Etat von 310.000 Euro. Hauke Hückstädt hält sich für unterfinanziert. Und dieser Zustand dauere nun schon viel zu lange.
"Das ist der Buchstadt Frankfurt nicht würdig, wir müssen darüber nachdenken, wie hoch unsere Literaturetats in Deutschland, in Frankfurt, in Köln sein müssen. Von uns werden Debatten, Konfrontationen erwartet, das haben wir geboten und das ist alles total wichtig und das muss ins Bewusstsein jetzt rücken".
Kulturdezernent Felix Semmelroth allerdings fragt sich, warum es eines empörten offenen Briefs bedurfte, um dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen
"Darüber könnte man natürlich reden, wäre Herr Hückstädt auf uns zugekommen. Meine Telefonnummer ist ihm bekannt, mein Vorzimmer ist immer besetzt, er ist mir herzlich willkommen."
Der Konflikt zwischen dem Frankfurter Literaturreferat und dem Literaturhaus mutet an wie "Jammern auf hohem Niveau". Doch vielleicht ist da auf der einen Seite jemand ziemlich erschöpft, weil er in den letzten Jahren so viel Energie, Ideen und Haushaltsdisziplin aufgebracht hat. Und die Stadt Frankfurt auf der anderen Seite erfreut sich an schnellen und öffentlichkeitswirksamen Erfolgen und lässt damit die Kärrnerarbeit des Literaturhauses altmodisch erscheinen. Mit Sicherheit ein prinzipieller Konflikt. Aber der müsste doch eigentlich lösbar sein, bei einigem guten Willen und so viel beidseitiger Liebe zur Literatur.
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