Lieber verstecken statt anecken

Von Heide Rasche · 27.06.2012
Aserbaidschan kennt im Unterschied zu anderen früheren Sowjetrepubliken, darunter auch Russland, keine homophoben Gesetze. Trotzdem führen Homosexuelle hier bis heute oft ein Doppelleben. Der Weg zur Gleichberechtigung für die Gay-Community ist hier noch lang.
Die Zentrale des aserbaidschanischen Schwulenverbandes liegt versteckt in einem Hinterhof am Rande der belebten Innenstadt. Hierhin verirren sich nur wenige Fremde, hier gibt es keine Glitzerfassaden, keinen Glamour, stattdessen alte, baufällige Häuser, tiefe Schlaglöcher in den Straßen. Das Büro ist im Keller. Die bunte Regenbogenfahne macht gleich klar, hier ist das Hauptquartier des Verbandes, der sich für die Rechte von Schwulen und Lesben in Aserbaidschan einsetzt.

Es ist der einzige Verband dieser Art landesweit. Offiziell allerdings nennen sie sich "Gender & Development", kümmern sich also um die Geschlechterrolle und Entwicklung in der Gesellschaft, von Homosexualität ist hier offiziell keine Rede.

Kamran Rzajew und Elkhan Baghirow, die beiden Hauptaktivisten des Verbandes, bekommen staatliche Gelder für ihren Kampf gegen AIDS. Die beiden Mittdreißiger sind seit mehr als zehn Jahren ein Paar, leben in einer gemeinsamen Wohnung. Für sie ist es kein Problem, offen schwul zu leben. Kamran Rzajew räumt allerdings ein, dass das nicht für alle gilt

"Es kommt auf den Menschen an, wenn er Selbstvertrauen hat und genügend finanzielle Mittel, ist es gleich, was seine Familie, Freunde oder Nachbarn von ihm denken. Aber wenn er finanziell abhängig ist oder von der Meinung seiner Freunde oder Familie, dann ist das ein Problem. Das ist überall auf der Welt so und nicht nur in Aserbaidschan."

Vorwürfe, Aserbaidschan sei ein schwulenfeindliches Land. ärgern sie ungemein. Das könne doch gar kein Außenstehender beurteilen. Homosexualität sei für die meisten Aserbaidschaner einfach nach wie vor etwas Fremdes. Aber niemand habe Angst vor den Schwulen, im Gegensatz zum Nachbarland Iran. das während des Eurovision Song Contests sogar seinen Botschafter aus Baku abzog. Iranische Geistliche hatten Aserbaidschan mehrfach beschuldigt, im Rahmen des Wettbewerbs auch Kundgebungen von Homosexuellen erlauben zu wollen, die im Iran verboten sind. Für Elkhan Baghirow völlig unverständlich.

"Wir wollten noch nie eine Gay Parade hier in Aserbaidschan veranstalten. Und werden es auch in nächster Zukunft nicht tun. Nicht nur, weil unsere Gesellschaft noch nicht reif für so ein Event ist, sondern auch unsere Organisation nicht."

Insgesamt sei es aber besser, seine Homosexualität nicht allzu offen vor sich herzutragen, meint Kamran Rzajew. Grundsätzlich sei es in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion so, dass Sexualität sich eher im Verborgenen abspiele. Küssen auf offener Straße? Undenkbar für die beiden. Was aber nicht heiße, dass es in Baku nicht ausreichend Treffpunkte gebe. Sie seien nur eben nicht so bekannt in der breiten Öffentlichkeit.

"Die Gesellschaft hat nicht viele Informationen über Schwulenbars und wir werden nicht allen alles drüber erzählen, aber hier gibt es ganz normale Schwulenbars, so wie im Westen. Warum sollten wir auf die Straße gehen und jeden mit der Nase drauf stoßen, dass da ein Schwulenclub ist? Solche Sachen brauchen wir nicht. In so einem Fall sollten die Heteros auch darauf hinweisen, wo ein Bordell ist. Wozu das? Ein Klub ist ein Klub!"

Trotzdem, von Antidiskriminierungsgesetzen ist Aserbaidschan noch meilenweit entfernt, geschweige denn von Gleichstellungsrechten, wie sie in einigen westlichen Staaten inzwischen existieren. Die Registrierung ihrer Partnerschaft oder gegenseitige Erbansprüche, für Elkhan Baghirow ist das zur Zeit kein Thema. Und auch wenn die beiden unbehelligt in Baku leben, auf dem Land sei es durchaus noch schwierig, räumen sie ein. Hier sei ein Coming-out nach wie vor beinahe unmöglich.
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