Leidenschaftlich und unglücklich

Rezensiert von Marko Martin · 08.02.2006
Die aus Uruguay stammende Verfasserin Idea Vilarino veröffentlichte zwischen 1955 und 1980 insgesamt vier Gedichtbände, die sich vor allem um eine leidenschaftliche und unglückliche Liebe drehen. Erich Hackl hat sie nun aus dem Spanischen übersetzt.
"Es ist, was es ist, sagt die Liebe", heißt es in Erich Frieds berühmtem Gedicht. Die Schönheit solch existentieller Reduktion ist jetzt auch in einem Lyrikband zu bewundern, deren Verfasserin aus Uruguay stammt: Idea Vilarino, geboren 1920 in der Hauptstadt Montevideo und dort selbst immer noch lebend – als poetische Stimme ihres Volkes, deren Liebesgedichte sich sogar als Graffiti an den Häuserwänden finden.

Dabei sind die insgesamt vier Gedichtbände, die sie von 1955 bis 1980 veröffentlichte, denkbar privaten Inhalts und kreisen vor allem um die leidenschaftliche und auch unglückliche Liebe zu ihrem berühmten Schriftstellerkollegen Juan Carlos Onetti. Für die "Bibliothek Suhrkamp" hat nun der österreichische Autor und versierte Lateinamerika-Kenner Erich Hackl ihre schönsten Gedichte ausgewählt, kongenial übersetzt und mit einem ebenso informativen wie elegant geschriebenen Nachwort versehen. "Es sind", schreibt Hackl, "Gedichte der erfüllten wie verschmähten, der reinen wie schmutzigen, gegenwärtigen wie abwesenden Liebe, bar jeder Rhetorik und von einer Intensität, die es unmöglich macht, sich ihnen zu entziehen".

In der Tat schwelgt Idea Vilarino nicht in schwülstigen Metaphern: Es ist eben, was es ist - und zwar immer dann, wenn es genauestens benannt ist und gleichzeitig, Balanceakt wirklicher Dichter, einen Freiraum der Imagination schafft. So kündet die enttäuschte oder abwesende Liebe auch nicht pathetisch von einem Persönlichkeitszerfall, sondern notiert in beinahe schrecklicher Eindringlichkeit, was geschieht, wenn den Liebenden ihr Gegenüber abhanden kommt: "Ich bin nur noch ich/ für immer, und du/ wirst für mich/ nicht mehr sein als du."

Das ist eine Poesie, die sich mühelos in die Weltliteratur einklinkt und, ohne jemals epigonal zu sein, Korrespondenzen herstellt - und sei es nur im Gedächtnis des Lesers. "Was fang ich jetzt/ mit dieser Liebe an, mit Briefen,/ die ich schrieb für wen/ was mach ich noch mit meinem Leben/ mit dem, was ich bin, mit Versen/ die ich jetzt zum Lachen finde." An anderem Ort, zu anderer Zeit, schrieb Sarah Kirsch: "Doch immer/ sind wir allein wenn wir den Königen schreiben/ denen des Herzens und jenes/ des Staates."
Andere Gedichte klingen in ihrer Offenheit wie ein Echo auf Kavafis oder machen "Inventur" á la Günter Eich - und sind doch stets Originale, Bekenntnisse einer Liebe, die der Ewigkeit mißtraut und grade daraus ihre Kraft schöpft: "Ich nehme deine Liebe/ na und/ ich gebe dir meine Liebe/ na und. / Immer wird die tiefe Lüge fehlen/ das Immer."


Idea Vilarinho: An Liebe.
Gedichte. Aus dem Spanischen von Erich Hackl.
Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005.,
129 S., geb., 14, 60 Euro.