Landtagswahl in Sachsen

"Startschuss für ein erfolgreiches Wahljahr für die AfD"

Frauke Petry, Spitzenkandidatin der AfD Sachsen, am Wahlabend.
Durfte am Wahlabend triumphieren: die sächsische Spitzenkandidatin der AfD, Frauke Petry © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Uwe Jun im Gespräch mit Andre Hatting · 01.09.2014
Nach ihrem Einzug in den sächsischen Landtag wird die Alternative für Deutschland auch in Thüringen und Brandenburg gut abschneiden, erwartet der Politologe Uwe Jun. Die etablierten Parteien müssten sich nun inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen.
André Hatting: Wenn Sie Ihren Sommerurlaub in diesem Jahr an der Ostsee verbracht haben, dann haben Sie sich vielleicht gefragt, was Wahlplakate der SPD auf Usedom oder Rügen machen! Hat die jemand vergessen abzuhängen? Den Meck-Pommern wird zwar eine besonders große Gemütsruhe nachgesagt, diese Plakate aber bezogen sich auf Sachsen!
Der Termin für die Landtagswahl lag diesmal auf dem letzten Ferientag, deshalb haben zumindest die Oppositionsparteien beschlossen: Dann reisen wir unseren Wählern hinterher! Trotzdem war die Beteiligung extrem niedrig, und gewonnen hat nicht die Opposition, sondern wieder die CDU. Mit einer Ausnahme, die Alternative für Deutschland. Die kommt auf 9,7 Prozent und ist damit zum ersten Mal in einem Landtag.
((Bericht))
Schlechte Laune bei der NPD, die hat es nicht mehr in den Landtag geschafft, wenn auch sehr, sehr knapp. Es sind die kleinen Parteien, die diese Landtagswahl in Sachsen spannend gemacht haben. Und darüber möchte ich jetzt mit Uwe Jun sprechen, er ist Politikwissenschaftler an der Universität Trier. Guten Morgen, Herr Jun!
Uwe Jun: Guten Morgen!
Hatting: Die AfD kommt auf Anhieb auf beachtliche 9,7 Prozent. Sonderfall Sachsen oder Startschuss für weitere Landesparlamente, Thüringen oder Brandenburg etwa?
Auch in Thüringen und Brandenburg kann die AfD auf ein gutes Ergebnis hoffen
Jun: Ja, ich denke schon, dass das ein Startschuss war für ein erfolgreiches Wahljahr für die AfD. Ein Startschuss war ja schon die Europawahl, bei der sie sehr erfolgreich abgeschlossen hat, und jetzt werden sicherlich auch die Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg erfolgreich für die AfD laufen. Denn man hat ja schon bei der Bundestagswahl und auch bei den Europawahlen gesehen, dass die AfD im Osten Deutschlands ihre Hochburgen hat, dort am stärksten abschneidet.
Hatting: In Dresden wird sie zukünftig 14 Sitze haben, also mehr als jeder zehnte. Wie soll man umgehen mit einer Partei, die unter anderem eine Volksabstimmung über ein strengeres Abtreibungsrecht fordert und mehr deutschsprachige Lieder im öffentlichen Rundfunk?
Jun: Es bleibt ja den etablierten Parteien nur die Möglichkeit, sich inhaltlich mit der Partei auseinanderzusetzen, das heißt, eben die Inhalte infrage zu stellen, da Alternativen anzubieten und zu sehen, was der Wähler am Ende präferiert. Denn man muss deutlich sagen, dass die AfD eine nationalkonservative, wirtschaftsliberale Partei ist, die mit einzelnen populistischen Elementen arbeitet.
Hatting: Die AfD legt also einen Standweitsprung hin, die NPD scheitert nur äußerst knapp, 4,95 Prozent. Ist das jetzt der harte Kern, sind das jetzt die Stammwähler?
Jun: Das ist in etwa schon so die Wählergruppe, die die FDP am Ende noch unterstützt, wobei die Stammwählergruppe noch geringer zu veranschlagen ist, sie liegt bei etwa zweieinhalb bis drei Prozent der Wählerschaft ...
Hatting: Die NPD, nicht die FDP! Ich hatte Sie nach der NPD gefragt!
Jun: Entschuldigen Sie, dann habe ich Ihre Frage falsch verstanden! Bei der NPD können Sie es so sagen, das gilt aber auch nur für Sachsen, das ist schon für Sachsen ihre starke, das ist vielleicht sogar ein bisschen darüber hinausgehend, über die Stammwählerschaft. In Sachsen ist sie halt immer stark, dort hat sie in einzelnen Regionen sich eine starke Position erobert. Allerdings wackelt die natürlich jetzt, denn die parlamentarische Präsenz hat die Partei deutlich gestärkt.
Hatting: Sachsen ist wirtschaftlich vergleichsweise stark, geringe Arbeitslosenquote, 8,5 Prozent, das ist die niedrigste seit 1990. Warum schafft es die NPD trotzdem auf fast fünf Prozent?
Die NPD ist in einigen sächsischen Regionen gesellschaftlich verankert
Jun: Das liegt eben daran, dass sie sich in einzelnen Regionen ganz gut verankert hat, dort hat sie eine Basis sich aufgebaut an der gesellschaftlichen Basis, dort hat sie sich stark verankert. Und dort hat sie halt Wählergruppen gewonnen, die sie seit einiger Zeit schon offen ansprechen kann und auch offen anspricht und die auch für die NPD mobilisiert.
Das sind einzelne kleinere Regionen in Sachsen und dort ist die halt in der Gesellschaft präsent. Aber außerhalb Sachsens oder einzelnen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns ist ihr das bisher nicht gelungen.
Hatting: Hat das umgekehrt auch etwas damit zu tun, dass die etablierten Parteien genau dort strukturell schwach sind, dort schlecht vernetzt sind?
Jun: Das in etwa korrespondiert, dass die etablierten Parteien hier kaum präsent sind, dass sie nicht mehr an die gesellschaftliche Basis herankommen, dass sie dort auch kaum noch Mitglieder vor Ort haben und daher schwer sich tun mit der Mobilisierung einzelner Wählergruppen.
Hatting: Die FDP – jetzt kommen wir zu den Liberalen – hat sich auch aus der letzten Regierungsbeteiligung verabschiedet, die sind fassungslos. Spitzenkandidat Holger Zastrow klang sogar richtig verzweifelt.
O-Ton Holger Zastrow: Was soll ich sagen? Begreift ihr das?
O-Ton Auditorium: Ne! Nein!
O-Ton Zastrow: Ich nicht! Wir haben bekämpft wie die Löwen, wir haben alles gegeben, wir haben alles gemacht, was man machen kann. Mehr geht nicht, mehr kann man nicht machen!
Hatting: Mehr geht nicht, mehr kann man nicht machen. 3,8 Prozent, über sechs Prozent weniger als bei der letzten Wahl. Herr Jun, begreifen Sie das?
Erneut ein schlechtes Wahlergebnis: Das Image der FPD ist stark beschädigt
Jun: Ja, ich begreife es schon und Herr Zastrow hat es dann ja auch später in seinen Ausführungen deutlich gemacht: Das Image der Partei ist stark beschädigt, die Partei ist wirklich zurückgefallen auf ihre Stammwählerschaft, sie ist kaum noch darüber hinausgelangt auch jetzt in Sachsen. Da ist sie aufgrund der Regierungsbeteiligung vielleicht noch ein bisschen darüber hinausgekommen, aber die Fehler der Vergangenheit insbesondere auf der Bundesebene, die rächen sich weiterhin und die Partei tut sich schwer derzeit, bei ihrem Negativimage Wähler zu gewinnen.
Hatting: Welche Rolle spielt die Wahlbeteiligung? Nicht einmal jeder zweite Stimmberechtigte hat gewählt!
Jun: Das ist sicherlich enttäuschend, das hat etwas mit dem Wahldatum zu tun, das hat aber auch damit zu tun, dass vor der Wahl doch sicher war, dass die CDU weiter den Ministerpräsidenten stellen würde, daran hat eigentlich niemand gezweifelt. Es gab deswegen kaum eine andere Regierungsfähigkeit, eine andere Mehrheitsfähigkeit, also die Bildung dazu, und das hält den Wähler dann davon ab, überhaupt an dieser Wahl teilzunehmen.
Es gab auch kein Thema, was vollständig mobilisiert hat. Und deswegen stand diese Wahl doch sehr im Schatten der anderen Ereignisse, der weltpolitischen Ereignisse, die derzeit stattfinden. Und kaum jemand selbst in Sachsen hat den Ausgang der Wahl in Zweifel gestellt, zumindest was dann am Ende die Regierungsbildung betrifft, zumindest was die Position des Ministerpräsidenten betrifft.
Hatting: Der wird auch in Zukunft Stanislav Tillich heißen. Sachsen steuert möglicherweise aber auf eine große Koalition zu, die FDP ist ja nicht mehr im Landtag vertreten. Das wollten übrigens auch die meisten Wähler in Sachsen. Ist das so ein genereller Trend, diese großen Koalitionen? Wird – umgekehrt gefragt – die Arbeit der Oppositionsparteien zu wenig wahrgenommen in Deutschland?
Jun: Die Opposition tut sich immer schwer, erst recht in den Landtagen, dort ist sie ja auch im Schatten der medialen Berichterstattung. Es findet über das, was sie dort in den Landtagen tut, relativ wenig ... wird wenig Öffentlichkeit hergestellt. Und gut, dann kann man auch sagen, in den ostdeutschen Ländern haben wir dann eben noch die Besonderheit, dass eben hier die Regierungsbildung noch etwas schwieriger ist aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen. Und wir sehen ja mit Ausnahme von Brandenburg, dass überall CDU und SPD gemeinsam regieren.
Hatting: Uwe Jun, Politikwissenschaftler an der Universität Trier zum Wahlausgang in Sachsen, vor allem dem Abschneiden der kleineren Parteien. Vielen Dank dafür!
Jun: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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