Leistungsschutzrecht weist "in die richtige Richtung"

Christoph Keese im Gespräch mit Susanne Burg · 06.03.2012
Der Verlagsgeschäftsführer des Springerverlags, Christoph Keese, hat den Beschluss der Bundesregierung begrüßt, das Leistungsschutzrecht einzuführen. Damit werde eine Gesetzeslücke geschlossen, sagte der Sprecher zum Urheberrecht der Verlegerverbände.
Susanne Burg: Drei Jahre nach dem Koalitionsvertrag will die Bundesregierung nun eines ihrer medienpolitischen Vorhaben in die Tat umsetzen. Gewerbliche Anbieter wie zum Beispiel Suchmaschinenbetreiber Google sollen künftig eine Abgabe an Verlage zahlen, wenn sie Artikel aus Zeitungen online verlinken oder mit in ihr eigenes Angebot einbinden. Der Koalitionsausschuss hat am Sonntag beschlossen, das sogenannte Leistungsschutzrecht voranzutreiben.

Christoph Keese ist Verlagsgeschäftsführer des Springerverlages und Sprecher zum Urheberrecht der Verlegerverbände. Mit ihm bin ich jetzt telefonisch verbunden. Guten Morgen, Herr Keese.

Christoph Keese: Ja, schönen guten Morgen, Frau Burg.

Burg: Herr Keese, welche Vorteile bringt denn die geplante Novelle den Zeitungsverlagen?

Keese: Damit wird eine Gesetzeslücke geschlossen, die seit Jahrzehnten besteht. Alle Branchen der Kreativwirtschaft, das sind Film-, Musik-, Konzertveranstalter haben ein sogenanntes Leistungsschutzrecht seit Jahrzehnten, teilweise seit Anfang der 60er-, Mitte der 60er-Jahre. Die Einzigen, die es bisher noch nicht hatten, waren die Presseverleger, und das rächt sich jetzt in der digitalen Welt, nie war es so einfach wie heute, einfach Sachen aus dem Internet zu kopieren und auf anderen Seiten weiterzuverwenden - das ist ja heute eigentlich nur noch eine Sache von einem Mausklick oder, noch viel einfacher, von einem Computer, der programmiert wird, auf die Webseiten von Verlagen zu gehen, dort zu kopieren, es auf andere Seiten draufzuheben.

Dagegen gibt es heute keinen wirksamen rechtlichen Schutz, und diese Lücke schließt das Leistungsschutzrecht, deswegen weist es absolut in die richtige Richtung.

Burg: Der Vorstoß erntet allerdings viel Kritik. Die Piratenpartei nennt die Novelle ein "Internetwegezoll für die marktführenden Verlage". Wenn man dem Bild folgt, dann sind Verlage also mittelalterliche Ritter, die Zollhäuschen aufbauen und Gebühren eintreiben, statt moderne Geschäfte zu machen.

Keese: Ja, ich habe das auch gelesen und hab mich darüber amüsiert, weil das Gegenteil ist der Fall. Wenn Sie mal schauen, das Internet ist Anfang der 90er-Jahre entwickelt, man kann sagen, erfunden worden, und die Verlage waren mit die Ersten, die im Internet aktiv gewesen sind. Seiten wie "Welt Online" oder "Spiegel" sind schon Anfang der 90er-Jahre im Internet gewesen, die zählten mit zu den Pionieren und haben sich seitdem dynamisch weiterentwickelt und haben unglaubliche Reichweiten mittlerweile erzielt.

Sie haben große millionengroße Fangemeinden, aber sie leiden alle gemeinsam darunter, dass Dritte von ihren Seiten herunterkopieren und damit ein eigenes Geschäft machen. Teilweise sind es nur kleine Ausschnitte, manchmal sind es aber auch, oder oft sind es ganze Texte, die kopiert werden, und dagegen gibt es keinen wirksamen rechtlichen Schutz. Was hier nicht geschehen soll: Es soll kein Schutzwall um alte Geschäftsmodelle entstehen, das brauchen Verlage nicht. Da sind wir selbstbewusst genug, wir sind innovativ, wir haben das immer unter Beweis gestellt - Schutzwälle brauchen wir nicht. Was wir brauchen, ist einen guten, wirksamen Schutz gegen das Kopieren von unseren Seiten.

Burg: Wenn Sie "Spiegel Online" erwähnt haben, die sind ja tatsächlich die Vorreiter. Die machen es ja - aber als einer der wenigen - wirklich erfolgreich vor: Im Internet lässt sich mit Journalismus Geld verdienen, aber sie verdienen eben ihr Geld über Werbung, nicht über, also - das ist ihre Einkommensquelle - bleibt aber doch der Vorwurf, dass die anderen großen Verlage den Zug der Zeit verschlafen haben, denn die haben geglaubt, mit guten Inhalten im Netz lässt sich eben kein Geld verdienen. Jetzt eben der Vorwurf, dass sie nun nachträglich Geld eintreiben wollen.

Keese: Nein, das ist ein unberechtigter Vorwurf, weil "Spiegel Online" ist natürlich ein prominentes Beispiel. Aber eine noch größere Reichweite als "Spiegel Online" hat "bild.de" aus unserem Hause. Denken Sie an "faz.net", denken Sie an die "sueddeutsche.de", denken Sie an "focus.de", an "stern.de".

Es gibt eigentlich keinen Verlag, der nicht im Internet sehr, sehr erfolgreich ist. Dass wir alle die Zukunft verschlafen hätten und nicht wissen, wie das Internet funktioniert, das kann man nun wahrlich nicht behaupten, und die Zahlen sprechen auch dagegen. Die Zahlen sind öffentlich, die werden jeden Monat von einer Institution, die sie misst, die IVW heißt, veröffentlicht. Und man kann an diesen Zahlen sehen, wie erfolgreich von den Leserzahlen her Verlage im Netz sind, aber es bleibt das Problem: Im Internet, und das ist ja nicht nur in unserer Branche so, ist eben sehr, sehr leicht zu kopieren.

Diese Probleme hat ja auch die Musikwirtschaft und die Filmwirtschaft. Und nur darum geht es. Es geht nicht darum, neue Erlösquellen zu erschließen und unsere Aufgabe einfacher zu machen, die digitale Wirklichkeit oder Herausforderung zu meistern - das schaffen wir schon alleine, das ist unsere Aufgabe. Es geht einfach nur darum, dass Eigentum vernünftig ¬- auch im Internet - geschützt werden muss. Um nicht mehr und nicht weniger geht es.

Burg: Aber ist es denn wirklich vergleichbar mit der Musik, denn das Urheberrecht besagt ja schon, die Urheber werden entgolten für ihre Leistung, für ihre Texte, die Inhalte stehen dann im Netz und wer komplett kopiert, wird verfolgt und bestraft. Insofern ist das doch eigentlich schon geregelt.

Keese: Nein, das ist nicht wirklich geregelt. Man muss im Urheberrecht unterscheiden zwischen dem Recht des Urhebers, also des Komponisten oder der Autoren oder Fotografen, und dem Recht des sogenannten Werkmittlers. Klingt kompliziert, damit ist aber der Musikverlag gemeint oder die Musikfirma oder die Filmfirma oder eben der Presseverlag.

Die beiden haben unterschiedliche Rechte, und was jetzt eben die Presse auszeichnet, ist, dass die Presse über die vergangenen Jahrzehnte, anders als die Musik- und Filmbranche kein eigenes Recht hatte, sondern immer darauf angewiesen war, von den Autoren Rechte einzuholen. Und das ist auch für die Autoren keine günstige Entwicklung, weil die Autoren damit mehr und mehr unter Druck geraten, möglichst viele Rechte abzugeben an die Verlage, damit die Verlage in der digitalen Welt sich bewähren können.

Das kann nicht die richtige Entwicklung sein, da macht uns die Film- und Musikbranche schon seit Jahren vor, dass es anders besser gelöst ist, indem nämlich beide Seiten, sowohl die Urheber als auch die Werkmittler, sprich die Musikfirmen, Plattenfirmen, Presseverlage ein eigenes Recht haben. Das funktioniert in der Praxis besser.

Burg: Nun sagen aber Kritiker, die Urheber, also die Journalisten, werden von dieser Gesetzesnovelle dennoch nichts haben, bei ihnen wird kein Geld ankommen. Es heißt in der Koalitionsvereinbarung, auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechtes erhalten, aber die Frage ist ja, was angemessen ist. Ist es dann nicht doch eigentlich Augenwischerei?

Keese: Nein, überhaupt nicht. Der Koalitionsausschuss hat ja sehr deutlich in seiner öffentlichen Erklärung vom Sonntagabend gesagt, Autoren, das haben Sie völlig richtig zitiert, sind angemessen zu beteiligen. Weiter kann der Gesetzgeber nicht gehen, weil es ja Tarifautonomie gibt: Wie hoch Beteiligungen und Honorare sind, müssen immer die Tarifpartner miteinander aushandeln.

Und diese Formulierung "angemessene Beteiligung" kennt man aus vielen Gesetzen, kennt man auch aus vielen Teilen des Urheberrechtes. Das ist nur der juristische Ausdruck dafür, das sich bitte die Tarifparteien zusammensetzen müssen und auf eine Summe kommen müssen, wie hoch die Beteiligung ist. Der Gesetzgeber sagt nicht, wie hoch sie sein muss, aber er sagt, es muss sich zusammengesetzt werden.

Was nicht geht, ist, dass die Verlage sagen, liebe Urheber ihr bekommt gar nichts. Das ist ausgeschlossen. Aber es gibt auch schon jetzt oder gab sogar auch schon vor einigen Jahren über genau dieses Thema. Die Verlegerverbände verhandeln mit den beiden Gewerkschaften DJV und Verdi über die Höhe dieser angemessenen Beteiligung.

Die wird auf jeden Fall kommen, und deswegen ist die Aussage nicht richtig, dass Urheber nichts bekommen. Ganz im Gegenteil, sie werden auf jeden Fall in erklecklicher Höhe beteiligt an den Ergebnissen dieses Leistungsschutzrechtes.

Burg: Die Bundesregierung will das sogenannte Leistungsschutzrecht vorantreiben. Darüber spreche ich mit Christoph Keese, dem Verlagsgeschäftsführer des Springerverlages und dem Sprecher zum Urheberrecht der Verlegerverbände. Herr Keese, jeder Anbieter muss sich ja nun fragen: Darf ich noch verlinken. Es wird zunehmend riskanter, sich auf andere Texte zu beziehen. Reiben sich die Abmahnspezialisten unter den Anwaltsbüros nicht schon die Hände?

Keese: Das denke ich nicht. Weil der Link als solcher überhaupt nicht betroffen ist, auch das ist jetzt klargemacht worden. Das war auch nie von den Verlegerverbänden gefordert worden. Der Link als solcher bleibt kostenfrei. Es geht nur darum, wenn Texte oder Bilder oder andere kreative Güter von Seiten kopiert werden. Nur darum geht es. Und da geht es auch nur um die gewerbliche Kopie. Das heißt, wenn jemand privat kopiert, wenn jemand beispielsweise einen privaten Blog betreibt und dort Sachen kopiert, dann ist der gar nicht betroffen, sondern das darf er machen.

Und auch für die gewerblichen Kopierer, also die, die das geschäftlich machen, gelten nach wie vor die Regeln des Zitierens. Nach wie vor ist es erlaubt und völlig statthaft, nach dem Urheberrechtsgesetz ein Zitat einzufügen. Das geht natürlich auch in Zukunft völlig kostenfrei. Nur, wenn man mehr als ein Zitat nimmt, wenn man größere Textlängen nimmt oder wenn man es gar nicht irgendwo einbettet wie ein Zitat, sondern ganz allein hinstellt - also wenn man richtig kopiert, nur dann greift das Leistungsschutzrecht.

Und das ist aber auch völlig legitim, weil das gehört eben anderen Leuten, was man da kopiert, und wenn man das nutzen möchte, dann muss man dafür halt einen Preis bezahlen. Das ist in jedem anderen Markt, den wir kennen, genau das Gleiche, also eigentlich etwas ganz Normales.

Burg: Aber profitieren die Verlagen nicht jetzt schon von der Situation: Onlineverweise sind quasi kostenlose PR für sie und bieten die Möglichkeit, auch Klicks auf eigene Seiten zu bekommen?

Keese: Das ist richtig. Suchmaschinen bringen sogenannten Traffic, bringen also Leserinnen und Leser auf die eigenen Seiten, und da kann man dann Werbung schalten. Aber das Internet ist ein ganz neues Medium, hat sich sehr dynamisch entwickelt in den letzten Jahren, und was dort herauskommt, ist, dass die Wertschöpfung, die entsteht, bei denjenigen, die aggregieren, so sagt man ja, die also zusammenfassen, die Wertschöpfung ist deutlich höher als die Wertschöpfung, die auf den Verlagswebseiten entsteht, und da ist eine Neujustierung notwendig, und das ist seit einigen Jahren offensichtlich.

Am Anfang mag es so gewesen sein, dass beide Leistungen gleich viel wert waren, also Traffic bringen versus die Inhalte ausspielen zu lassen. Mittlerweile ist ein Ungleichgewicht eingetreten und, wie das auch auf anderen Märkten üblich ist, sollte ein solches Ungleichgewicht aufgefangen werden durch einen finanziellen Ausgleich. Dem hat sich die Politik angeschlossen und deswegen jetzt diese Lösung vorgeschlagen.

Burg: Die Bundesregierung will eines ihrer medienpolitischen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag in die Tat umsetzen, das Leistungsschutzrecht. Darüber habe ich mit Christoph Keese gesprochen, dem Verlagsgeschäftsführer des Springerverlags und Sprecher zum Urheberrecht der Verlegerverbände. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Herr Keese!

Keese: Gerne!


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