Lehmann: Institute in Europa nicht bedroht

Moderation: Jürgen König · 31.03.2008
Nach Ansicht von Klaus-Dieter Lehmann werden vorerst keine Goethe-Institute in Europa von Schließung bedroht sein. Der neue Präsident des Goethe-Instituts sagte, zwar werde es neue Institutsgründungen in Afrika und Asien geben. Dies müsse man aber nicht mit einer Schließung in Europa kompensieren. Die Politik habe begriffen, dass das Goethe-Institut mit seiner Glaubwürdigkeit im Ausland ein großes Gewicht habe.
Jürgen König: Vizepräsident des Goethe-Instituts ist Klaus-Dieter Lehmann schon seit 2002, jetzt wird er Präsident. Guten Tag, Herr Lehmann!

Klaus-Dieter Lehmann: Guten Tag, Herr König!

König: Irgendwie liegt mir ja die persönliche Frage am nächsten: Sie haben schon so viel gemacht, Sie sind jetzt 68 Jahre alt. Als Präsident des Goethe-Instituts werden Sie richtig viel Arbeit vor sich haben, werden auch viel unterwegs sein. Warum machen Sie das und was sagt die Familie dazu?

Lehmann: Also die Familie hat das inzwischen ja schon akzeptiert mit den wechselnden Sitzen und mit dem Pendeln, das wird kein Problem sein. Aber für mich ist es einfach eine große Chance, alles das, was ich bisher gemacht habe, in dieses Goethe-Institut mitzunehmen und damit auch noch mal eine wirklich internationale Vermittlung der Kultur und der Sprache Deutschlands nach außen zu tragen.

König: Man feiert Sie in den Festreden und Artikeln, die schon über Sie erschienen sind, als den neuen Botschafter für deutsche Kultur im Ausland. Empfinden Sie sich so?

Lehmann: Ich bin eigentlich jemand, der weniger im Sinne eines politisch Denkenden, sondern eher eines kulturell Denkenden arbeitet. Das bedeutet, was ich machen will, ist das, was wir in Deutschland - und das war ja keine einfache Zeit, die in der zurückliegenden Phase war -, dass wir jetzt mit dem Goethe-Institut wieder im Aufwind sind, dass wir eine Strukturverbesserung machen, dass wir mehr Geld haben und dass wir die Chancen haben, das, was wir in Deutschland ja selber an geschichtlicher Aufarbeitung hatten und was uns vielleicht bewusster und sensibler gemacht hat gegenüber manchen Entwicklungen in der Welt, dass wir das in diesen Dialog mit einbringen.

König: Die scheidende Institutspräsidentin, Jutta Limbach, hat letztes Jahr gesagt, das alte Europa sei ja nun nicht mehr der Nabel der Welt, es ginge nicht an, dass das Goethe-Institut ein Drittel seiner Mittel in den 15 Ländern der alten EU ausgebe. Teilen Sie diese Haltung, will sagen, wie werden Sie das Goethe-Institut strategisch ausrichten?

Lehmann: Für mich ist Europa nach wie vor ein ganz entscheidender Punkt, und zwar deshalb, weil ich ja Europa nicht als eine statische Angelegenheit begreife, ich spreche eigentlich eher von einer Europäisierung. Und diese Europäisierung ist eigentlich nicht so sehr durch die institutionelle Form, sondern wirklich durch die Möglichkeit von Kulturvermittlern in der Weise zu leisten. Und insofern muss in dem Goethe-Institut Europa ein ganz entscheidendes Thema sein, und zwar insbesondere mit den Nachbarstaaten. Und wir haben ja nun wirklich als Deutschland, als Mittelland genug Nachbarstaaten. Nein, Europa wird weiterhin auf der Agenda stehen. Und das Gute ist, dass wir eben nicht, um eine Politik in Afrika oder in Asien zu machen, mit der Schließung in Europa dieses kompensieren müssen.

König: Also das heißt, die relativ zahlreichen Institute in Italien zum Beispiel bleiben bestehen?

Lehmann: Wir werden sicher in den nächsten Jahren für die europäische Form eine klare Strategie haben, aber ich gehe vom Grundsatz zunächst mal aus, dass wir nicht über Schließungen reden, sondern dass wir über eine Programmarbeit und Spracharbeit reden.

König: Und neue Institute dafür in Asien, in Afrika zu eröffnen?

Lehmann: Ja, wir werden in Afrika in diesem Jahr schon drei Institute eröffnen. Das ist Daressalam, das ist Luanda und das ist Khartum. Und ich glaube, dass das eine gute Möglichkeit ist, in Afrika für Deutschland Fuß zu fassen, weil wir das verknüpfen mit einer großen Sprachoffensive, die an Partnerschulen in Afrika, also in afrikanischen Schulen sein wird, nicht in den deutschen Auslandsschulen, und dort deutsch eingerichtet, aber nicht Deutsch nur als Sprachinstrument, sondern wirklich als Kulturträger, sodass wir da Kompetenzzentren für Deutschland schaffen.

König: Die Zentrale plant, die Institute führen aus. Wie autonom werden Sie dabei sein?

Lehmann: Das ist eine ganz falsche Formulierung. Die Restrukturierung, die wir ja nun durchgeführt haben und die jetzt gelebt werden muss - das ist also meine große Aufgabe, dass das alles verinnerlicht wird, was auf dem Papier an Strukturveränderungen formuliert worden ist -, sieht eigentlich eine ganz klare Situation vor: Stärkung der Auslandsinstitute im Hinblick auf Autonomie, auf Beweglichkeit, auf Effizienz. Die Zentrale wird künftig sich konzentrieren auf Strategie und auf Evaluierung, aber nicht mehr ins operative Geschäft eingreifen. Und das finde ich einen großen Fortschritt, weil damit wirklich vor Ort genau das, was da an Wissen ist, was die Kenntnis des Kulturraums betrifft, alles das wird die Ideen verstärken von der Basis her. Und ich glaube, das ist wieder das Goethe-Institut vom Kopf auf die Füße gestellt.

König: Seit über zehn Jahren hat das Goethe-Institut Sparauflagen zu erfüllen. Sie müssen auch weiterhin sparen. Gemeldet wird, von den 280 Stellen in München sollen 50 gestrichen werden. Wird das das Ende des Sparens sein oder müssen Sie noch mehr sparen?

Lehmann: Nein, das wird das Ende des Sparens sein. Es ist ja im Grunde eine gemeinsame Vorgehensweise. Die Politik hat gesagt, macht ihr doch eure Hausaufgaben bitte, wenn ihr eine Strukturveränderung habt, also Stärkung der Auslandsinstitute, Reduzierung der entsprechenden Vorstellungen in der Zentrale zugunsten von Strategie und Evaluierung, dann legen wir auch tüchtig Geld drauf. Und das war 2007 schon so, das war 2008 so. Wir haben zwar in 2008 auch Sondermittel, wie Afrika oder die Partnerschulen, aber ich denke, wir werden auch in 2009 noch mal Programmmittel bekommen. Ich habe den Eindruck, dass die Politik begriffen hat, dass sie mit dem Goethe-Institut ein Pfund hat, das in seiner Glaubwürdigkeit, in seiner Akzeptanz im Ausland ein großes Gewicht hat und Deutschland damit auch gut positionieren kann.

König: Peter von Becker, der Journalist Peter von Becker, hat im "Berliner Tagesspiegel" mal von Kritikern innerhalb des Goethe-Instituts geschrieben, die beklagt hätten, Jutta Limbach, also Ihre Vorgängerin, würde den, Zitat "nicht ökonomisierbaren Wert der eigenen Kulturarbeit nicht offensiv genug verteidigen, sondern eher technokratische Sparmodelle der Politik diskutieren". Wie sehen Sie das mit dem Sparzwang und dem Wert der Kulturarbeit?

Lehmann: Also eines ist klar: Wir müssen, wenn wir Steuergelder - und das sind Steuergelder - bekommen, die vom Parlament genehmigt werden, müssen wir auch, was die betriebliche Struktur angeht, was die Transparenz der Mittelverwendung angeht, müssen wir professionell sein. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir damit die Kultur ökonomisieren. Im Gegenteil, wir verschaffen damit der Kultur Freiräume. Und ich glaube, wenn die Glaubwürdigkeit dann auch gegenüber den Geldgebern da ist, dass sie sieht, was wir für Programm- und Spracharbeit machen, dann müssen wir uns darum keine Sorgen machen. Denn ich glaube, wenn wir Kultur ökonomisieren würden, dann wäre die Aura und die Chance, dass Kultur wirklich die Menschen bewegt, wäre sehr schnell am Ende. Und ich glaube, das sollten wir in keinem Fall machen.

König: Das Goethe-Institut unterliegt ja dem Auswärtigen Amt, das ist auch zuständig für die Botschaften, in denen es bekanntlich auch Kulturattaches gibt. Wie empfinden Sie diesen Zustand - als gesunde Konkurrenz oder als Überangebot oder als noch was ganz anderes?

Lehmann: Es sind unterschiedliche Aufgabenstellungen. Die Goethe-Institute sind letztlich ja nicht nur isolierte Institute, sondern so wie wir sie auffassen und wie ich sie im Besonderen auffasse, sind sie ja auch ein großes Netzwerk, das in der Welt ist, und die arbeiten dann und werden auch künftig die großen Schwerpunktthemen gemeinsam bearbeiten, sodass wir beispielsweise, wenn wir Afrika südlich der Sahara besprechen, dann werden wir eben nicht nur über Johannesburg oder Luanda sprechen, dann werden wir einfach über eine innerafrikanische Öffentlichkeit sprechen. Wir erreichen einfach die Leute anders. Stellen Sie sich die Botschaften heute vor. Sie sind wegen der Gefährdung durch Terror und alle anderen Beeinträchtigungen verbarrikadierte Häuser. Die Goethe-Institute sind offene, einladende Häuser. Wenn wir diesen Status für die Goethe-Institute in der Zukunft nicht hätten, würde Deutschland im Hinblick auf seine Vermittlungsmöglichkeiten enorm verlieren. Deshalb: Goethe-Institute sind eine Sache und die Botschaften die andere, dass wir zusammenarbeiten, ist völlig klar.

König: Ich habe in diesem Artikel von Peter von Becker auch zwei andere Zitate gefunden, das eine von Bruno Fischli, viele Jahre Ihr Regionaldirektor in Brasilien, dass die Politik die Kultur als repräsentatives Marketinginstrument versteht und die Programmhoheit des Goethe-Instituts einschränkt, ist kein Tabu mehr, es ist sogar das Ziel, nicht Außenminister Steinmeiers Ziel, doch das seiner Bürokraten. Und ein zweites Zitat gleich danach. Zitiert wird der Vizepräsident des Goethe-Instituts, ein gewisser Klaus-Dieter Lehmann: Die Kultur muss gegenüber der Politik wieder mehr Selbstbewusstsein zeigen. Sie hat nicht immer nur zu bitten, sondern etwas zu bieten, nämlich Kreativität, Phantasie, Selbstreflexion. Davon ist im Goethe-Institut inzwischen zu wenig die Rede. Zitat Ende. Jetzt werden Sie Präsident sein. Dem Haus müssten erhebliche mentale Veränderungen bevorstehen.

Lehmann: Ich glaube, im Haus des Goethe-Instituts weniger, denn wir haben eigentlich immer gesagt, dass die Goethe-Institute gerade wegen ihres Status, der auch vom Auswärtigen Amt und insbesondere von Außenminister Steinmeier anerkannt wird, diese Unabhängigkeit ein wirklicher Wert ist. Denn damit können wir die Kultur in der Weise positionieren, dass sie tatsächlich aus der Selbstständigkeit heraus auch eine Dialogfähigkeit hat, die die Politik ja aufgrund der protokollarischen Situation gar nicht leisten kann. Also insofern kann ich mein Zitat nur wiederholen, das wird die Grundlage meiner künftigen strategischen Ansätze sein.

König: Werfen wir zum Schluss noch einen Blick zurück. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist mit ihren 17 Museen die größte Kulturorganisation Europas, neun Jahre lang waren Sie ihr Präsident, Sie haben die Renovierung der Berliner Museumsinsel durchgesetzt und auf den Weg gebracht, und Sie haben Ihre Idee durchgesetzt, die außereuropäischen Sammlungen der Berliner Museen im geplanten Stadtschloss unterzubringen. Dass einem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Renovierung der Berliner Museumsinsel sehr wichtig ist, das lässt sich denken. Woher kommt es, dass Ihr Herz immer schon so an den außereuropäischen Sammlungen Berlins hing? War das schon der auswärtige Kulturpolitiker, der sich da zeigte?

Lehmann: Das war im Grunde ein Denken, das wir im 19. Jahrhundert letztlich formuliert haben. Und ich nenne meine beiden Schutzheiligen, das ist Wilhelm von Humboldt für den Humanismus und die Bildung und Alexander von Humboldt, der uns wirklich beigebracht hat die Gleichwertigkeit der Kulturen in der Welt. Und insofern ist das ein wunderbares Erbe, was ich mit zu Goethe nehme, denn wenn man es ganz platt ausdrücken würde, könnte man sagen, die eine Hälfte der Welt können wir mit Goethe, die andere Hälfte können wir mit Alexander von Humboldt formulieren. Also, wir haben wunderbare Ansätze. Aber es ist klar, ich war immer schon interessiert an dem Dialog dieser Kulturen, und zwar in ihrer Gleichwertigkeit. Und wenn dieses ein gutes preußisches Erbe ist, dann nehme ich das gerne auch in die Münchner Landeshauptstadt.

König: Das heißt, es ist ein kontinuierlicher Weg von der Preußischen Kulturstiftung zum Goethe-Institut?

Lehmann: Zumindest kein gebrochener.

König: Herr Lehmann, alles Gute fürs neue Amt und Glückwunsch. Ein sehr optimistischer Klaus-Dieter Lehmann im Gespräch. Heute wird er Präsident des Goethe-Instituts. Vielen Dank!

Lehmann: Danke Ihnen!