"Letters from Iraq" von Oud-Meister Rahim Alhaj

Viel mehr als nur Krieg

Eine Hand spielt die Saiten einer Oud
Eurasian Unity beim Weltmusikfestival Rudolstadt 2015 © mdr
Von Arndt Peltner · 04.05.2017
Das neue Album des Oud-Musikers Rahim Alhaj ist ein politisches Statement: "Letters from Iraq" ist eine klangvolle Reise in ein Land, das viele Amerikaner nur mit dem Krieg und Terror in Verbindung bringen – eine Pforte in einen unbekannten Kulturraum.
"Ich schwor niemals still zu sein, wann immer und wo auch immer Menschen Leid und Erniedrigung ertragen… Das Schweigen ermutigt die Peiniger, niemals die Gepeinigten."
Diese Worte des Nobelpreisträgers Elie Wiesel stehen am Anfang des Booklets von "Letters from Iraq" und zeigen, dass das neue Album von Rahim Alhaj mehr ist als nur eine Platte für Oud und Streichquintett. Die Veröffentlichung kommt zu einer Zeit, in der der neue US-amerikanische Präsident Einreiseverbote für Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern durchsetzen will. In der ersten Version des präsidialen Dekrets stand auch das Heimatland von Alhaj auf dieser Liste: der Irak. Der in New Mexico lebende Oud Musiker kann darüber nur lachen:
"Letztes Jahr erhielt ich einen wunderschönen Brief von Präsident Obama, als ich ein Stipendium der "National Endowment for the Arts" erhielt. Sie nennen mich in dem Brief einen "lebenden Schatz"…zwei Monate später bin ich hier nicht mehr willkommen ... Ich sag mir, Moment mal, das ist ironisch, unglaublich. Der erste Präsident sagt, danke Dir Rahim für Dein wunderbares Geschenk, Du bereicherst unser Land hier. Und zwei Monate später bin ich nicht mehr willkommen hier."
Gerade deshalb hält er seine neue Platte für wichtig und brisant.
"Es Ist eigentlich tragisch. Unvorstellbar für mich, wenn wir im 21. Jahrhundert noch immer über Rassismus sprechen und Vorurteile gegen Menschen haben. Wir sollten es durch unsere Geschichte besser wissen. Rassismus ist keine Antwort, Krieg ist keine Antwort, Zerstörung ist keine Antwort darauf, wie wir unseren Planeten zu einem besseren Ort für zukünftige Generationen machen können."

Alhaj trifft den richtigen Ton

Letters from Iraq" ist eine zarte, tiefsinnige und klangvolle Reise in ein Land, das viele Amerikaner nur mit dem Krieg in Verbindung bringen. Vergessen werden die lange Geschichte des Irak, seine reichhaltige Kultur und die Erfahrungen aus der ganzen Region.
"Dieses Album dreht sich nicht um mich, um Rahim Alhaj. Es geht vielmehr darum, über ein wichtiges Dokument unserer Zeit zu sprechen. Wie Du weißt, war die Invasion im Irak einer der größten Fehler. Als ich 2003, nach der Invasion, in den Irak reiste, gab mir mein Neffe unbeabsichtigt diese Briefe. Er sagte, er habe sie nach Amerika geschickt. Und ich fragte ihn, was er damit meine. Und er zeigte mir diese Briefe, die er in die USA gesendet hatte. Ich war überrascht und erstaunt."
Rahim Alhaj wollte diese Briefe den Amerikanern zeigen. Irgendwie wollte er von den Ängsten, den Wünschen, dem Leben in seiner alten Heimat berichten. Er dachte anfangs an Vorträge an Universitäten, an Präsentationen in Kultureinrichtungen.
"Und dann sagte ich mir: Moment mal, das ist ein wichtiges Dokument und muss größer sein als ein Vortrag in Friedens- und Gerechtigkeitszentren an Universitäten. Also fing ich damit an, diese Briefe in Musik zu übersetzen und das ist die Basis dieses Albums."
Rahim Alhaj hat den richtigen Ton gefunden. "Letters from Iraq" lässt ein Land erklingen, in dem der Schmerz, das Wehleiden, die Klagen zum Alltag gehören. Und dennoch ist da auch viel Hoffnung, Sehnsucht und Nähe zu spüren. Die acht Lieder öffnen eine Pforte in einen unbekannten Kulturraum. Auf "Letters from Iraq" sprechen die Instrumente, die Oud erzählt die Geschichten aus den Briefen, die Violinen, das Cello und der Bass antworten, fragen nach. Ein wundervoll klanglicher Dialog entsteht. Ein bewegendes Album in einer schwierigen Zeit.
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