Lieder der Welt

Von Vincent Neumann · 10.12.2010
Folklore aus aller Welt bildet das Fundament des Chores, der nach seinem Gründer Gerd Onnen benannt ist. Dessen Sohn Manfred leitet heute den Onnen-Chor und ergreift auch besondere Maßnahmen, damit den schwäbischen Chormitgliedern die vielen Sprachen über die Lippen gehen.
Es ist idyllisch in Heumaden, einem Stadtteil im Stuttgarter Südosten. Die Alte Kirche, vor über 500 Jahren erbaut, liegt im Dunkeln, nur selten stört ein Auto die Ruhe. Ganz anders geht es im Gemeindesaal hinter der Kirche zu: Aus der großen Fensterfront fällt heller Lichtschein, und auch mit der Ruhe ist es nicht weit her – denn hier proben, wie jeden Montagabend, die Sängerinnen und Sängern des Onnen-Chores.

Unschwer zu erkennen, dass hier gerade das Programm für das kommende Weihnachtskonzert eingeübt wird – die Melodie ist bekannt, doch das spontane Mitsingen könnte an Textproblemen scheitern.

"Oh Du Fröhliche" im italienischen Original – aber nicht nur die Sprache des Textes ist anders. Bei der Probenarbeit legt Chorleiter Manfred Onnen vor allem Wert auf den besonderen Ausdruck in der Musik:

"Es darf nicht klingen wie 'Oh Du Fröhliche' auf italienisch, verstehen wir uns? Es muss italienisch klingen, und dann der Überraschungseffekt, dass 'Oh Du Fröhliche' daraus abgeleitet ist. Das ist entscheidend. Also mit mehr Schmelz als in der deutschen Variante. Ok? Danke!"

Folklore aus aller Welt bildet das Fundament des Chores, das Repertoire umfasst inzwischen über 300 Stücke. In der Probenarbeit müssen da bei Texten, die nicht ganz leicht über die Lippen gehen, schon mal besondere Maßnahmen ergriffen werden:

Manfred Onnen: "Wir haben ja inzwischen über 60 verschiedene Sprachen im Repertoire, die wir nicht alle kennen, sondern die wir dann können für diesen Zweck. Und wenns nicht grad eine der Weltsprachen ist, lernen wir sie eben auf rein phonetische Art, mit dem Wissen, was es bedeutet, was wir da gerade sprechen oder singen, damit es nicht irgendwie konterkariert wird durch Mimik oder durch den Ausdruck, Interpretation, sondern dass es so klingt , wie es sein soll."

Ulrike Petz: "Es gibt Sprachen, asiatische oder die russischen, die sind natürlich für unser Ohr was ganz Ungewöhnliches. So die südeuropäische und so was, das ist man eher noch ein bisschen gewöhnt, das ist einfacher. Da wird's dann schon bei denen ein bisschen schwieriger. Aber es muss. Und irgendwann geht's dann auch, spätestens beim Konzert."

Sagt Ulrike Petz – sie spricht aus Erfahrung und hat schon viele erfolgreiche Konzerte mit dem Onnen-Chor hinter sich. In der Pause genießt sie vor der Tür des Gemeindehauses die klare Heumadener Landluft:

"Na ja, wenn man einmal dabei ist, dann – es macht auch Spaß – dann muss man das weiter machen."

Neben Ulrike Petz zündet sich Gert Leonhardt eine Zigarette an. Das kann man sich erlauben, wenn man schon sein halbes Leben lang Chormitglied ist:

"Nein, Gründungsmitglied bin ich nicht, aber ich bin schon seit 1975 dabei, also auch schon recht lange."

Inzwischen ist Gert Leonhardt Rentner. Das ist aber für den langjährigen Bass noch lange kein Grund, auch im Chor etwas kürzerzutreten:

"Wir haben tolle Konzertreisen gemacht: nach Budapest, nach Montreux, zu den Festivals. Und das war schon sehr interessant und sehr abwechslungsreich. Aber es gab so viele Veranstaltungen in den Jahren, also man kann sie eigentlich gar nicht alle aufzählen."

Auf rund ein halbes Jahrhundert Geschichte kann der Onnen-Chor inzwischen zurückblicken – Im letzten Jahr wurde das 50-jährige Bestehen gefeiert. Gerd Onnen, der Vater des jetzigen Chorleiters, hatte während seiner Kriegsgefangenschaft ein Faible für russische Volkslieder entwickelt. Dadurch angeregt rief er 1959 den Folklore Singchor Stuttgart ins Leben, der später nach seinem Gründer umbenannt werden sollte.

Ein Name, der auch heute noch passt, denn nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm Manfred Onnen 1977 die Leitung des Familienunternehmens Onnen-Chor:

"Dieser Chor, der hatte damals so etwas über 35 Leute. Ich sag: Da können wir doch jetzt nicht einfach aufhören. Dann versuch ich mal, ob ich, mit dem was wir haben, Proben gestalten kann und irgendwie wird das schon gehen. Aber es war ne wahnsinnige Arbeit, und ich hab mich da in alles Mögliche hineinstürzen müssen, um das überhaupt zu managen."

Zumal es ja nicht nur um die Probenarbeit geht.

"Die Arrangements, die Bearbeitungen mache ich eigentlich zu 98 Prozent alle selbst. Und auch eigene Kompositionen, also, immer wieder mal einstreuen. Ich möchts nicht übertreiben, weil die Lieder, die wir sonst irgendwo anders finden, sind alle so toll."

Wie dieses, durchaus nicht unbekannte Stück. Als "Morning has broken" wurde es weltbekannt – eigentlich ist es aber ein schottisches Weihnachtslied, für das sich der Onnen-Chor nun im Gälisch übt.

Das Weihnachtsprogramm sitzt, und zu guter Letzt dürfen die Sängerinnen und Sänger des Onnen-Chores dann auch noch mal auf Deutsch singen. Wobei aber auch das durchaus seine Tücken haben kann.(0:10)

Ulrike Petz: "Das ist dann aber sogar fast noch schwieriger, weil das muss man richtig aussprechen und so. Kann ja doch schwäbisch daher kommen ... "

Und wenn sich ein Tenor in der Probe noch kurz mit seinem Handy beschäftigt, dann liegt das nicht am mangelnden Interesse für die Musik, sondern geschieht natürlich mit Blick auf das anstehende Weihnachtskonzert des Onnen-Chores:

"Ich muss mir grad unsere neue Homepage anschauen. Da ist der Weihnachts-Flyer drauf für dieses Konzert, und das wollte ich mir jetzt grad mal angucken."

Service:
Am Sonntag, den 12.12. um 18:00 Uhr, findet das Weihnachtskonzert des Onnen-Chores in Stuttgart in der KKL-Liederhalle statt. Weitere Infos und Auftrittstermine finden sie auf der Chor-Homepage.