Lernen aus dem VW-Skandal

Raus aus dem SUV, rauf aufs Fahrrad!

Radfahrer, unterwegs auf einer Straße in Köln
Radfahrer, unterwegs auf einer Straße in Köln © picture alliance / dpa
Von Korbinian Frenzel · 26.09.2015
Im VW-Abgas-Skandal geht es um Betrug des Wolfsburger Konzerns. Doch auch der Verbraucher sei nicht unbeteiligt, kommentiert Korbinian Frenzel. Die Überzeugung, immer größere Autos fahren zu können, ohne der Umwelt zu schaden, sei kollektiver Selbstbetrug.
Zwei Worte reichen in dieser Woche, um den Wolfsburger Blues zu beschreiben: Abgaswerte und Lewandowski. Die eine Schmach dauerte neun Minuten – fünf Tore des Bayern-Stürmers gegen den VfL Wolfsburg. Die andere Schmach, sie dauert an – trotz des schnellen Rücktritts von VW-Chef Martin Winterkorn.
Volkswagen wankt – und das, soviel Vergleich mit dem Fußballspiel dieser Woche sei erlaubt, nachdem der Konzern eigentlich gerade in Führung gegangen ist. Kein Konzern verkauft weltweit mehr Autos als VW. Das Ziel Winterkorns, die bisherige Nummer eins - Toyota - zu überholen, war gerade erst erreicht.
Wer so hoch steigt, kann tief fallen. Wie tief dieser Fall am Ende sein wird, hängt jetzt zuerst daran, wie gut Volkswagen diese Krise managt. Und dazu gehört in erster Linie eine ehrliche Aufklärung: In welchem Umfang wurde betrogen? Und: Wer ist für den Betrug verantwortlich? Die Antworten drängen.
Selbstbetrug einer automobilverliebten Nation
Reicht das? Sicher nicht. Denn diese Affäre ist nur in dem Teil eine VW-Affäre, in dem es um den offensichtlichen Betrug geht. Sie ist unser aller Affäre, weil sie das Scheinwerferlicht auf den Selbstbetrug einer automobilverliebten Nation wirft: der Glaube, ohne Einschränkungen weiterhin automobil sein zu können – und gleichzeitig Umwelt und Gesundheit in einem Maße zu schützen, wie es geboten und gewünscht ist.
Wir schaffen es nicht – das ist die eigentliche Botschaft der Ingenieure aus diesem VW-Skandal. Wir können nicht immer größere, mit immer leistungsstärkeren Motoren ausgestattete Autos bauen – und gleichzeitig Schadstoffe in einem Maße senken, wie es Grenzwerte einfordern. Schon vor der Skandal-Welle aus Wolfsburg war genau das übrigens ein leises, aber dauerhaft präsentes Thema bei der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt - aus Sicht der Automobilbranche mit einer klaren Stoßrichtung: Quält uns nicht mit stets strengeren Grenzwerten.
Deutschlands Politik hat diese Rufe immer gerne weitergetragen. Berlin, egal welcher Couleur die Regierung war, hat in Brüssel und anderswo stets die Lobby-Karte für die heimischen Auto-Bauer gespielt. Für die wichtigste Branche des Landes brachte es eine falsche Gewissheit: Nichts muss sich ändern.
Ändern muss sich aber viel. Wer die Augen aufhält im Straßenverkehr, der sieht, dass die Straßen immer voller werden, ohne dass es mehr Menschen gibt in diesem Land. Der sieht, dass Autos stets schwerer, breiter und höher werden – dass immer mehr Autofahrer zudem das eigenartige Bedürfnis haben, mit Geländewagen durch Städte zu fahren. Eine neue Filtertechnik hier und ein Effizienzgewinn dort ist angesichts dieses Wachstums bestenfalls der berühmte Tropfen.
Es muss eine Verkehrswende eingeleitet werden
Die Kanzlerin braucht mehr als das – wenn sie an diesem Wochenende bei der UNO glaubwürdig für eine Dekarbonisierung der Wirtschaft werben will, also für eine Abkehr vom CO2. In der EU kommt ein Viertel aller Treibhausgase aus den Auspuffen von Autos und LKWs – die Emission sind, anders als in der Industrie, seit 1990 massiv gestiegen.
Der Skandal um VW sollte insofern auch für die Politik ein Anstoß sein, nicht nur auf das Wunder Technik zu hoffen. Es muss stattdessen eine Verkehrswende eingeleitet werden, die zuallererst darauf setzt, Verkehr zu vermeiden, ihn zweitens zu verlagern auf Busse, Bahnen und Fahrrad – und die auch auf saubere Motoren setzt.
Der Skandal um VW muss auch die Auto-Konzerne in Bewegung bringen: Zukunft hat, wer Mobilität verkauft – und nicht nur und allein Automobile. Die viel gescholtene Bahn liefert in der Hinsicht ein gutes Beispiel: Sie bietet schon lange mehr als nur Zugtickets, sie ist einer der größten Car-Sharing-Anbieter, stellt Mietfahrräder in ganz Deutschland bereit und betreibt nationale und internationale Buslinien.
Der Skandal um VW fordert aber auch uns alle. Denn all das, was die Politik einleiten und die Konzerne tun müssten, funktioniert nur, wenn wir als Verbraucher mitmachen. Also, raus aus dem SUV, rauf aufs Fahrrad.
Mehr zum Thema