Leben in einer "gated community"

Von Elisabeth Nehring · 14.12.2007
Die Choreographin Constanza Macras mischt ganz verschiedene Dinge und Stile miteinander: Pop, Trash, Hoch- und Unterhaltungskultur, Show und manchmal Ernsthaftigkeit. Sie bringt Widersprüchliches zusammen und produziert gekonnt artifizielles Chaos auf der Bühne.
In ihren besten Momenten ist sie dabei eine Meisterin des Übergangs: Sie kann groß angelegte Showeinlagen aus Alltagsszenen entwickeln oder eine Gruppe zu einer gemeinsamen Sequenz zusammenführen, wo eben noch alle auseinanderdrifteten. Das sind ihre Stärken, die allerdings immer vom energetischen Output ihrer Darsteller abhängen

In "Brickland" hat sie die Bühne in voller Breite ausgeschöpft: links eine Art Terrasse mit Plastikmöbeln, Grill, kleinen Bäumchen und Springbrunnen, eine Couch, ein dekadenter Dionysios aus Stein - ein idyllischer, fast kitschiger Ort, das Innere der "gated community", ein, wie sich schnell herausstellt, falsches, verlogenes und verlorenes Paradies.

Termozelte davor erinnern an Flüchtlinge, die Welt draußen (sind aber im Übrigen auch ein Zitat auf ein anderes Tanzstück von Helena Waldmann, Letters from Tentland) und rechterhand markiert eine Art Gerüst mit Plastikscheiben die Grenze.

"Brickland" ist eine für Constanza Macras typische Mischung aus Video, Tanz, Spiel- und Gesangsszenen, die ineinander übergehen. Die Inszenierung beginnt mit zwei aufeinanderfolgenden Soli: Eine ältere Frau im Businessanzug tanzt mit scharfen, abgezirkelten Bewegungen, danach eine jüngere Frau im Schulkostüm, mit somnambulen Bewegungen, fällt und springt, und wirkt dabei wie ferngesteuert, wie in Trance.

Diese beiden unterschiedlichen Bewegungsansätze charakterisieren die Figuren; auf diese Weise macht Macras eine ganze Breite von Typen auf: mal jung und eher zurückgenommen, mal ein spießiger Typ, mal eine schöne, etwas flirrige, elegante Persönlichkeit - alles sehr typisiert.

Der Wechsel von Einzel- und Gruppenszenen dreht sich rund um das Leben in einer "gated community": Ein Bewerbungsgespräch zwischen einem Makler und einer Bewerberin beginnt mit einem Dialog und endet mit einer Prügelei. Auf einem Nachbarschaftstreffen erscheinen alle halbnackt und besprechen total überkandidelt ein Müllproblem. Am Schluss ein sehr schönes Liebesduett mit einer unglaublich traumwandlerischen Angela Schubot, die, als sie von ihrem Partner geliftet wird, wirkt, als ob sie schwebt – schöner Moment.

Die Grundhaltung ist sehr ironisch, auch selbstironisch; Gesagtes und Gespieltes werden von Bewegungen und Aktionen konterkariert – das ist schon unterhaltsam und witzig, meistens aber ein bisschen plump, manchmal auch grenzwertig bis zur Idiotie.

Inhaltlich erschöpft sich das Stück ziemlich schnell. Immer ist es das Naheliegende, das thematisiert wird: Angst vor dem Fremden, Kontrollzwang, Ordnungswahn, Langeweile, Selbstbezüglichkeit – alles, was man sowieso mit dem Leben in einer "gated community" assoziiert. Die Inszenierung funktioniert in der ersten Stunde ganz gut mit der Energie der Darsteller, vom Timing, der Dynamik, der Komposition, also dem Wechsel der einzelnen Szenen - Gesang, Tanz, Video, Spiel - das fließt ganz schön, da zeigt Macras, was sie kann im Formalen. In der zweiten Stunde ist diese Methode ausgeschöpft. Da kommt es einem zunehmend aktionistisch vor und man merkt, dass das Ganze sowohl inhaltlich als auch choreographisch ziemlich dünn ist.

Brickland
Schaubühne Berlin
Regie und Choreographie: Constanza Macras