Liebe per Fahrradkurier

Von Christian Berndt · 17.11.2013
Ila versucht ihren Ehemann durch Mittagessen zurückzugewinnen. Doch der Kurier, der ihm die "Lunchbox" bringen soll, liefert sie aus Versehen bei dem einsamen Saajan ab. Daraus entspinnt sich ein immer persönlicher werdender Briefwechsel.
"Hast Du an alle Gewürze gedacht?"
"Oh nein, ich glaub, ich habe irgendwas vergessen."
"Dachte ich mir, hier, nimm Dir. Du wirst sehen, dieses neue Rezept wird Wunder bewirken. Ein Bissen davon, und er baut ein Taj Mahal für Dich." "Das Taj Mahal ist ein Grabmahl, Auntie!"

Ila kocht Mittagessen für ihren Mann Rajeev, die Nachbarin gibt die Anweisungen. Rajeev ignoriert seine Frau schon länger, und Ila versucht, sein Herz übers Essen wiederzugewinnen. Täglich lässt sie aus dem Vorort von den Dabbawallas eine Lunchbox zum Arbeitsplatz ihres Mannes in die Stadt schicken - wie Hunderttausende in Mumbai. Aber ausgerechnet bei ihr machen die sonst fehlerlos liefernden Fahrradboten einen Fehler:

"Was hat Rajeev gesagt?"
"Gar nichts."
"Was?"
"Auntie, ich glaube, die Lunchbox ist bei jemand anderes gelandet. Und dem scheint‘s gut geschmeckt zu haben."

Die Lunchbox hat Saajan bekommen - ein Versicherungsangestellter kurz vor der Rente. Völlig überrascht von dem leckeren Essen, findet er einen Tag später sogar noch einen Brief in der Lunchbox:

"Danke, dass sie gestern alles aufgegessen haben. Das Essen war eigentlich für meinen Mann bestimmt. Als die Lunchbox leer zurückkam, war ich mir sicher, er würde abends etwas dazu sagen. Für einige Stunden dachte ich, Liebe könnte wirklich durch den Magen gehen. Zum Dank für diese Stunden schicke ich Ihnen heute Panier."

Saajan ist völlig verblüfft - und antwortet. Aus diesem Zufall entsteht ein Briefwechsel, der immer persönlichere Züge annimmt - Ila schreibt von ihren Eheproblemen, der einsame Saajan über seine verstorbene Frau. Die beiden werden Vertraute - zwar nur per Brief, aber der Kontakt beginnt ihr Leben zu verändern. Ila überdenkt ihre Ehe, der verschlossene Saajan öffnet sich langsam gegenüber anderen, wie seinem jungen Kollegen Shaikh:

"Kann ich Sie was fragen Shaikh?"
"Sir, fragen Sie."
"Waren Sie schon mal in Bhutan?"
"Bhutan? Ich war nur bei den Saudis. Aber Bhutan ist nicht übel, die Wirtschaft liegt dort am Boden, die indische Rupie ist da fünfmal so viel wert, ist sicher nicht schlecht in Bhutan. Meine Mutter hat immer gesagt, der falsche Zug fährt auch manchmal zum richtigen Ort."
"Schön."

Ritesh Batra entwickelt in "Lunchbox" zwar eine märchenhaft unwahrscheinliche Geschichte - aber der an Originalschauplätzen gedrehte Film stellt mit präzisem Realismus den chaotischen Alltag in der Millionenmetropole Mumbai dar.

Und die unsentimental erzählte Fast-Romanze findet auch nicht zum klassischen Happy End á la Bollywood, sondern zeigt auf lakonische Weise: Selbst wenn man den falschen Zug erwischt, ist das allemal besser, als gar nicht erst einzusteigen, zumal man ja vielleicht trotzdem in die richtige Richtung fährt .