Lisa Warnecke: "Das Geheimnis der Winterschläfer"

Begeisterung für das Müde-Sein

Lisa Warnecke: "Das Geheimnis der Winterschläfer"
Lisa Warnecke: "Das Geheimnis der Winterschläfer" © imago / Nature Picture Library / C.H. Beck
Von Volkart Wildermuth · 13.10.2017
Igel und Fledermaus fallen in den Winterschlaf - die Nachricht ist schlicht, das Geheimnis dahinter aber groß: Wie geht Winterschlaf? Lisa Warnecke beschreibt lebhaft und packend ihre großen und kleinen Forschungsunternehmungen, die Rätsel um den Winterschlaf aufzulösen.
Gerade beginnt es wieder dunkler zu werden und damit auch kälter, feuchter und ungemütlicher. Für zahlreiche heimische Tierarten wie Igel oder Fledermaus beginnt jetzt die Zeit des Winterschlafes. Wie aber machen die Tiere das? Und was bedeute der Winterschlaf für diese Tier - diese Zeit, in der sie scheinbar leblos in Höhlen oder Erdlöchern ausharren, wirklich? Schlafen oder dämmern sie nur? Und wie passen Halbaffen ins Konzept der Winterschläfer? Fragen wie diesen widmet sich die Biologin Lisa Warnecke in ihrem Buch "Das Geheimnis der Winterschläfer" – und verrät dabei klug und geistreich vieles über das Leben zahlreicher Tiere. Von Deutschland, über Australien bis nach Madagaskar – denn ja auch da, fallen Tiere in den Winterschlaf.

Der Torpor und die Torpos-Pausen

Wenn die Zeiten schlecht sind, legen viele Tiere eine Pause ein. Nattern, Frösche oder Ameisen werden immer langsamer, wenn die Temperaturen sinken und erstarren schließlich ganz. Manche Säugetiere und Vögel dagegen regulieren ihren Stoffwechsel während des Winterschlafs gezielt herunter, und kommen dann mit nur fünf Prozent ihres normalen Kalorienverbrauchs aus. So sitzen sie die Kälte- oder die Trockenphasen am Äquator einfach aus. Sie befinden sich dann im sogenannten Torpor, ein Zustand, der mit Schlaf nichts zu tun. Tatsächlich wachen die Tiere sogar auf, um dann bei normaler Körpertemperatur tatsächlich kurz einzuschlafen. Denn ohne diese Wach-Pausen würde das Gehirn den Torpor wohl nicht überstehen.
Lisa Warnecke ist aber mit Leib und Seele "Gummistiefelbiologin", sie will raus zu den Tieren, egal wie kalt die Luft, wie unwegsam das Gelände ist. Die Herausforderungen der Feldforschung beschreibt sie genauso wie ihre Ergebnisse, und darin liegt der große Charme ihres Buches. In Hamburgs Villenvierteln ärgert sie sich über Diebe, die Teile ihrer Funkausrüstung klauen. In Australien lebt sie über Monate im Wohnwagen, um Bilchbeutler zu beobachten, die tagsüber eine Torpor-Pause einlegen. Und in Kanada gräbt sie sich weit ab jeder Zivilisation durch den Schnee in Fledermaushöhlen und bricht in Begeisterung aus, als die elektronische Ausrüstung trotz der arktischen Temperaturen Messdaten ausspuckt. Darüber hinaus berichtet sie aus dem Alltag der Forschung und zitiert zahlreiche Studien aus dem Labor.

Hautnah beim Winterschlaf dabei

Ihre Leserinnen und Leser erleben so hautnah mit, wie mühsam und mit wie vielen Rückschlägen wissenschaftliche Erkenntnisse verbunden sind. Aber auch wie inspirierend die Arbeit sein kann, wenn man etwa miterlebt, wie in einer Fledermauskolonie ein Tier nach dem anderen kurz aus dem Torpor erwacht. Denn von der ersten Fledermaus aus breitet sich eine Art Bewegungswelle über die ganze Kolonie aus, bevor alle Tiere wieder wegdämmern. Ganz nebenbei erfährt man dann auch noch eine Menge über die Evolution, den Klimawandel und den Artenschutz.
Lisa Warnecke steckt mit ihrer Begeisterung für das Phänomen Winterschlaf an. Wenn die Tage länger werden, kann man sich in ihrem Buch gut auf Forschungsfahrt wegträumen. Den Winterblues im Torpor wegdämmern, ist dann aber doch keine Option: Zwar hofft die NASA, so Astronauten die lange Reise zum Mars zu verkürzen, aber für den Winterschlaf reicht es eben nicht den Organismus abzukühlen, man muss schon den ganzen Stoffwechsel umsteuern - und das scheint, Menschen dann doch zu überfordern. Ein grandioser Lese-Spaß!

Lisa Warnecke, Das Geheimnis der Winterschläfer.
Reise in eine verborgene Welt
C.H. Beck Verlag, München 2017, 205 Seiten, 19,95 Euro

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